Weiterer Schlag gegen russisches Militär

Ukraine spricht von 500 Toten und Verletzten: Wurden die russischen Soldaten von Partisanen verraten?

Ukrainische Soldaten feuern eine französische Panzerhaubitze auf russische Stellungen in Donezk.

Ukrainische Soldaten feuern eine französische Panzerhaubitze auf russische Stellungen in Donezk.

Den ukrainischen Streitkräften ist ein weiterer Schlag gegen die russischen Truppen in der Ukraine gelungen. Im Dorf Tschulakiwka im Süden der Region Cherson hat das ukrainische Militär nach eigenen Angaben etwa 500 russische Soldaten außer Gefecht gesetzt. Laut dem ukrainischen Generalstab soll dabei auch Militärtechnik zerstört worden sein. Der Angriff habe bereits an Silvester stattgefunden, heißt es, und ist der zweite gezielte Schlag in der Silvesternacht mit Hunderten toten Russen.

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Schon am Montag war ein Angriff auf eine Unterkunft russischer Soldaten mit westlichen Himars-Raketenwerfern in der Region Donezk bekannt geworden. Dort sollen nach Angaben aus Kiew 400 russische Soldaten gestorben und 300 verletzt worden sein. Moskau bestätigte den Angriff, sprach jedoch von 63 getöteten Rekruten. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben bisher nicht.

Russische Soldaten in der Ukraine von Partisanen verraten?

„Die erfolgreichen ukrainischen Angriffe sind ein Indiz dafür, dass die Russen unvorsichtiger geworden sind“, sagt Christian Mölling, Militärexperte und Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). „Es ist fraglich, ob die Russen überhaupt ihre Stellungen vor Angriffen aus der Luft schützen“, so der Experte im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Dass sich größere Ansammlungen russischer Soldaten an einem Ort befinden, der in Reichweite der Himars-Raketenwerfer liegt, lasse sich nur durch ein Versagen russischer Planer erklären.

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Beim nun bekannt gewordenen Angriff in Cherson deutet für Mölling einiges darauf hin, dass die russischen Soldaten von ukrainischen Partisanen verraten worden sind. Auffällig ist für Beobachter, dass mit einigen wenigen Schlägen gleich Hunderte Soldaten verletzt oder getötet wurden. Mölling betont, dass es zwar schon im Herbst Zeiten gegeben hat, wo mehrere Hundert russische Soldaten am Tag ums Leben kamen. Aber jetzt sei eine zunehmende Abnutzung der Soldaten erkennbar – mit schwerwiegenden Folgen: „Es gibt so viele Verluste, dass auch die letzten erfahrenen Soldaten als Kommandeure an die Front geschickt werden müssen und in den Planungsstellen unerfahrene Soldaten eingesetzt werden.“ Die Russen machen laut dem DGAP-Experten ihr eigenes System fehleranfällig.

63 russische Soldaten bei ukrainischem Angriff getötet
ARCHIV - 23.05.2011, USA, Yakima Training Center: Ein Mehrfachraketenwerfer von Typ HIMARS (High Mobility Artillery Rocket System) fährt während eines Kampftrainings in der Hochwüste des Yakima Training Center in Washington. Die US-Regierung liefert der Ukraine im Rahmen eines neuen Sicherheitspakets moderne Mehrfachraketenwerfer zur Verteidigung gegen den russischen Einmarsch. Aus dem Weißen Haus hieß es, die Ukraine habe zugesichert, mit dem in den USA hergestellten Artilleriesystem HIMARS keine Ziele auf russischem Territorium anzugreifen. Foto: Tony Overman/The Olympian/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Ukrainische Raketen sollen ein Gebäude zerstört haben, in dem viele russische Rekruten untergebracht waren.

„Kriminell fahrlässig“: In Russland wächst die Kritik

Die Kritik am russischen Militärkommando wächst nach den beiden Angriffen mit Hunderten Opfern. Laut Lagebericht des Institute for the Study of War (ISW) gibt es schwere Vorwürfe, weil sich so viele russische Soldaten an einem Ort aufhielten. Dies sei „kriminell fahrlässig“, heißt es demnach in Militärkreisen, und es mehren sich Forderungen, den verantwortlichen Kommandeur zu bestrafen. „Putins Unfähigkeit, auf die Kritik einzugehen und die Mängel in Russlands Militärfeldzug zu beheben, könnte seine Glaubwürdigkeit als praktischer Kriegsführer untergraben“, bilanzierten die ISW-Experten.

Weil Russland immer mehr Soldaten in den Kampfgebieten im Süden und Osten der Ukraine verliert, wächst die Sorge vor einer zweiten Mobilisierung in Russland. Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow hatte die russische Bevölkerung in einer Videoansprache bereits vor einer neuen Mobilmachungswelle gewarnt und die Russen aufgerufen, sich der Einberufung zum Kriegsdienst zu entziehen. Andernfalls würden sie in der Ukraine sterben oder zum „Krüppel“ werden.

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Mölling hält neue Mobilisierungswelle für notwendig

Die russische Armee ist nach Einschätzung von Militärexperte Mölling auf eine neue Mobilisierungswelle angewiesen. „Die russischen Streitkräfte haben seit Monaten einen großen Verschleiß an Soldaten, können die Qualität nicht sicherstellen und setzen daher auf Quantität.“ Doch inzwischen wurden offenbar so viele Soldaten an der Front als Kanonenfutter verfeuert, dass Russland laut dem Experten derzeit über keine Offensivfähigkeit mehr verfügt. „Will Russland mehr Handlungsoptionen in der Ukraine haben, brauchen sie mehr Soldaten.“ Er geht davon aus, dass Moskau in den nächsten zwei bis drei Wochen eine neue Rekrutierungs- und Mobilisierungswelle ausruft. Diese Einschätzung teilt auch der frühere Leiter des Leitungsstabes im Verteidigungsministerium, Nico Lange. „Nach den Feiertagen ist ab Mitte Januar mit erneutem Ausreiseverbot für russische Männer und einer neuen Welle der Mobilmachung zu rechnen.“

Ich gehe davon aus, dass Russland in den nächsten zwei bis drei Wochen eine neue Rekrutierungs- und Mobilisierungswelle ausruft.

Christian Mölling,

DGAP-Forschungsdirektor

Die Abnutzung der russischen Streitkräfte und Hunderte tote Soldaten in den vergangenen Tagen sind jedoch nicht die einzige Herausforderung des russischen Militärs. Angesichts der Zerstörung von Militärausrüstung und des enormen Munitionsverbrauchs kann Russland den Krieg nicht mehr ohne Hilfe aus dem Ausland fortführen. Russland werde in seiner Abhängigkeit von Waffenlieferungen aus dem Ausland der Ukraine immer ähnlicher, beobachtet Mölling. „Die Russen sind nicht mehr Herr der eigenen Kriegsführung.“ Nicht nur bei Drohnen, wie den iranischen Shahed-Modellen, ist das russische Militär auf andere Länder angewiesen. Auch bei Raketen könnten die Russen den Nachschub nicht mehr aus eigener Produktion decken. „Sie können nicht mehr aus eigener Kraft gewinnen.“

Drohnenangriffe in der Neujahrsnacht: Selenskyj befürchtet Abnutzungskrieg
HANDOUT - 29.05.2022, Ukraine, Charkiw: ARCHIV - Auf diesem vom Pressebüro des ukrainischen Präsidenten via AP zur Verfügung gestellten Foto besucht Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, die vom Krieg betroffene Region Charkiw. Selenskyj gilt durch seinen Widerstand gegen Russlands Invasion im Westen als Held im Kampf für Demokratie und Freiheit. Der 44 Jahre alte Ex-Schauspieler begeistert viele Menschen mit seinem Mut in dem Krieg. (zu dpa "Ein Held für die Welt - Selenskyj kämpft mutig gegen Putin") Foto: --/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte vor Russlands Zermürbungsstrategie.

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Die ukrainische Regierung hat nach eigenen Angaben Hinweise darauf, dass sich Russland in den vergangenen Wochen in großem Stil mir iranischen Drohnen eingedeckt hat. „Wir haben Informationen, dass Russland einen längeren Angriff mit Shaheds plant“, sagte Selenskyj auf seinem Telegram-Kanal. Russlands Präsident Wladimir Putin könnte mit dem lang anhaltenden Angriff „auf eine Abnutzung abzielen“, vermutet Selenskyj. „Auf die Abnutzung unserer Bevölkerung, unserer Luftverteidigung, unserer Energie.“

Die tieffliegenden Shahed-Drohnen sind mit etwa 20.000 US-Dollar sehr günstig und auf dem Radar nur schwer erkennbar. „Wenn Russland eine große Angriffswelle mit Drohnen startet, kommt es meist zu einer taktischen Überwältigung“, so Experte Mölling. Das gut ausgebaute Luftverteidigungssystem der Ukraine kommt dann an seine Grenzen. Die Quantität der ukrainischen Luftabwehr zwinge Russland dazu, eine große Anzahl an Drohnen einzusetzen, damit überhaupt welche das Luftverteidigungssystem durchbrechen.

+++Alle Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine im Liveblog+++

Selenskyj zeigte sich zuversichtlich, dass die ukrainischen Streitkräfte viele russische Drohnen abschießen werden. Allein in den ersten zwei Tagen des neuen Jahres habe die Ukraine mehr als 80 feindliche Drohnen unschädlich machen können. „Diese Zahl könnte sich in naher Zukunft noch erhöhen.“

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