Pride-Demo in Budapest: Der Druck auf die Regierung Orban wächst
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Budapest: Demonstranten kritisieren bei der Pride-Parade am Samstag die Politik der Regierung Orban.
© Quelle: Anna Szilagyi/AP/dpa
Berlin. Ungarns Gesellschaft ist tief gespalten. Etwa die Hälfte der Menschen stärkt der rechtspopulistischen Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban mehr oder weniger den Rücken, die andere Hälfte möchte ihn am liebsten loswerden und hofft auf seine Abwahl.
Obwohl bis zur Abstimmung über ein neues Parlament noch bis zum April 2022 Zeit ist, hat der Wahlkampf längst begonnen. Auf riesigen Plakaten wendet sich die Regierung in Budapest mit Suggestivfragen an die Bürger. Etwa: „Haben Sie Angst um Ihre Kinder wegen Sexualpropaganda?“
Heftige Prostete gegen LGBT-Gesetz
Schon am Tag vor der Verabschiedung des umstrittenen LGBT-Gesetzes durch das ungarische Parlament am 15. Juni kam es in Budapest zu heftigen Protesten. Tausende gingen auf die Straße und schwenkten Regenbogenfahnen. Seitdem sieht sich die Regierung massiver Kritik auch in der EU ausgesetzt. Während Orban das Ganze als Kinderschutzgesetz darstellt, sehen Kritiker darin einen massiven Angriff auf die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgendermenschen (LGBT).
Ursprünglich als Gesetz gegen Pädophilie gedacht, wurde es immer mehr erweitert, bis am Ende das Verbot stand, Minderjährigen Informationen über Homosexualität und Geschlechtsumwandlungen zugänglich zu machen. So sind in Lehrplänen und Filmen und Büchern, die für Jugendliche unter 18 zugänglich sind, nur noch Darstellungen des klassischen Familienmodells „Mann, Frau, Kind“ gestattet.
Am Samstag nun brachte die LGBT-Community in Budapest zu einer Pride-Parade erneut Tausende gegen das Gesetz auf die Beine. Hinter dem farbenfrohen Protestmarsch trat allerdings in den Hintergrund, dass laut Umfragen rund 60 Prozent der Ungarn für das Gesetz sind. Und unter den Befürwortern sind wiederum 40 Prozent Anhänger der Opposition.
Orban will Referendum abhalten
Dennoch sieht sich Orban so weit unter Druck, dass er nun ein Referendum über das Gesetz abhalten will. Allerdings soll es dabei nicht einfach um „dafür“ oder „dagegen“ gehen, sondern auch hier arbeitet die Regierung wieder mit Suggestivfragen, etwa, ob bei Kindern für eine Geschlechtsumwandlung geworben werden dürfe.
Mit diesem Referendum wird Orban die Kuh weder im Land selbst noch bei der EU vom Eis holen. Am einfachsten wäre es, das Gesetz einfach zurückzuziehen, denn es bleibt die Frage, warum es überhaupt nötig war.
Wer Ungarn besucht, hat nicht den Eindruck, dort in einer „frühsexualisierten“ Gesellschaft unterwegs zu sein, wie sie die Regierung angeblich verhindern will. Orban spricht mit dieser Politik vor allem Ältere und Wähler auf dem Land an. Bei Ungarns Jugend und in der Europäischen Union ist er damit komplett auf dem Holzweg.