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Seehofer stellt klar: Deutschland wird keine Migranten von der belarussisch-polnischen Grenze aufnehmen

Der geschäftsführende Bundesinnenminister Horst Seehofer bei einer Pressekonferenz. (Archivbild)

Der geschäftsführende Bundesinnenminister Horst Seehofer bei einer Pressekonferenz. (Archivbild)

Warschau/Brüssel. Deutschland wird keine Flüchtlinge von der belarussisch-polnischen Grenze aufnehmen. Das stellte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstagabend bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem polnischen Amtskollegen Mariusz Kaminski von der nationalkonservativen Partei PiS in Warschau klar. Er trat damit Gerüchten entgegen, wonach Deutschland angeblich bereit wäre, 2000 Migranten aufzunehmen. „Ich habe hier in Warschau Kontakt mit der Bundeskanzlerin aufgenommen und auch von ihr die klare Aussage bekommen, dass es sich hierbei um eine Falschmeldung handelt“, sagte Seehofer.

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Wie beide Innenminister berichteten, sei während ihres Gesprächs, das in „überaus guter Atmosphäre“ verlief, phasenweise Bundeskanzlerin Angela Merkel zugeschaltet gewesen. Man sei sich einig, dass Deutschland hinter Polen stehe, und habe dem Nachbarland die volle Solidarität Deutschlands versichert, sagte Seehofer.

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Seehofer: Was Polen macht, ist richtig

„Was Polen macht, ist richtig und legitimiert“, betonte der Bundesinnenminister mit Blick auf die angedrohte völlige Schließung der Grenze zu Belarus.

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Kaminski betonte, Polen werde es nicht zulassen, dass an seiner Ostgrenze eine illegale Migrationsroute in die EU aufgebaut werde. „Stück für Stück werden wir die Lage deeskalieren, und es gibt schon erste Erfolge“, sagte Kaminski, ohne Näheres zu nennen. Das übernahm dann Seehofer, indem er ankündigte, am Donnerstagnachmittag sei die erste Maschine mit rund 400 Flüchtlingen an Bord von der belarussischen Hauptstadt Minsk zurück nach Bagdad im Irak gestartet. Am Freitag werde die nächste Maschine folgen.

Ob das mit Merkels Kontaktaufnahme zum belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko zusammenhing, sagte Seehofer nicht. Die Kanzlerin hatte in dieser Woche bereits zweimal mit Lukaschenko telefoniert, worüber man gerade in Warschau nicht besonders glücklich war.

Die polnische Regierung reagierte auf Merkels Initiative verschnupft bis zurückhaltend. Es werde sich zeigen, ob das im Sinne der Solidarität innerhalb der EU sei, hieß es im polnischen Außenministerium. Solches Vorgehen berge immer auch Risiken. „Bislang feiert die Lukaschenko-Propaganda das als Niederknien Europas vor Minsk“, sagte der polnische Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sek gegenüber dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND).

Merkel telefoniert auch mit Morawiecki

Offenbar um die polnische Seite zu beruhigen, telefonierte Merkel dann auch mit Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Dabei habe sie die „volle deutsche Solidarität mit Polen“ unterstrichen, hieß es.

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Ohne auf das Telefonat zwischen Merkel und Lukaschenko einzugehen, betonte Seehofer in Warschau, es gebe keinerlei Deals hinter dem Rücken des jeweils anderen. Er nannte Kaminski mehrfach vor der Presse seinen Freund und betonte, die deutsch-polnische Grenze werde nicht dicht gemacht, da sei man sich einig. „Solange ich Innenminister bin, wird das nicht geschehen“, sagte Seehofer.

Hunderte kampieren im Freien

Die Lage der Flüchtlinge an der belarussisch-polnischen Grenze schien sich am Donnerstag etwas zu bessern, weil Belarus begonnen hatte, einem Teil der Menschen feste Unterkünfte anzubieten. Nach wie vor kampieren jedoch an der Grenze Hunderte bei eisigen Temperaturen im Freien. Bisher gibt es offiziell zehn Todesopfer unter den Migranten.

Der polnische Oppositionspolitiker Franek Sterczewski von der Bürgerfraktion berichtete gegenüber dem RND von 150 schwer kranken oder verletzten Personen, die in Krankenhäusern im Grenzgebiet behandelt werden. Darunter seien Menschen, die mehrfach Opfer von Pushbacks polnischer Grenzer geworden sein sollen. „Wir brauchen einen humanitären Korridor“, forderte Sterczewski.

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Unterdessen hat die Ukraine 8500 Polizisten, Nationalgardisten und Grenzschützer an die ukrainisch-belarussische Grenze entsandt, offenbar aus Sorge, Lukaschenko könnte beginnen, die Flüchtlinge umzulenken. Die Grenze zwischen der Ukraine und Belarus ist über 1000 Kilometer lang und führt durch dichte Waldgebiete.

Unterdessen gibt es in Brüssel Reibereien unter EU-Diplomaten, welche Fluggesellschaften sanktioniert werden sollen. Eine Gruppe von Staaten, darunter Deutschland und Italien, will zunächst abwarten, ob sich die belarussische staatliche Airline Belavia dauerhaft an ihre Zusage hält, keine Migranten mehr einzufliegen.Das Argument: Wenn schon die Androhung einer Sanktion Wirkung zeige, dann müsse die Sanktion vorerst nicht verhängt werden, hieß es in Brüssel. Außerdem könnte Belavia mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof Erfolg haben.Dennoch sind Sanktionen, wie sie die EU-Außenminister am Montag im Grundsatz beschlossen haben, auch gegen Belavia nicht vom Tisch. Die Arbeiten an den Rechtsverordnungen sollen abgeschlossen werden. Sollte Belavia wieder Migranten nach Belarus einfliegen, könne die Fluggesellschaft sofort auf die Sanktionsliste gesetzt werden.Eine andere Gruppe von Staaten um Polen und Litauen kritisiert diesen Kurs. Sie sehen darin eine Appeasement-Politik gegenüber dem Lukaschenko-Regime. In den vergangenen Tagen hatte es nach mehr als einjähriger Funkstille wieder Telefonkontakte zwischen Brüssel, Berlin und Minsk gegeben.

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