Protest gegen Rechts in Dresden: Kritik an Polizeieinsatz
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Der rechte Aufmarsch konnte relativ ungehindert durch Dresden spazieren. Die Polizei löste Blockadeversuche zügig auf.
© Quelle: Dietrich Flechtner
Dresden (dpa/sn). Trillerpfeifen, Sprechchöre und Musik: Lautstark und energisch haben Hunderte Menschen vor dem Jahrestag der Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg gegen einen Aufzug von Rechtsextremisten zum Gedenken protestiert. Sie säumten den sogenannten Trauermarsch entlang der Route durch die Innenstadt, so dass Neonazis und andere Vertreter der rechten Szene mit ihren Bannern und Plakaten wie durch ein Spalier laufen mussten. Die Polizei war zufrieden mit dem Großeinsatz, die Organisatoren des Gegenprotests störten sich daran.
Die ehemalige Residenzstadt war am 13. Februar 1945 und in den Tagen danach von britischen und amerikanischen Bomben zerstört worden. Nach Recherchen von Historikern verloren bis zu 25.000 Menschen ihr Leben. Die Rechtsextremen sehen darin ein Kriegsverbrechen der Alliierten und relativieren damit die deutsche Schuld am Ausbruch des Krieges.
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Ein Großaufgebot von insgesamt rund 1890 Beamten aus mehreren Bundesländern und der Bundespolizei sicherte die Versammlungen im Stadtgebiet ab. Im Fokus stand am Nachmittag bis zum Abend der Aufzug der Rechtsextremen. Die Polizei sperrte die Zugänge zur Strecke ab und gewährleistete «Protest in Hör- und Sichtweite». Auch ein Hubschrauber war im Einsatz. In der Bilanz sprach Polizeipräsident Lutz Rodig von einem «herausfordernden und dynamischen Einsatztag». Man habe sowohl das Recht der Versammlungsfreiheit als auch einen Gegenprotest gewahrt. Ein Aufeinandertreffen der beiden Lager habe verhindert werden können.
Eine Teilnehmerzahl nannte die Polizei nicht. Nach Schätzungen eines dpa-Reporters waren es bei dem jährlichen sogenannten Trauermarsch zum 13. Februar etwa 1000 Personen und der Gegenprotest gewichtiger. Aufgerufen zum Widerstand hatte die neue Initiative «Dresden Wiedersetzen». Dem Bündnis gehören zahlreiche Organisationen und auch Parteien an, ihr erklärtes Ziel ist ein «nazifreies» Gedenken in Dresden.
Die Initiative zeigte sich im Resümee am Sonntag enttäuscht. Dem Aufruf, «alten und neuen Nazis in der Stadt den Raum für die Propaganda ihrer menschenverachtenden Ideologien» zu nehmen, seien etwa 800 großteils junge Menschen gefolgt. «Aber wir hätten uns noch mehr Rückhalt aus der Stadtgesellschaft gewünscht.» Es sei bitter, dass sich viele «mehr daran störten, dass sie nicht mehr einkaufen können, als dass Neonazis durch unsere Stadt laufen». Der Polizeieinsatz wurde als «völlig überzogen» kritisiert. Dieser und «eine hermetisch abgeriegelte Naziroute durch die Stadt» hätten es nahezu unmöglich gemacht, «dem braunen Spuk» unterwegs Einhalt zu gebieten.
Nach Polizeiangaben wurde der rechte Aufzug mehrfach gestoppt. Gegen vier Teilnehmer zwischen 30 und 49 Jahren wird wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt. Ein 21-Jähriger und ein 51-Jähriger müssen sich wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz verantworten. Im Gegenprotest gab es Kundgebungen, zudem setzten sich Dutzende Menschen auf die Straße, sie seien «beiseite gebracht» worden.
Im Zusammenhang mit dem Versuch, eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen, wird wegen Landfriedensbruch gegen einen 18-Jährigen ermittelt. Ein Beamter wurde nach Angaben der Behörde mit einem Stein beworfen, blieb aber unverletzt. Gegen acht weitere Personen zwischen 15 und 30 Jahren wird im Nachgang wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz ermittelt. Eine 23-Jährige muss sich wegen Beleidigung und ein 15-Jähriger wegen Widerstandes verantworten.
In dem Aufzug entdeckten Beamte auch einen Mann aus Bayern, gegen den der Staatsschutz wegen Volksverhetzung ermittelt. Der 68-Jährige soll nach Polizeiangaben am Freitag in einem sozialen Netzwerk ein Video gepostet haben, in dem er den Holocaust geleugnet hatte. Er wurde in Gewahrsam genommen.
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