Kommentar zu den Reden Putins und Bidens

Russland und der Westen stehen vor einer weiteren Eskalation des Kriegs

Russlands Präsident Wladimir Putin wiederholte in seiner Rede die üblichen Stereotype.

Russlands Präsident Wladimir Putin wiederholte in seiner Rede die üblichen Stereotype.

In dieser Woche, in der sich der Überfall Russlands auf die Ukraine jährt, gibt es von allen Seiten ein einheitliches Signal: Der Krieg wird noch lange dauern, und er wird weiter die Welt in Atem halten. Wer noch einen Zweifel hegte, dass dieser Krieg eine systemische Auseinandersetzung zwischen Autokratien nach dem Vorbild Russlands und Chinas sowie Demokratien nach dem Vorbild der USA und der EU ist, muss sich in diesen Tagen leider eines Besseren belehren lassen. Das ist die bittere Botschaft dieser Woche. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine wird ein Jahr alt, und ein Ende ist nicht in Sicht.

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Die Rede des russischen Machthabers Putin an seine Nation war der übliche Rundumschlag an Desinformation für die eigene Bevölkerung sowie Aggression und Verachtung gegenüber dem Westen. Vor dem Parlament und dem Föderationsrat beschrieb Putin zum wiederholten Mal sein geschlossenes Weltbild, wonach Russland die Ukraine geraubt worden sei und der Westen den Krieg angefangen habe und dass in der Ukraine ein Nazi-Regime herrsche. Die üblichen Ausfälle gegenüber einem offenen Umgang mit Transgender­personen und einer aus Putins Sicht verkommenen Gesellschaft in den westlichen Demokratien fehlten auch nicht.

Das Sammelsurium an Behauptungen und Vorwürfen ist so absurd, dass diese Rede an die Nation einmal mehr die fehlende Grundlage für eine Verständigung mit Russland offenlegte. Die Rede zeigte auch erneut, dass weder Waffenstillstand noch Frieden zu erreichen sind, solange Putin in Russland quasi allein die Macht in Händen hält.

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Putin stimmt die Russen auf einen langen Krieg ein

Die für Putin wichtigere Botschaft ging an das eigene Volk. Mit der Ankündigung eines Fonds für den Wiederaufbau in den völkerrechtswidrig einverleibten Oblasten Luhansk und Donezk, einer Wohnungsbau­offensive in Städten mit Rüstungs­industrien und Hilfen für die Hinterbliebenen gefallener Soldaten versucht Putin, den wachsenden Widerstand in der russischen Bevölkerung gegen den Krieg einzudämmen. Zugleich sind solche Maßnahmen das eindeutige Signal, dass der Kreml­herrscher Russland auf eine noch lange Kriegsdauer vorbereitet. Gleiches gilt für seine Ankündigung, das letzte Programm zur Abrüstung von Atomwaffen zwischen Washington und Moskau, New Start, auszusetzen. Auch der damit verbundene Neustart eines weltweiten Wettrüstens belegt auf beunruhigende Weise, dass sich Putin auf eine lange Phase der Feindschaft mit dem Westen einstellt.

Der amerikanische Präsident Biden antwortete mit einer kämpferischen, emotionalen, offensiven und groß inszenierten Rede aus Warschau vor dem Königsschloss. Biden machte den Sieg der Ukraine zu einer Grundsatzfrage für die westlichen Demokratien. Russland habe nicht nur die Ukraine angegriffen, sondern die demokratische Welt, schmetterte er vor einem Meer aus polnischen, amerikanischen und ukrainischen Fähnchen.

ARCHIV - 09.12.2019, Frankreich, Paris: Wolodymyr Selenskyj (l-r), Präsident der Ukraine, Angela Merkel (CDU), ehemalige Bundeskanzlerin, Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, und Wladimir Putin, Präsident von Russland, nehmen an einer gemeinsamen Pressekonferenz im Elysee-Palast teil. Das Treffen im Dezember 2019 war das letzte Mal, dass sich die Staats- und Regierungschefs der vier Nationen persönlich trafen, um zu versuchen, das 2015 ins Stocken geratene Friedensabkommen für die Ostukraine wiederzubeleben. Am 24. Februar 2023 jährt sich der Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. (zu dpa "Wie wird der Ukraine-Krieg enden?") Foto: Charles Platiau/Reuters Pool/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Kriegsparteien können nicht „an den Verhandlungstisch gezwungen werden“

Der Philosophieprofessor Thomas Kater fordert ein Jahr nach dem russischen Angriff auf die Ukraine eine Friedens­perspektive. „Wir müssen über diesen konkreten Krieg hinausdenken“, sagt er. Zugleich kritisiert er ein moralisches Schwarz-Weiß-Denken.

Biden: Stehen auch für die Freiheit der Republik Moldau

So war es kein Zufall, dass Biden in seiner Rede auch die Stärke der Nato beschwor. Richtung Moskau ging seine Botschaft, dass, wer einen Nato-Staat angreift, damit alle Verbündeten der Allianz angreife. Als Warnung darf Putin auch auffassen, dass Biden erklärte, „wir“ seien stolz, und dass „wir“ auch für die Freiheit der Republik Moldaus stehe. Moldau ist kein Nato-Staat. In diesem Fall bezeichnet das „wir“ die Allianz aus USA, Nato und EU sowie allen UN-Staaten, die sich gegen den russischen Angriffskrieg ausgesprochen haben.

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So ist dieser Tag zu Ende gegangen, ohne dass man einen Funken Hoffnung auf Waffen­stillstand oder Frieden mitnehmen könnte. Im Gegenteil: Am Vorabend des Jahrestags des russischen Überfalls auf die Ukraine stehen Russland und der Westen vor einer weiteren Eskalation des Kriegs.

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