Scholz beim Europarat: Zahlt Russland für den Wiederaufbau der Ukraine?
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geht auf dem militärischen Teil des Flughafens BER Berlin-Brandenburg zum Flugzeug der Luftwaffe für den Flug nach Straßburg.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Am Anfang steht eine feierliche Erklärung. Bei ihrem ersten Treffen 1993 in Wien halten die Staats- und Regierungschefs – Helmut Kohl, François Mitterrand, Felipe Gonzalez, Vaclav Havel und viele mehr – im Europarat fest: „Europa kann zu einem großen Gebiet demokratischer Sicherheit werden. Dieses Europa ist eine Quelle sehr großer Hoffnung, die auf keinen Fall durch Gebietsansprüche, das Wiederaufflammen aggressiver nationalistischer Bestrebungen, die Verfestigung von Einflusssphären, Intoleranz oder totalitäre Ideologien zerstört werden darf.“ Heute erlebt Europa genau das: Gebietsansprüche und aggressive nationalistische Bestrebungen. Von Russland gegen die Ukraine.
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20 Jahre nach dem ersten Treffen tagt an diesem Dienstag und Mittwoch in Reykjavik der Europarat wieder auf Chefebene – nach 1997 in Straßburg und 2005 in Warschau ist das erst das vierte Mal. Hauptthema: Ein Schadensregister für die Ukraine, in dem die materielle und ideelle und auch menschrechtliche Zerstörung des Landes durch Russland aufgeführt und beziffert werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reist dorthin, bevor er zum G7-Gipfel nach Japan fliegt.
Für den Wiederaufbau der Ukraine wird eine Summe von 400 Milliarden US-Dollar bis zu einer Billion gerechnet – je nachdem, wie lange der brutale Angriffskrieg dauern wird. Das Schadensregister baut auf einer Resolution der UN-Generalversammlung auf. Gründungsgeberländer sollen sich zusammenfinden. Auch die eigene Bank, eine Entwicklungsbank, des Europarates könne eine Rolle spielen, möglichst viele Privatinvestoren würden gesucht – dafür solle ein rechtssicheres Umfeld geschaffen werden, in dem Unternehmen agieren könnten, teilten Diplomaten in Berlin mit.
Eine Hauptfrage ist: Wie kann Russland dafür herangezogen werden? Könnten die wegen des Krieges eingefrorenen Gelder der russischen Zentralbank und der Oligarchen dafür verwendet werden oder – nur – Gewinne aus Investitionen mit diesen Geldern? Die Antwort ist nicht so einfach. „Da sind wir auf EU-Ebene noch dabei, Wege zu suchen, wie man das rechtssicher machen kann, also kompatibel mit dem jeweiligen Verfassungsrecht, aber natürlich auch mit EU-Recht und internationalem Recht“, verlautete aus Berliner Regierungskreisen. Es gebe eine gewisse Differenzierung zwischen dem Grundbestand, der Russland gehört (Zentralbankgeld, Oligarchenvermögen) und dem, was man damit machen könne (Gewinne aus Investitionen und Bewirtschaftung mit diesem Geld).
Und warum kümmert sich der Europarat um das Schadensregister? Der Europarat habe durch die Expertise des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine gute Position, um ein solches Schadensregister aufzubauen, hieß es. Der Europarat mit Sitz in Straßburg ist gemeinsam mit seinem Gerichtshof für die Wahrung der Menschenrechte in den 46 Mitgliedstaaten zuständig. Er ist kein Organ der Europäischen Union. Ein Europarat auf Chefebene sei aber etwas ganz Besonderes, sagte eine Diplomatin. Dass es so lange kein Treffen mehr gegeben habe, liege an den jeweiligen Vorsitzenden. Sie entschieden darüber. Island habe befunden, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sei ein klarer Fall für einen solchen Gipfel, Scholz habe sehr früh zugesagt.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am Montag in Brüssel, die Einrichtung eines Registers für Kriegsschäden in der Ukraine werde „ein erster Schritt in Richtung einer russischen Entschädigung für die Ukraine sein“. Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Es ist immens wichtig, dass wir uns bereits heute mit dem Wiederaufbau der Ukraine beschäftigen.“ Das Signal an die Ukraine sei: „Wir glauben an die Zukunft in Frieden“. Das an Russland: „Wir werden ein solch imperialistisches Vorgehen nie und nimmer hinnehmen.“
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Jedes europäisches Land sei nach seiner Wirtschaftskraft gefragt, sich am Wiederaufbau zu beteiligen. Aber: „Zahlen muss selbstverständlich Russland, das diese Zerstörung verantwortet. Die eingefrorenen Gelder sollten genau dafür genutzt werden.“