Union scheitert in Karlsruhe: Eilantrag gegen Nachtragshaushalt abgelehnt
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/OLDS76CSMFBPXKXD445TXDSIHU.jpeg)
ARCHIV - 23.09.2022, Berlin: Friedrich Merz (CDU), CDU-Bundesvorsitzender und Unionsfraktionsvorsitzender, nimmt an der Sitzung des Bundestags teil. Der CDU-Chef hat einen «Sozialtourismus» von ukrainischen Flüchtlingen nach Deutschland beklagt. Er sagte Bild TV in einem am Montagabend gesendeten Interview: «Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge: nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine.» Der Hintergrund laut Merz: Anfangs hatten Ukraine-Flüchtlinge Anspruch auf Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz - seit Juni erhalten sie Grundsicherung, also die gleichen Leistungen wie etwa Hartz-IV-Empfänger. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Karlsruhe. Die Aktion war ein wichtiges Schmiermittel beim Zustandekommen der Ampel-Regierung. Um ausreichend Geldmittel für den Klimaschutz zur Verfügung zu haben, ohne die Schuldenbremse zu verletzen, griff die Koalition tief in die haushaltspolitische Trickkiste: In einer ihrer ersten Amtshandlungen widmete sie im vergangenen Jahr ungenutzte Corona-Hilfen im Umfang von 60 Milliarden Euro um und schob sie in den Energie- und Klimafonds (EKF), aus dem fast alle Klimaprogramme bezahlt werden. Die Union klagte dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht und stellte gleichzeitig einen Eilantrag zur faktischen Sperrung der Mittel. Mit ihrem Antrag auf eine einstweilige Anordnung scheiterte sie jetzt aber in Karlsruhe. Aus dem am Donnerstag veröffentlichen Beschluss wird allerdings deutlich, dass die Richter es für möglich halten, im Hauptsachverfahren doch im Sinne der Union zu entscheiden.
Auch Bundesrechnungshof unterstützt Sicht der Union
Konkret ging es in dem Verfahren um den Nachtragshaushalt für 2021. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) rechtfertigte die Verschiebeaktion mit der Notwendigkeit, in der Corona-Pandemie unterlassene Investitionen nachzuholen. Nach der Lesart der Regierung gibt es damit einen engen Zusammenhang zwischen der Pandemie und den Klimainvestitionen. Das sieht die Union jedoch komplett anders und wird darin zum Beispiel auch vom Bundesrechnungshof unterstützt.
Die Überführung der 60 Milliarden Euro sei ein Bruch der Schuldenregel des Grundgesetzes, weil dieses Geld nur zur Bewältigung einer unvorhersehbare Naturkatastrophe - nämliche der Corona-Pandemie – verwendet werden dürfe. Beim Klimaschutz handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Krise. Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels müssten daher unter Einhaltung der Schuldenregel aus dem regulären Haushalt finanziert werden.
Erhebliche Nachteile durch Sperrung der Mittel
Damit das Geld bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht ausgegeben wird, stellte die Union gleichzeitig mit der Verfassungsklage auch einen Eilantrag zur faktischen Sperrung der Mittel. Das lehnten die Richter mit dem Argument ab, in diesem Fall müssten Klimaprogramme wie zum Beispiel die Förderung energieeffizienter Gebäude sofort gestoppt und der Strompreis angehoben werden, weil auch die EEG-Umlage aus dem mittlerweile in Klima- und Transformationsfonds (KTF) umbenannte Nebenhaushalt bezahlt wird. Das würde zu erheblichen Unsicherheiten führen, so die Verfassungsrichter. Für weniger kritisch hält das Gericht die Handlungsoptionen der Regierung, sollte der Union später in der Hauptsache Recht gegeben werden.
Dann müsste die Regierung im Zweifel ein Sparpaket auflegen, um die Klimaprogramme finanzieren zu können.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/EZHJQQG67RD4LOGG3ATC7MQUTQ.jpg)
Hauptstadt-Radar
Der Newsletter mit persönlichen Eindrücken und Hintergründen aus dem Regierungsviertel. Immer dienstags, donnerstags und samstags.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Interessant ist, dass die Karlsruher Richter an mehreren Stellen in dem Beschluss ausdrücklich darauf hinweisen, dass die von der Union angegriffenen Punkte im späteren Hauptsacheverfahren noch inhaltlich geklärt werden müssten. Es erscheine „nicht ausgeschlossen“, dass die Umwidmung der Gelder „nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine notlagenbedingte Kreditaufnahme“ entspreche, heißt es im dem Beschlusstext.
Unions-Vize-Fraktionschef Mathias Middelberg sagte, die Entscheidung in der Hauptsache sei damit offen. Die Union sei hier zuversichtlich. „Die heutige Entscheidung ist für den Bundesfinanzminister kein grünes Licht“, betonte er. Minister Lindner sprach von einer guten Nachricht. Ansonsten wären Fördermittel in Frage gestellt worden, sagte er. Dass das Verfassungsgericht vorhabe, die Schuldenbremse zu konkretisieren, sei wichtig für die weitere Anwendung der Regelung.