RND-Serie „Pflege in Not“: Was Pflegekräfte brauchen
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Krankenschwestern und Pflegekräfte arbeiteten schon vor der Pandemie am Limit.
© Quelle: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dp
Berlin. Der Pflegesektor steckt in der Krise – besonders Pflegekräfte spüren das tagtäglich. Zu Tausenden verlassen sie ihren Beruf, dabei werden sie dringend benötigt. Der Personalmangel wird sich angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung verschärfen. Im dritten Teil unserer RND-Serie „Pflege in Not“ behandeln wir die Frage: Wie kann Politik das Problem der Personalnot lösen – und für mehr Zufriedenheit unter den Pflegenden sorgen?
Pflegekräfte arbeiten bis zum Rande der Erschöpfung
Es ist vor allem die Überlastung, die an den Kräften der Pflegenden zehrt. Das geht aus mehreren Studien hervor. Sie klagen über eine zu hohe Patientenzahl pro Pflegekraft in einer Schicht. Interessenverbände fordern daher zunächst ein neue Personalbemessung.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der Deutsche Pflegerat und Verdi haben gemeinsam ein Konzept erarbeitet, um zu errechnen, wie viele Pflegekräfte tatsächlich benötigt werden. So soll den Pflegekräften mehr Zeit eingeräumt werden als bei früheren Personalbemessungen. Das Konzept wurde vor der Pandemie – im Februar 2020 – an das Bundesgesundheitsministerium gegeben. Eingesetzt wurde es bisher nicht.
Doch auch wenn der Personalbedarf korrekter berechnet würde, ist die Personalnot nicht gelöst. So muss laut Pflegeverbänden eine Gesundheitsreform her. „Die Arbeitsbelastung in den Krankenhäusern muss verringert werden. Dies erreicht man, indem man weniger Patienten im Krankenhaus aufnimmt“, sagt die Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK), Christel Bienstein, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
„Aktuell werden viele Menschen ins Krankenhaus aufgenommen, weil die Fallpauschalen viel Geld bringen.“ Der ökonomische Druck für die Krankenhäuser sei enorm gestiegen. „Viele Operationen – sei es an der Hüfte oder am Knie – sind manchmal nicht nötig, sie bringen aber Geld ein.“
Auch der Pflegebevollmächtigte der geschäftsführenden Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, dringt auf eine Krankenhausreform. „Die Dichte von Krankenhäusern in Ballungszentren, wo die betriebswirtschaftliche Bilanz im Vordergrund stehen muss, bindet auch zu viel Pflegepersonal“, sagt er dem RND.
Gesundheitswesen nach dänischem Vorbild?
Für ein Gesundheitswesen nach dänischem Vorbild plädiert die Pflegewissenschaftlerin Bienstein. Dort gebe es weniger große Krankenhäuser, dafür aber mehr Gesundheitszentren für die primäre Versorgung. „Der Gesetzgeber muss das deutsche Gesundheitswesen auch dementsprechend umstrukturieren. Dies würde enorm helfen, das vorhandene Pflegepersonal auf die verschiedenen Versorgungsbereiche besser zu verteilen“, betont sie.
Von der Personallage hängen weitere Missstände ab, die Pflegekräfte an den Rand der Erschöpfung bringen: ungeregelte Arbeitszeiten, viele Krankheitsfälle, Spontanschichten in der Freizeit. Und: Einige Auszubildende verlassen den Beruf wieder, weil sie bereits in den ersten Jahren die Personalnot spüren.
Teufelskreis Pflege
All das gleicht einem Teufelskreis: Pflegekräfte arbeiten trotz Überlastung, fallen krankheitsbedingt aus, wechseln in die Teilzeitbeschäftigung oder verlassen den Beruf ganz – und so wird das Personal noch knapper. Pflegende würden täglich unglücklich nach Hause gehen, weil sie das Gefühl haben, „dass sie die Patienten nicht gut versorgt haben“, erzählt Bienstein.
Es ist also nicht überraschend, dass einige über psychische Probleme klagen. Der Pflegebevollmächtigte Westerfellhaus fordert deswegen eine Begleitung für Betroffene. „Sie müssen aufgefangen werden in schwierigen Krisensituationen“, sagt er.
Hinzu kommt das Finanzielle. Viele in der Pflege arbeitende Frauen sind später von Altersarmut bedroht, weil sie häufiger in Teilzeit arbeiten. Laut Bienstein vom DbfK betrifft das mehr als 50 Prozent, sie plädiert daher für mehr Rentenpunkte. Alles in allem wünschen sich Pflegekräfte mehr Geld – es ist auch ein Ausdruck der Wertschätzung. Verbände pochen auf ein Einstiegsgehalt von 4000 brutto im Monat für Fachkräfte.
Doch besonders in der Altenpflege verdienen Mitarbeiter deutlich weniger. So müssen Hilfskräfte mit etwa 2200 Euro Brutto monatlich auskommen. Der Schlüssel wären Tarifverträge, die bisher aber flächendeckend nicht zustande gekommen sind. Besonders in der Altenpflege würde das die Personalnot-Lage entschärfen, weil sich weniger Menschen für die – finanziell attraktivere – Krankenpflege entscheiden würden.