Bruttoinlandsprodukt 2022 um 1,9 Prozent gestiegen – trotz Krieg und Energiekrise
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Zahlreiche Banknoten liegen auf einem Tisch. (Symbolbild)
© Quelle: Monika Skolimowska/dpa-Zentralbi
Berlin. Die deutsche Wirtschaft hat trotz Gegenwinds im vergangenen Jahr ihre Aufholjagd nach der Corona-Krise fortgesetzt. Allerdings verlor Europas größte Volkswirtschaft an Dynamik. Die Wirtschaftsleistung legte 2022 um 1,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu, wie das Statistische Bundesamt am Freitag anhand erster Berechnungen mitteilte. 2021 war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch um 2,6 Prozent gewachsen.
Zwar machte der Krieg in der Ukraine die Hoffnung auf einen kräftigen Aufschwung nach zwei von Corona-Einschränkungen geprägten Jahren zunichte. Dennoch zeigten sich die deutschen Unternehmen erstaunlich robust.
„Auf den ersten Blick könnte man fast glauben, die russische Ukraine-Invasion und der Energiepreisschock seien spurlos an der deutschen Wirtschaft vorbeigegangen“, sagte Prof. Dr. Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Das wäre aber eine Fehlinterpretation der Zahlen: Ein beträchtlicher Teil des Wachstums kam aus dem ersten Quartal 2022, also noch vor der russischen Ukraine-Invasion.“
Deutsche Wirtschaft im Wachstum: BIP im Jahr 2022 um 1,9 Prozent gestiegen
Die deutsche Wirtschaft hat trotz Gegenwinds im vergangenen Jahr ihre Aufholjagd nach der Corona-Krise fortgesetzt.
© Quelle: dpa
Wirtschaft stagnierte im vierten Quartal
So wuchs die deutsche Wirtschaft im vierten Quartal 2022 nach Einschätzung des Statistischen Bundesamtes nicht mehr. Nach bisherigen Erkenntnissen stagnierte das BIP zum Vorquartal, wie die neue Behördenchefin Ruth Brand bei einer Pressekonferenz in Berlin mitteilte.
Dullien von der Hans-Böckler-Stiftung verweist auch darauf, dass „die Folgen des Energiepreisschocks noch nicht ausgestanden“ seien. „Die deutsche Wirtschaft arbeitet sich vielmehr gerade erst aus dem Schock hinaus“, sagte er und prognostizierte: „Das Wirtschaftswachstum 2023 wird deutlich schwächer ausfallen und nahe der Stagnationsgrenze liegen.“
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Befürchtete Rezession dürfte vergleichsweise mild ausfallen
Viele Volkswirte hingegen schätzen die Aussichten für 2023 nicht mehr ganz so trüb ein wie zunächst nach dem Beginn des Kriegs: Die Rezession dürfte vergleichsweise mild ausfallen, die jüngsten Konjunkturprognosen gehen von einem BIP-Rückgang von weniger als einem Prozent 2023 aus. Weil der Staat Privathaushalte und Unternehmen mit Milliardensummen bei den kräftig gestiegenen Kosten für Energie entlastet, erwarten manche Institute sogar ein leichtes Wirtschaftswachstum in Deutschland im laufenden Jahr.
Viele Haushalte haben noch vergleichsweise viel Geld auf der hohen Kante, das sie während der Pandemie nicht ausgeben konnten. Zwar bremsen aktuell hohe Energiekosten und eine hohe Teuerung den Konsum. „Bemerkenswert“ nennt es auch Dr. Christoph Swonke, Konjunkturanalyst der DZ Bank, gegenüber dem RND, „dass trotz einer rekordhohen Verbraucherpreisinflation die privaten Konsumausgaben der maßgebliche Wachstumstreiber waren“. Auch er verweist auf den „durch die Pandemie bedingten Geldanlagestau, der zum Teil zurück in Deutschlands Wirtschaft floss“.
Die ab Frühjahr zu erwartende wirtschaftliche Erholung dürfte nicht stark genug sein, um einen BIP-Rückgang im Gesamtjahr 2023 zu verhindern.
Dr. Christoph Swonke, Konjunkturanalyst der DZ Bank
Die Lage dürfte sich nach Einschätzung von Volkswirten ab der zweiten Jahreshälfte 2023 allmählich entspannen. Swonke glaubt allerdings nicht, dass die ab Frühjahr zu erwartende wirtschaftliche Erholung stark genug sein wird, um einen BIP-Rückgang im Gesamtjahr 2023 zu verhindern.“
DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben forderte eine „Investitions- und Umsetzungsoffensive“, um schnellstmöglich auf einen nachhaltigen Wachstumspfad umzuschwenken. Dazu seien etwa internationale Handelsverträge nötig und bei der Energie- und Gaspreisbremse müsse sichergestellt werden, dass die Entlastungen bei allen Unternehmen tatsächlich ankommen.
Deutscher Staatshaushalt auch 2022 im Minus
Die staatlichen Hilfsprogramme dürften jedoch das deutsche Staatsdefizit 2023 wieder nach oben treiben. Auch im abgelaufenen Jahr haben Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen nach Berechnungen des Bundesamtes mehr Geld ausgegeben als eingenommen. Das Minus summierte sich auf 101,6 Milliarden Euro.
Europäische Verschuldungsregel sollte eingehalten werden
Dennoch hielt Deutschland nach zwei Ausreißern in den Corona-Jahren 2020 (4,3 Prozent Defizit) und 2021 (3,7 Prozent Defizit) wieder die europäische Verschuldungsregel ein: Bezogen auf die gesamte Wirtschaftsleistung betrug das Defizit den vorläufigen Berechnungen zufolge im vergangenen Jahr 2,6 Prozent.
Der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt erlaubt den EU-Staaten ein Haushaltsdefizit von höchstens 3 Prozent und eine Gesamtverschuldung von höchstens 60 Prozent des nominalen BIP. Wegen teurer Corona-Hilfsprogramme haben die EU-Staaten diese Regeln vorübergehend ausgesetzt. Vorgesehen ist nach derzeitigem Stand, dass der Pakt von 2024 an wieder regulär greift.
mit dpa