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Bereits Tausende Tote

„Russlands Blitzkrieg gescheitert“: Bilanz nach zwei Monaten Krieg in der Ukraine

Wladimir Putin, Präsident von Russland

Wladimir Putin, Präsident von Russland

Kiew/Moskau. Tausende Tote, Millionen Geflüchtete, zerstörte Häuser und zerschossene Panzer: Die Bilanz nach zwei Monaten russischer Angriffskrieg in der Ukraine ist verheerend. Und Frieden ist weiter nicht in Sicht. Die Kämpfe im Donbass oder auch in der zerstörten Hafenstadt Mariupol dauern unvermindert an. Dabei hatten viele Analysten und wohl auch die Kriegsstrategen in Moskau mit nur wenigen Tagen gerechnet, nach denen die Führung um den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kapitulieren würde. Es kam anders.

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„Der russische Blitzkrieg ist gescheitert“, fasst der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, die Situation aus Kiewer Sicht zusammen. „Unsere Armee und das Volk haben die Pläne des Kremls zum Scheitern gebracht.“ Am frühen Morgen des 24. Februar hatte Russlands Präsident Wladimir Putin in einer Fernsehansprache den Beginn einer „Sonder-Militäroperation“ bekanntgegeben. „Ziel ist der Schutz der Menschen, die seit acht Jahren Misshandlung und Genozid ausgesetzt sind“, fügte er hinzu, während russische Einheiten von drei Seiten aus die Grenze zum Nachbarland überschritten.

+++ Alle aktuellen Entwicklungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine in unserem Liveblog +++

Mariupol wichtigste Trophäe - mehr als 20.000 Bewohner getötet

Zwei Monate später ist Putin von vielen Zielen weit entfernt - obwohl er rücksichtslos auf Wohnblocks und Industrieanlagen feuern lässt. Militärisch war die Invasion aus Moskauer Sicht wohl nur im Süden erfolgreich. Dort ist es gelungen, einen Großteil der Küstengebiete einzunehmen. Die 2014 annektierte Halbinsel Krim hat nun einen Landzugang zu Russland. Die wichtigste Trophäe ist die Stadt Mariupol, die Moskau eigenen Angaben nach weitgehend kontrolliert – trotz des andauernden Widerstands im Stahlwerk Azovstal durch die dort verbliebenen ukrainischen Kämpfer.

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Tod und Zerstörung: Entstehung von Massengräbern in der Nähe von Mariupol

Die Bilder aus der Stadt und anderen Gegenden der Ukraine setzen die Bundesregierung weiter unter Druck, mehr Waffen zu liefern.

Vor dem Krieg lebten in Mariupol mehr als 400.000 Menschen, von denen aber nach der Zerstörung wohl nur noch ein Drittel übrig geblieben ist. Kiew schätzt, dass mehr als 20.000 Bewohner getötet wurden.

Im Norden ein Desaster

Im Osten, wo auf beiden Seiten die größten Truppenteile versammelt waren, verläuft der Vormarsch hingegen schleppend. Nach zwei Monaten hat Russland etwa 80 Prozent des Gebiets Luhansk und die Hälfte des Gebiets Donezk eingenommen. Zuvor nahmen die Separatistenrepubliken etwa ein Drittel der Fläche beider Gebiete ein. Hinzu kommen größere Geländegewinne im Gebiet Charkiw, wodurch die Gefahr einer Einkesselung ukrainischer Truppen in der Region weiter besteht.

Im Norden hingegen endete der russische Vormarsch dem Vernehmen nach in einem Desaster. Nach wochenlangen schweren Kämpfen mit wohl hohen Verlusten mussten sich die russischen Truppen - für Beobachter überraschend - aus der Nordukraine und der Region um Kiew zurückziehen. Eine Eroberung der Hauptstadt ist nicht in Sicht.

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Ukrainische Wirtschaft eingebrochen

Aber die Zerstörungen sind nicht nur durch direkte Kampfhandlungen, sondern auch durch russische Raketenangriffe tief im ukrainischen Hinterland immens. Die ukrainische Wirtschaft ist um mehr als 30 Prozent eingebrochen. Die Führung in Kiew beziffert die direkten Schäden auf mehr als 100 Milliarden Euro. Starke Zerstörungen werden aus den wochenlang belagerten Großstädten Tschernihiw, Sumy und Charkiw gemeldet. Die Infrastruktur ist kaputt. Wann und mit welchen Mitteln das je wieder aufgebaut werden kann, ist völlig unklar.

Dazu kommen die vielen Toten und Verletzten. Das Ausmaß ist dabei schwer zu bewerten. Die UN haben bisher rund 2500 getötete und etwa 3000 verletzte Zivilisten erfasst. Aufgrund des fehlenden Zugangs zu weiten Gebieten geht die Organisation aber von höheren zivilen Opferzahlen aus. Bilder von mehr als 400 getöteten Zivilisten in der Kiewer Vorstadt Butscha hatten weltweit Entsetzen ausgelöst. Immer wieder wird auch über mögliche Massengräber berichtet.

Auch die militärischen Verluste sind schwer abzuschätzen. Die russische Militärführung behauptet, dass bereits mehr als 23.000 ukrainische Soldaten getötet wurden. Präsident Selenskyj spricht von etwa 3000 getöteten Ukrainern. Auf der anderen Seite gesteht Moskau etwas mehr als 1000 eigene Gefallene ein, während Kiew die russischen Verluste auf mehr als 21.000 Soldaten beziffert. Wie bei den meisten anderen Angaben zum Kriegsgeschehen ist eine unabhängige Prüfung kaum möglich.

UN-Generalsekretär Guterres will vermitteln - doch Hoffnungen gibt es kaum welche

Für Russland hat der Angriffskrieg ebenfalls massive wirtschaftliche Folgen. Die Sanktionen werden die Inflation voraussichtlich auf mehr als 20 Prozent steigern und einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um etwa 10 Prozent bewirken. Die Hälfte der Währungsreserven ist eingefroren. Hinzu kommen potenziell Versorgungsprobleme durch den Rückzug westlicher Unternehmen.

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Die Absage einer Feuerpause zeige laut Selenskyj, was der christliche Glaube und einer der fröhlichsten und wichtigsten Feiertage den Führern Russlands bedeute.

Eine diplomatische Einigung ist trotzdem nicht in Sicht. Die Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew stocken. Zwar will UN-Generalsekretär Antonio Guterres nächste Woche vermitteln - doch größere Einflussmöglichkeiten werden ihm nicht zugeschrieben. Andere Vermittler vor ihm sind gescheitert. Und so scheint es, dass auch nach zwei Kriegsmonaten beide Seiten weiter auf eine militärische Lösung des Konflikts setzen - trotz der verheerenden Verluste.

RND/dpa

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