„Wir empfangen keine Befehle“: Olaf Scholz auf Augenhöhe in Cottbus
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beantwortet in der Cottbuser Stadthalle im Rahmen der Reihe „Kanzlergespräche“ Fragen aus dem Publikum.
© Quelle: Soeren Stache/dpa
Cottbus. Vor der Stadthalle in Cottbus stehen ein paar Dutzend Demonstrierende mit Schirmen im Schneeregen. Es ist die ortsübliche Melange aus AfD-Kommunalgrößen, Rechtsextremen und Putin-Parteigängern, die die Stadt in der brandenburgischen Lausitz mit seinen knapp 100.000 Einwohnern bundesweit als äußerst schwieriges Pflaster bekannt gemacht haben. Sie warten auf Olaf Scholz, der Bundeskanzler hat die Halle zum Bürgergespräch belegt. Ein Protestler zeigt eine Scholz-Marionette, der Puppenspieler trägt einen Uncle-Sam-Hut.
Drinnen ist die Stimmung gesittet: 150 Gäste sitzen in einem dreireihigen Stuhlkreis, Scholz steht wie ein Conferencier mit Funkmikro zwischen ihnen.
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Doch ganz lässt sich das Draußen und das Drinnen nicht trennen: „Deutschland ist doch kein souveränes Land“, leitet ein silberhaariger Herr in fliederfarbenem Pullover seine Frage ein, warum die Bundesrepublik als „Vasall der USA“ handele. Scholz bleibt – natürlich – sehr ruhig. Er bedankt sich höflich für die Frage. Er sagt, – sehr ruhig – das sei eine „falsche, absurde These“. Er erwähnt kurz die internationalen Verträge über die Souveränität Deutschlands und dass sich eine Demokratie freiwillig mit anderen Staaten zusammenschließen könne und das angesichts der Größe von Staaten wie China auch angeraten sei: „Wir brauchen Freunde“. Er leistet sich einen kurzen Exkurs zum zweiten Golfkrieg, dem Bundeskanzler Schröder (den er nicht erwähnt) die Unterstützung verweigert hat: „Wir empfangen keine Befehle.“ Scholz erntet freundlichen Applaus, vermutlich zum nicht geringen Teil für die Leistung, ruhig geblieben zu sein.
Der Kanzler bleibt oft vage
Applaus erhält er auch für seinen Kurzvortrag zu seiner Ukraine-Politik. Eine ältere Teilnehmerin lobt das „Manifest für den Frieden“ von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer und fragt, warum er nicht mit Russland verhandele. „Als einer der wenigen“ führe er lange Telefonate mit Putin, antwortet der Kanzler. „Ich werde das auch weiter fortsetzen“, kündigt er an. Aber der russische Machthaber dürfe mit seinem imperialistischen Überfall keinen Erfolg haben, die Ukraine müsse sich verteidigen können, damit es etwas zu verhandeln gibt. Zugleich dürfe der Krieg nicht weiter in einen Krieg zwischen der Nato und Russland eskalieren.
Nichts daran ist neu, aber Scholz schafft es, diese Sätze ein bisschen so klingen zu lassen, als entwickele er seine Argumente gerade live im ernsthaften Austausch mit den 150 Cottbuserinnen und Cottbusern. Sein unaufgeregtes Dozieren bleibt zwar oftmals an diesem Abend im Vagen, aber wahrt immer die Illusion von Augenhöhe.
Viele Fragen drehen sich – nicht verwunderlich in einer Region demografischen Wandels – um die Themen Rente, Pflege, Gesundheitsversorgung. Auch nicht verwunderlich ist, dass Scholz hier besonders vage bleibt.
Ein Unternehmer fragt, wann die von Scholz ausgerufene „neue Deutschlandgeschwindigkeit“ bei Großprojekten auch bei Landkreisen und Kommunen ankommt. Die Antwort, dafür brauche es „zähe und beharrliche Arbeit“ ist vielleicht der einzige wirklich verunglückte Scholz-Topos an diesem Abend.
Scholz über Trump: „Der glaubt, durch Mackertum wären die Probleme gelöst“
Die wenigen wirklich witzigen Pointen hingegen liefert der Hanseat ebenso monoton wie den Rest seiner Aussagen. Seine Kurzcharakterisierung über Donald Trump: „Der stellt sich mackerig hin und glaubt, durch Mackertum wären die Probleme gelöst“ ist so eine kleine, fast verschenkte Perle.
Interessant auch, was nicht gefragt wurde: Nichts zum Braunkohleausstieg und zum Strukturwandel im Energierevier Lausitz – das Thema scheint selbst vor Ort ausgelutscht zu sein. Fast nichts zu Flüchtlingen, obwohl SPD-Oberbürgermeister Tobias Schick im Vorfeld noch warnte, dass auch Cottbus bei der Aufnahme und vor allem bei den Schulplätzen an seine Grenzen stößt. Und nichts zu den neuen Berichten über die Sprengung der Nordstream-Röhren, die drangen vielleicht einfach noch nicht in die Halle durch.
Olaf Scholz stellt sich Fragen von Bürgern und Bürgerinnen
Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Dienstag bei einem Bürgerdialog in der Stadthalle Cottbus Fragen von ausgesuchten Bürgerinnen und Bürgern beantwortet.
© Quelle: Reuters
Fast alle aus der Runde stehen am Ende für ein Selfie mit dem Kanzler an, auch die Pazifistin und der Herr mit dem fliederfarbenen Pullover, der Kopien eines Buchs über die „BRD-GmbH“ aus der Tasche nestelt. Eine derart friedliche Veranstaltung, sagt er in die Kameras, habe er lange nicht mehr erlebt.