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„CSU ohne triftige Argumente“

Streit um Wahlrechtsreform: Jetzt werden die Experten angehört

Es sollen wieder weniger werden: Die Sitze im Plenarsaal des Deutschen Bundestags.

Es sollen wieder weniger werden: Die Sitze im Plenarsaal des Deutschen Bundestags.

Berlin. Im Deutschen Bundestag wird weiterhin über eine Wahlrechtsreform debattiert und gestritten, mit der das Parlament wieder auf seine Regelgröße verkleinert werden soll. Am Montag findet eine öffentliche Anhörung des Bundestagsinnenausschusses zu dem Thema statt. Gehört werden sollen dort Stellungnahmen von Juristinnen und Juristen und weiteren Sachverständigen. Florian Meinel ist einer dieser Sachverständigen. Der Rechtswissenschaftler von der Georg-August-Universität Göttingen hat den Gesetzentwurf der Ampelkoalition gemeinsam mit dem Berliner Juristen Christoph Möllers und der Gießener Juristin Jelena von Achenbach verfasst.

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„Ich halte den Vorschlag für das bestmögliche Modell zur Wahlrechtsreform, das unter Wahrung der sonstigen Struktur des deutschen politischen Systems zurzeit möglich ist“, sagte Meinel dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Das deutsche Wahlrecht war für die Existenz von zwei großen Volksparteien mit ein bis zwei kleineren Parteien in der Mitte ausgelegt. Der Ampelvorschlag vollzieht den Übergang zu einem Wahlrecht, das auf ein sich zunehmend pluralisierendes Parteiensystem zugeschnitten ist“, sagte Meinel weiter.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass in den Wahlkreisen nicht mehr automatisch der Bewerber mit den meisten Erststimmen ein Direktmandat erhält. Künftig müsste das Direktmandat über das Zweitstimmenergebnis abgesichert sein. Das heißt: Eine Partei erhielte nur so viele Sitze im Bundestag, wie ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen. Überhang- und Ausgleichsmandate gäbe es nicht mehr. Wenn eine Partei mehr Direktmandate gewinnt, als ihr Sitze im Parlament zustehen, würden diejenigen mit dem schlechtesten Wahlergebnis gekappt.

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Staatsrechtler sieht Verfassungswidrigkeit

Der Staatsrechtler Philipp Austermann von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung übt scharfe Kritik an dem Gesetzentwurf. Er wurde von CDU und CSU als Sachverständiger für die Anhörung am Montag vorgeschlagen. „Der Ampelvorschlag zur Wahlrechtsreform ist aus meiner Sicht verfassungswidrig, weil die Erststimmen der Wähler in verschiedenen Wahlkreisen dadurch ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt werden“, sagte Austermann dem RND.

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„Es kann passieren, dass ein Kandidat in Leipzig mit nur 18 Prozent der Wahlkreisstimmen das Direktmandat erhält. Gleichzeitig kann es sein, dass ein Kandidat in Bayern oder Baden-Württemberg 50 Prozent der Stimmen erhält, aber nicht gewählt wird“, erklärte der Jurist.

Jelena von Achenbach weist den Vorwurf zurück. „Der Kritik an diesem Vorschlag zur Wahlrechtsreform liegt häufig das Missverständnis zugrunde, dass durch den reinen Mehrheitsgewinn im Wahlkreis automatisch und naturgemäß ein Recht auf das Wahlkreismandat entsteht“, sagte sie. Der Gesetzgeber könne dafür aber Bedingungen definieren – so wie der Vorschlag der Ampelkoalition es nun vorsehe. „Danach würde der Wahlkreisgewinn neben der reinen Stimmenmehrheit an die Verhältniswahl gekoppelt, nämlich durch den Grundsatz der Hauptstimmendeckung“, so von Achenbach.

„CSU ohne triftige Argumente“

Zu der aus der CSU geäußerten Kritik, mit den Reformplänen der Ampel würde „organisierte Wahlfälschung“ betrieben und man kenne solche Methoden eigentlich nur aus „Schurkenstaaten“, sagte von Achenbach: „Die Lautstärke und die Schärfe des Tons stehen für die Abwesenheit eines Arguments.“

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Die Ampelkoalition habe einen verfassungskonformen Vorschlag vorgelegt. „Dem steht die Union und insbesondere die CSU nun ohne triftige Argumente gegenüber. Deswegen nutzt sie populistische Begriffe, die, glaube ich, wirklich eine Gefahr für die Demokratie sind. Denn sie setzen sich überhaupt nicht sachorientiert mit dem Problem des Anwachsens des Bundestags auseinander oder versuchen, dieses Problem zu lösen.“

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