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Investition gegen Staatsbürgerschaft

Schluss mit „goldenen Pässen“ für russische Oligarchen

Flaggen der Europäischen Union vor dem Gebäude der Europäischen Kommission in Brüssel (Symbolfoto). Jahrelang scheffelten viele EU-Staaten Milliarden mit dem Verkauf von Aufenthaltstiteln und Staatsbürgerschaften.

Flaggen der Europäischen Union vor dem Gebäude der Europäischen Kommission in Brüssel (Symbolfoto). Jahrelang scheffelten viele EU-Staaten Milliarden mit dem Verkauf von Aufenthaltstiteln und Staatsbürgerschaften.

Athen. Es war ein lukratives Geschäft: Nach Recherchen des Europäischen Parlaments haben EU-Staaten zwischen 2011 und 2019 mit dem Verkauf von Staatsbürgerschaften und Aufenthaltsgenehmigungen an wohlhabende Ausländer und Ausländerinnen 21,4 Milliarden Euro eingenommen.

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Etwa 4000 Russen haben im zurückliegenden Jahrzehnt einen EU-Pass erworben. Allein die Inselrepublik Zypern bürgerte in den Jahren 2017 bis 2019 mehr als 1000 Russen ein. Sie erwarben mit dem zyprischen Pass nicht nur die Reise‑ und Niederlassungsfreiheit in allen 27 EU-Staaten, sondern auch eine Art Immunität gegen Sanktionen des Westens.

Im Europäischen Parlament gab es seit Jahren Kritik an den „Golden Passport“- und „Golden Visa“-Programmen. Denn sie begünstigen Geldwäsche und Korruption. Zwölf Länder vergaben bisher langjährige Aufenthaltsgenehmigungen an Bürger und Bürgerinnen von Drittstaaten, die etwa in eine Immobilie oder Staatsanleihen investieren.

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In Lettland gab es das Visum schon für 60.000 Euro, in den Niederlanden musste man mindestens 1,25 Millionen Euro mitbringen. Drei Länder – Zypern, Bulgarien und Malta – verkauften sogar Staatsbürgerschaften. In Bulgarien kostete der EU-Pass umgerechnet 511.000 Euro, in Malta rund eine Million, in Zypern musste man mindestens zwei Millionen investieren.

Lange schien die EU-Kommission machtlos. Denn die Vergabe von Staatsbürgerschaften und Aufenthaltstiteln fällt in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedsländer. Die Praxis betrifft aber alle EU-Länder, weil die Eingebürgerten sich überall aufhalten und niederlassen dürfen. Die frühere tschechische EU-Justizkommissarin Vera Jourova brachte es so auf den Punkt: „Wenn ein EU-Mitgliedsland seine Staatsbürgerschaft verkauft, verkauft es die EU-Staatsbürgerschaft. Also verkauft es etwas, das ihm gar nicht gehört.“

Der Fall des russischen Oligarchen Igor Kesaev

Wozu ein EU-Pass gut sein kann, zeigt der Fall des russischen Oligarchen Igor Kesaev. Er konnte dank seines auf Zypern erworbenen Status als EU-Bürger im Jahr 2020 eine Insel im Osten Finnlands erwerben. Kasaev kontrolliert große Teile des russischen Tabakmarktes und wird von Wikileaks auch mit Geheimdienstkontakten in Verbindung gebracht.

Mit dem zyprischen Pass umging Kesaev das für Bürger und Bürgerinnen von Drittstaaten vorgesehene Genehmigungsverfahren des finnischen Verteidigungsministeriums. Nach dem Kauf ließ er auf der Insel umfangreiche Unterkünfte und einen Hubschrauberlandeplatz errichten. Die finnischen Behörden haben eine Untersuchung eingeleitet.

Der russische Überfall auf die Ukraine wirkte auch für die Pass- und Visaprogramme wie ein Weckruf. Inzwischen haben alle Länder die Vergabe an russische Staatsbürger gestoppt. Griechenland, das bis Ende Januar 1675 Visa an russische Investoren und ihre Angehörigen vergeben hat, stellt seit Ende Februar keine Aufenthaltstitel mehr an Russen aus.

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Zypern beendete sein „Golden Passport“-Programm bereits im vergangenen Jahr und zog Dutzende Pässe wieder ein, nachdem eine Untersuchung Korruption und kriminelle Machenschaften bei der Vergabe aufgedeckt hatte. Die seit Dezember 2021 amtierende neue Regierung in Bulgarien stellte das Programm ein, nachdem dort ebenfalls in fast jedem zweiten Fall Unregelmäßigkeiten ans Licht kamen.

Anfang März forderte das Europäische Parlament in einer mit großer Mehrheit verabschiedeten Resolution, den Verkauf von EU-Staatsbürgerschaften zu verbieten und die Vergabe von Aufenthaltstiteln strenger zu regulieren. Die EU-Kommission soll jetzt entsprechende Regelungen vorbereiten. Bis sich die Mitgliedsstaaten einigen, könnten allerdings Jahre vergehen.

Ungemach droht unterdessen von jenseits des Atlantik. Im US-Kongress gibt es jetzt eine parteiübergreifende Gesetzesinitiative, jene Länder, die Staatsbürgerschaften verkaufen, vom sogenannten Visa-Waiver-Programm auszuschließen. Es erlaubt visafreie Besuche in den USA von bis zu 90 Tagen.

Betroffen wäre vor allem Malta, das zwar die Passvergabe an Russen Anfang März „bis auf Weiteres“ aussetzte, grundsätzlich aber an dem „Golden Passport“-Programm festhält. Tritt das vorgeschlagene Gesetz in Kraft, könnten Staatsbürger Maltas nicht mehr ohne Visum in die USA reisen.

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