Trotz weitreichender Sanktionen aufgrund des Ukraine-Krieges

Reichtum russischer Eliten schwer greifbar

Groß, schön und teuer: Die Jacht „Amore Vero“ soll einem russischen Oligarchen gehören.

Groß, schön und teuer: Die Jacht „Amore Vero“ soll einem russischen Oligarchen gehören.

Superjachten waren bei russischen Milliardären lange die beliebteste Art, ihren Reichtum zur Schau zu stellen. Nicht jeder konnte sich schließlich einen Spitzenfußballverein kaufen, wie es Roman Abramowitsch mit Chelsea machte. Und bei den schwimmenden Statussymbolen, oft in deutschen Werften gebaut, konnten sich die Superreichen in Größe, Luxus und Protz messen. Ein Boot hat sechs Decks und einen Pool? Nichts, was man nicht mit acht Decks, zwei Hubschrauberlandeplätzen statt einem oder der Ästhetik eines Panzerkreuzers toppen könnte.

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Doch mit den westlichen Sanktionen gegen die russische Elite nach Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine wurden die zum Teil Hunderte Millionen Euro teuren Schiffe ein augenscheinlich leichtes Ziel. Denn sie verbringen viel Zeit in Häfen oder zur Wartung in Werften. Und so wurden unter anderem in Spanien und Italien schnell mehrere Luxusjachten festgesetzt, andere traten die Flucht in Häfen unter anderem in der Türkei an, wo ihre Besitzer sie zunächst vor Sanktionen sicher wähnen. Doch selbst auf Fidschi beschlagnahmten US-Behörden nach einem juristischen Tauziehen die zuvor in Mexiko gesehene 150 Meter lange „Amadea“, die dem Goldmilliardär Suleiman Kerimow zugeordnet wird.

„Zugeordnet“ ist hier allerdings ein Schlüsselwort, denn die Besitzverhältnisse bei russischem Milliardärsvermögen sind so gut wie nie offenkundig. So ist als Eigentümer der über 300 Millionen Euro teuren „Amadea“ die Firma Millemarin Investment Ltd. eingetragen, und es gibt unterschiedliche Angaben dazu, wer sich dahinter verbirgt. So sagen Millemarin-Anwälte, das Schiff gehöre dem russischen Milliardär Eduard Chudainatow, der nicht von Sanktionen betroffen sei.

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Beispiel Tui: Hauptaktionär des deutschen Reiseriesen war lange der russische Stahlmagnat Alexej Mordaschow. Die EU nahm den als kremltreu geltenden Milliardär Ende Februar auf ihre Sanktionsliste. Doch da hatte er sich bereits aus dem Kreis der Tui-Eigentümer zurückgezogen. Ein Anteil von rund 30 Prozent wird jetzt von einer Beteiligungsfirma mit dem Namen Ondero verwaltet, mit einer Marina Mordaschowa als „kontrollierende Gesellschafterin“. Es ist die Ehefrau des Ex-Großeigners. Er selbst bezeichnete die Sanktionen gegen ihn als unverständlich.

Solche Fälle sind bezeichnend für viele Versuche, bei Milliardären aus Russland durchzugreifen. „Russische Eliten und Oligarchen sind vermutlich unter den besten auf der Welt darin, ihren Reichtum zu verbergen“, sagte der „Washington Post“ ein ranghoher Beamter des US-Finanzministeriums, der eine führende Rolle bei der Umsetzung der Sanktionen spielt. Die exponierten Luxusjachten, Villen und Privatjets seien relativ einfach zu greifen. Schwierig sei es aber, durch Firmenverschachtelungen durchzusteigen, hinter denen das eigentliche Vermögen versteckt sei.

In der Europäischen Union wurde nach Zahlen von Ende Mai seit Kriegsbeginn am 24. Februar Vermögen russischer Oligarchen im Wert von knapp 10 Milliarden Euro eingefroren. Die EU-Kommission schlug zudem vor, das Umgehen von Sanktionen EU-weit als Straftat zu definieren. Damit könnten russische Oligarchen leichter enteignet werden, wenn sie EU-Sanktionen unterlaufen.

Angesichts der Zerstörung, die russische Truppen tagtäglich in der Ukraine anrichten, werden auch Rufe lauter, beschlagnahmte Oligarchenvermögen für den Wiederaufbau zu verwenden. Zuletzt hatte sich nach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auch Bundesjustizminister Marco Buschmann offen dafür gezeigt. Voraussetzung sei, dass vor Gericht nachgewiesen werde, dass Verdächtige etwa an Kriegsverbrechen oder der illegalen Kriegsführung beteiligt waren, schränkte der FDP-Politiker ein. Ob es jemals dazu kommt, ist trotz aller Vorstöße fraglich.

Woher stammt das Vermögen der russischen Oligarchen?

Die Anfänge ihres Reichtums gehen meist auf die 1990er-Jahre zurück. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurden die zuvor staatseigenen Betriebe privatisiert. Zum Konzept der Reformer unter Präsident Boris Jelzin gehörten Wertschecks, die an Bürgerinnen und Bürger verteilt wurden und bei Privatisierungsauktionen eingesetzt werden konnten. Doch aus der Idee eines „Volks von Eigentümerinnen und Eigentümern“ wurde nichts, unter anderem weil findige Geschäftsleute in großem Stil Wertschecks zusammenkauften. Nach einer zum Teil von viel Gewalt begleiteten Umverteilung landete die Kontrolle über Großbetriebe lukrativer russischer Industrien – Stahl, Metalle, Düngemittel – bei einer Handvoll Unternehmer. So wurden sie auch Oligarchen genannt, von Oligarchie, dem altgriechischen Begriff für die Herrschaft weniger.

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Kämpfe in der Ostukraine: Bahnt sich ein „zweites Mariupol“ an?
ARCHIV - 23.04.2022, Ukraine, Kiew: Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, beantwortet Fragen von Journalisten während einer Pressekonferenz in einer U-Bahn unter einem zentralen Platz in Kiew. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft hat den ukrainischen Präsidenten Selenskyj ausgezeichnet. Er sei nach dem russischen Angriff auf die Ukraine nicht geflohen, sondern kämpfe mit dafür, sein Land in eine europäische Zukunft zu führen. Foto: Efrem Lukatsky/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Ukraine hat von ihren ausländischen Partnern erneut moderne Raketenabwehrwaffen angefordert, um russische Angriffe aus der Distanz zurückschlagen zu können.

Wie ist das Verhältnis zwischen den Oligarchen und dem Kreml?

Die Oligarchen mögen Milliarden, Superjachten und Privatjets haben – aber Präsident Wladimir Putin und russische Behörden haben die Macht, ihnen das alles zu nehmen. So war Michail Chodorkowski vor rund zwei Jahrzehnten Ölmilliardär und der reichste Mann Russlands. Im Jahr 2003 wurden ihm unter anderem Betrug und Steuerhinterziehung vorgeworfen, und er verbrachte rund ein Jahrzehnt im Gefängnis, bevor er 2013 von Putin begnadigt wurde. Chodorkowski, der sich selbst als politischen Gefangenen bezeichnete, kündigte an, sich fortan aus Politik und Wirtschaft fernzuhalten.

In einem frischeren Fall kritisierte Milliardär Oleg Tinkow den Krieg in der Ukraine und war danach nach eigenen Angaben unter Verstaatlichungsdrohungen gezwungen, seinen Anteil an der Tinkoff-Bank zu einem Bruchteil des Werts zu verkaufen. Der Käufer: Nickelmilliardär Wladimir Potanin.

RND/dpa

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