Eine Hand wäscht die andere

Nordkorea bietet Russland Hilfe beim Wiederaufbau im Donbass an - was dahinter steckt

Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un und Russlands Präsident Wladimir Putin geben einander die Hand bei ihrem ersten gemeinsamen Gipfel in der Far Eastern State University im Jahr 2019. (Archivbild)

Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un und Russlands Präsident Wladimir Putin geben einander die Hand bei ihrem ersten gemeinsamen Gipfel in der Far Eastern State University im Jahr 2019. (Archivbild)

Seoul. Nach mehr als einem halben Jahr Krieg sind die Zerstörungen in Teilen der Ukraine massiv, auch und wohl besonders in den russisch besetzten Gebieten im Osten. Aber für die Invasoren zeichnet sich anscheinend Hilfe ab: Nordkorea hat sein Interesse angedeutet, Arbeiter zu entsenden, um die Russen beim Wiederaufbau in diesen Territorien zu unterstützen.

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+++ Alle Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine im Liveblog +++

Russische Offizielle und Diplomaten haben die Idee offen begrüßt, in Erwartung einer billigen und hart arbeitenden Belegschaft, die sich da einsetzen lässt, wo es die „anstrengendsten Bedingungen“ gibt, wie es Russlands Botschafter in Pjöngjang kürzlich in einem Interview formulierte.

Nordkoreas Topdiplomat in Moskau kam unlängst mit Gesandten aus den russisch gestützten Separatisten-Gebieten in der Donbass-Region zusammen und äußerte Optimismus, dass es zu einer Kooperation bei der „Arbeiter-Migration“ kommen könnte. Zuvor - im Juli - hatte Nordkorea als bislang einziger Staat neben Russland und Syrien die Unabhängigkeit der Territorien, Donezk und Luhansk, anerkannt und sich damit weiter der Linie der Russen im Ukraine-Konflikt angepasst.

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Kommen Arbeiter noch während des Krieges?

Die Beschäftigung von nordkoreanischen Arbeitern im Donbass würde klar UN-Sanktionen zuwiderlaufen, die im Zusammenhang mit Pjöngjangs Atom- und Raketenprogramm verhängt worden waren. Viele Experten bezweifeln zwar, dass Nordkorea Arbeiter schicken wird, während der Krieg noch andauert und der Westen die Ukraine stetig mit Waffen versorgt, um sie im Kampf gegen die Angreifer zu unterstützen. Aber sie halten es nach eigenen Angaben für höchst wahrscheinlich, dass Nordkorea den Schritt geht, wenn die Kämpfe nachlassen.

Denn er würde der eigenen Wirtschaft helfen, die nach Jahrzehnten der Misswirtschaft, Jahren von Sanktionen und durch coronabedingte Grenzschließungen zerrüttet ist. Auch würde der Arbeiter-Export in die nordkoreanische Langzeit-Strategie passen, die Zusammenarbeit mit Russland und China, einem weiteren ideologischen Verbündeten, zu verstärken - mit dem gemeinsamen Ziel, den US-Einfluss in Asien zu verringern.

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Nordkoreanische Arbeiter wertvoll für Moskau

Der russische Vize-Ministerpräsident Marat Chusnullin hat bestätigt, dass nordkoreanische Baufirmen bereits angeboten hätten, beim Wiederaufbau im Donbass zu helfen, und dass sie willkommen wären. Das ist eine klare Abkehr von der Moskauer Position im Dezember 2017, als der Kreml neue UN-Sanktionen gegen Nordkorea wegen dessen Test einer ballistischen Langstreckenrakete unterstützt hatte. Im Rahmen der Strafmaßnahmen verpflichteten sich UN-Mitgliedsländer dazu, innerhalb von 24 Monaten alle nordkoreanischen Arbeiter auf ihrem Boden auszuweisen.

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Konfrontiert mit einer US-geführten Kampagne, Russlands Wirtschaft zu isolieren und damit seine Kriegsmaschine in der Ukraine zu schwächen, sei Moskau nun anscheinend daran gelegen, die Sanktionen zu untergraben, sagt Lim Soo Ho vom Institut für Nationale Sicherheit, einer vom südkoreanischen Geheimdienst betriebenen Denkfabrik. „Für Russland hat die Idee, nordkoreanische Arbeiter zum Nachkriegswiederaufbau zu beschäftigen, wirklich Wert“, sagt der Analyst. Viele nordkoreanische Bauarbeiter seien in früheren Jahren in Russland tätig und begehrt gewesen - „weil sie billig und bekannt für Qualitätsarbeit waren“.

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Für Nordkorea wiederum war der Export von Arbeitskräften vor den Sanktionen eine rare legitime Devisenquelle, brachte der Regierung jährlich Millionen Dollar ein. Nach früheren Schätzungen des US-Außenministeriums haben etwa 100.000 Nordkoreaner arrangiert von Pjöngjang im Ausland gearbeitet, hauptsächlich in Russland und China, aber auch in Afrika, Nahost, Europa und Südasien.

Experten zufolge bescherten sie ihrer Regierung 200 Millionen bis 500 Millionen Dollar im Jahr, während sie selbst nur einen Bruchteil ihres Lohnes einstrichen - und oft mehr als zwölf Stunden am Tag schufteten, unter ständiger Aufsicht nordkoreanischer Sicherheitsbeamter.

Tausende könnten in den Donbass geschickt werden

Russland hat einige nordkoreanische Arbeiter vor Ablauf der UN-Frist Ende Dezember 2019 nach Haus geschickt, aber eine gewisse Zahl verblieb, arbeitet weiter oder saß fest, nachdem Nordkorea seine Grenzen wegen Covid-19 abgeriegelt hatte. Inzwischen ist das gelockert worden.

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Nordkorea könnte leicht möglicherweise mehrere Hundert oder sogar Tausende Arbeiter in den Donbass schicken, wenn es sich dafür entscheiden würde, die in Russland verbliebenen Kräfte zu nutzen, erklärt Nordkorea-Experte Kang Dong Wan von der südkoreanischen Dong-A-Universität.

Wie lukrativ Arbeitseinsätze in der Region wären, ist indes noch unklar. Russland ist knapp an Bargeld, angeschlagen durch westliche Sanktionen gegen seine Finanzeinrichtungen und eine Bandbreite seiner Industrien. Pjöngjang wäre wahrscheinlich wegen Sorgen um die Kaufkraft wenig daran interessiert, in Rubel bezahlt zu werden. Aber es könnte eine Kompensation in Form von Lebensmitteln, Kraftstoff und Maschinen akzeptieren - was Lim zufolge wahrscheinlich ebenfalls einen Verstoß gegen UN-Sanktionen darstellen würde.

Aber vielleicht gehe es Nordkorea auch gar nicht in erster Linie um Kurzzeit-Gewinne, gibt Hong Min, ein Analyst am südkoreanischen Institut für Nationale Vereinigung, zu bedenken. „Der strategische Wettbewerb der USA mit China und die Konfrontation mit Russland hat Nordkorea Raum zum Atmen in seinen Bemühungen gegeben, sich Moskau und Peking in einer vereinigten Front anzuschließen, um dem US-Einfluss zu begegnen und ein multipolares internationales System zu fördern.“

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Gemeinsam gegen die USA

Nordkorea hat den Ukraine-Krieg bereits indirekt dazu genutzt, seine Waffenentwicklung voranzutreiben. Es schlug sozusagen Kapital aus Spaltungen im UN-Sicherheitsrat, wo Russland und China im Mai eine US-gestützte Resolution zur Verschärfung von Sanktionen gegen Nordkorea wegen dessen Wiederaufnahme von Langstreckenraketen-Tests blockierten.

Nordkorea und Russland sind sich auch in politischen Schlüsselfragen einig. So hat Pjöngjang die USA wiederholt für die Ukraine-Krise verantwortlich gemacht, erklärt, dass die westliche „Hegemonie-Politik“ militärische Aktionen Russlands in der Ukraine zum Selbstschutz rechtfertige. Russlands seinerseits hat mehr als einmal die Wiederbelebung gemeinsamer großangelegter militärischer Übungen der USA und Südkoreas in diesem Jahr als Provokation für Nordkorea verurteilt. Eine Hand wäscht die andere.

RND/AP

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