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Russland-Ukraine-Konflikt

Welche Rolle übernimmt Merkel?

Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bei einem Treffen im Kreml im August letzten Jahres.

Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bei einem Treffen im Kreml im August letzten Jahres.

Berlin. Es war eine Bemerkung des CSU-Vorsitzenden Markus Söder: In der verfahrenen Ukraine-Russland-Krise wäre es gut, „wenn Olaf Scholz Angela Merkel mal zurate zieht“, sagte er in einem ZDF-Interview in dieser Woche. Kritik am außenpolitischen Kurs der Ampel­koalition war vorausgegangen – zu leise, zu unklar, zu wenig innovativ sei der Bundeskanzler. Für einen Oppositions­politiker ist es nicht ganz verwunderlich, der Regierung ein schlechtes Zeugnis auszustellen.

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Der Verweis auf Scholz’ Amtsvorgängerin als Vorbild passt dazu, selbst wenn Söder seine Merkel-Begeisterung selbst noch nicht allzu lange entdeckt hat.

Expertin an Bord?

Aber einen sachlichen Hintergrund gibt es ja durchaus: Nach 16 Amtsjahren kennt Merkel den russischen Präsidenten Wladimir Putin wohl so gut wie keiner der derzeit amtierenden Regierungschefs im westlichen Bündnis.

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Den Russland-Ukraine-Konflikt hat die CDU-Politikerin von Beginn an begleitet, sie hat 2015 das Minsker Abkommen zur Deeskalation des Konflikts in der Ostukraine mit ausgehandelt. Sie hat das sogenannte Normandie-Format angestoßen, in dem Russland unter Begleitung von Frankreich und Deutschland direkt mit der Ukraine spricht.

Eigentlich kann es nicht schaden, so eine Expertin an Bord zu haben – erst recht nicht, wenn der Konflikt so verfahren ist. Erst recht nicht, wenn eine Ausweitung des Kriegs über die Ostukraine hinaus jederzeit zu drohen scheint.

Merkels Handynummer

Allerdings deutet viel darauf hin, dass die Expertise nicht verloren geht: Scholz und Merkel haben viel über Außenpolitik gesprochen, als sie noch im Amt und der SPD-Mann ihr Vizekanzler war. Und sowohl der Kanzler als auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) haben ihre Handynummer – und umgekehrt.

Dass die Kanzlerin ihren Regierungs­nachfolgern in weltpolitisch wichtigen Fragen Gespräch oder Rat verweigert, ist kaum vorstellbar: Merkel hat hier in der Vergangenheit selten parteitaktisch agiert. Es kann für Verhandlungen von Bedeutung sein, für welche Sätze ein anderer Staatschef besonders empfänglich ist und wo er sensibel reagiert, auf welche Personen im Umfeld zu achten ist, wie der genaue Ablauf vergangener Gespräche war. Merkel hat für Details ein gutes Gedächtnis.

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Rückzug aus der Politik

Eine öffentliche Rolle der Altkanzlerin in dem Konflikt sieht in Berlin allerdings kaum ein Außenpolitiker, offiziell darüber sprechen will kaum einer. Aber genannt werden immer wieder dieselben Gründe: Merkel, Scholz und Putin.

Merkel hat sich aus der aktiven Politik zurückgezogen, seit Scholz im Dezember das Kanzleramt übernommen hat, und deutlich gemacht, dass das so bleiben wird. Sie hat nicht nur ein Gespräch mit ihrem Nachnach­nachfolger im CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, abgelehnt, sondern auch einen Job bei den Vereinten Nationen (UN). Scholz wiederum kann kaum wollen, dass in der zentralen außenpolitischen Krise seine Vorgängerin in den Mittelpunkt rückt – es wäre ein Eingeständnis von Hilflosigkeit. „Das könnte Scholz nicht zulassen“, heißt es bei Außenpolitikern im Bundestag.

Eine Vermittlerrolle Merkels an der Seite von Scholz müssten obendrein die internationalen Partnerländer, unter anderem die USA, einfordern. Ob Putin dem zustimmen würde, gilt als fraglich. Schließlich hat er Merkel als harte Verhandlungs­partnerin kennengelernt. Altkanzler Gerhard Schröder wäre ihm da vermutlich lieber, aber der ist bereits als Lobbyist des russischen Staats­unternehmens Gazprom unterwegs und nun auch für dessen Aufsichtsrat nominiert.

„Die zentrale Rolle spielt der Bundeskanzler, der nun für Gespräche nach Washington, Kiew und Moskau reisen wird“, sagt dann auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD) dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND). Alles Weitere verweist er mit Blick auf Merkel in den Bereich der stillen Diplomatie. „Wenn es weitere Gesprächs­kanäle gibt, sollte man diese nutzen. Dies sollte allerdings in vertraulicher Form geschehen.“

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Auch Söder hat eingeräumt, es könne durchaus sein, dass Scholz und Merkel bereits miteinander gesprochen hätten.

Aber Regierungschef und Vorgängerin können sich nun sicher sein: Sie haben für mögliche Abstimmungen den Segen des CSU-Chefs, auch im Nachhinein. In der Koalition spricht einer von einer typischen „Söderiade“.

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