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Rechtsruck wahrscheinlich

Wahlen in Spanien stehen an: keine Angst vor den Rechtspopulisten von Vox

Anhänger der rechtsradikalen Partei Vox feierten 2018 ein gutes Ergebnis bei den Regionalwahlen in Andalusien. Seitdem konnten sie in zahlreichen lokalen und regionalen Wahlen Erfolge erzielen. 2023 könnte das Jahr sein, in dem sie in die spanische Regierung einziehen.

Anhänger der rechtsradikalen Partei Vox feierten 2018 ein gutes Ergebnis bei den Regionalwahlen in Andalusien. Seitdem konnten sie in zahlreichen lokalen und regionalen Wahlen Erfolge erzielen. 2023 könnte das Jahr sein, in dem sie in die spanische Regierung einziehen.

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Pedro Sánchez, immer noch spanischer Minister­präsident, warnt die Spanier vor „den Rechtsextremen und der extremen Rechten“. Pilar Alegría, seine Erziehungs­ministerin, spricht vom „doppelköpfigen Monster“: Der eine Kopf ist die PP, die konservative Volkspartei, der andere Vox, die Partei rechts davon, rechtspopulistisch, rechtsradikal oder rechtsextrem, je nach Blickwinkel.

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Das ist die Regierung, die auf die Spanier wartet, wenn sie am 23. Juli nicht die Sozialisten (PSOE) oder eine andere Linkspartei wählen. Doch das Schreckens­bild schreckt die Spanier nicht, jedenfalls nicht die, auf die es ankommt: die Wechsel­wähler. Alle Umfragen sagen einen deutlichen Sieg von PP (mit gut 30 Prozent der Stimmen) und Vox (rund 15 Prozent) voraus; wahrscheinlich reicht es gemeinsam sogar zu einer absoluten Mehrheit der Sitze – wenn die kommenden Wahlkampf­wochen nicht noch mal das Panorama verschieben.

Vor einem Jahr, als Vox zum ersten Mal einer regionalen Koalitions­regierung beitrat (in Kastilien und León), gab die Zeitung „20 Minutos“ eine Umfrage in Auftrag, ob die Spanier in Vox eine Gefahr für die Demokratie sähen. 49 Prozent taten es, 40,5 Prozent taten es nicht. Die Angst vor der Ultrarechten (wie Vox in Spanien meistens genannt wird) ist also weit verbreitet. Offenbar sitzt sie aber nicht besonders tief. Jedenfalls nicht bei jenen, die bei den kommenden Parlaments­wahlen nicht wieder PSOE wählen wollen.

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Vox ist keine zehn Jahre alt. Die Partei wurde Ende 2013 von ein paar unzufriedenen PP-Politikern gegründet, die sich eine energische Strategie gegen die Zersplitterung Spaniens wünschten. Das war keine Sorge, die viele Spanier teilten – bis zum Herbst 2017, als das katalanische Regional­regierung ein illegales Unabhängigkeits­referendum organisierte. Die Stimmung im Rest des Landes kippte fast von einem Tag auf den anderen. In Madrid hingen plötzlich Tausende spanische Flaggen an den Balkonen. Die wütenden Spanier fanden bei Vox ihre Stimme. Im Dezember 2018 zog die Partei mit knapp 11 Prozent ins andalusische Regional­parlament ein, bei den nationalen Parlaments­wahlen im April 2019 kam sie auf gut 10 Prozent, bei den Neuwahlen sieben Monate später auf 15 Prozent.

Vox: rechtsnationalistisch und EU-kritisch

Nach dem Wahlerfolg in Andalusien rief der damalige Chef der Linkspartei Podemos, Pablo Iglesias, den „antifaschistischen Alarmzustand“ aus. Vox ist aber keine faschistische Partei. Sie huldigt weder dem Führerprinzip (jedenfalls nicht mehr als jede andere spanische Partei), noch setzt sie auf Gewalt als Mittel zum Erreichen politischer Ziele. Vox ist eine rechts­nationalistische Partei mit gelegentlich populistischen Zügen. Der eiserne Kern ihres Programms ist die Einheit Spaniens, die sie durch katalanische und baskische Nationalisten und willfährige Politiker anderer spanischer Parteien gefährdet sieht.

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Sie ist EU-kritisch, ohne den Austritt aus der EU zu betreiben. Sie hält die illegale Immigration für die Ursache „zunehmender Kriminalität“ (die aber in Spanien nicht zunimmt). Sie wendet sich gegen den „Überlegenheits­feminismus“ (feminismo supremacista) und will „das Leben von der Zeugung bis zum Tod beschützen“. Wirtschafts­politisch schwankt sie zwischen ultraliberal und sozialliberal. Der Parteichef Santiago Abascal, ein ehemaliger PP-Politiker aus dem Baskenland, sagte im Oktober 2020 vor dem spanischen Parlament: „Degenerierte Oligarchien verwandeln ganze Nationen in multikulturelle Misthaufen“, wofür „große Lobbyisten des Globalismus wie dieser Finanz­spekulant und antinationale Verschwörer George Soros“ verantwortlich seien.

Die PP tut, was sie kann, um sich von Vox abzugrenzen, vor allem, indem sie nicht von ihr redet. Das hat aber seine Grenzen. Nach den Kommunal- und Regional­wahlen von Ende Mai gibt es lauter rechte Mehrheiten, die aber nur durch Verhandlungen zwischen der PP und Vox zu handlungs­fähigen Mehrheiten werden können. Die PP will, wo Vox sie lässt, allein regieren, scheut aber keine Gespräche mit ihr. Es gibt kein Vox-Tabu bei der PP. Das wissen die Wechsel­wähler. Sie wissen aber auch, dass die PSOE, wo es nötig war, mit der baskischen Bildu verhandelt hat, auf deren Wahllisten Dutzende ehemalige Terroristen und Mörder aufgetaucht sind. Sie haben einen linken Koalitions­partner, Unidas Podemos, erlebt, der die spanische Richterschaft als „machistisch“ beschimpft, wenn ihm deren Urteile nicht gefallen, und der regierungs­kritische Journalisten und Journalistinnen an den Pranger stellt. Sie haben einen Regierungschef erlebt, der ein anerkanntes staatliches Sozial­forschungs­institut in ein Instrument seines Machterhalts verwandelt hat. Gefahren für die Demokratie lauern auf vielen Seiten. Dass Vox die größte von ihnen sei, glauben viele Spanier nicht. Sie wollen erst mal Pedro Sánchez loswerden – und nehmen dafür auch das doppelköpfige Monster in Kauf.

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