Presse zum Urteil zu Trumps Finanzen: “Schlappe für den Sonnenkönig”
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Viele Medien sehen Trump mit dem Urteil des Supreme Court in seine Schranken gewiesen.
© Quelle: imago images/MediaPunch/robertharding/Montage RND
Berlin. Der Supreme Court hat entschieden: Das oberste US-Gericht sprach Trump am Donnerstag “absolute Immunität” ab und gestand der Bezirksstaatsanwaltschaft in Manhattan das Recht zu, grundsätzlich Finanzunterlagen Trumps einsehen zu können. Zugleich beendete der Supreme Court den Streit nicht. Denn eine zweite Entscheidung des Gerichts hindert Ausschüsse des Parlaments vorerst daran, ähnliche Dokumente zu erhalten. Die Presse blickt entsprechend gemischt auf das Urteil, viele sehen Trump dennoch vorerst in seine Schranken gewiesen.
Die Neue Zürcher Zeitung sieht in dem Urteil einen Sieg für Trump, aber auch eine wichtige Klarstellung: “Mit der Rückweisung an die Vorinstanz entzieht sich das Oberste Gericht geschickt einem Entscheid, der es vier Monate vor der Wahl unweigerlich in die politische Schlammschlacht gerissen hätte. Die Folge ist, dass Trumps Steuerunterlagen vor der Wahl nicht mehr öffentlich werden. Für den Präsidenten ist das ein Sieg. Doch es bleibt den Wählern, seine Verweigerungshaltung an der Urne politisch zu beurteilen. Noch viel eindeutiger haben die Richter allerdings Trumps Sicht einer absoluten Macht zurückgewiesen, über die zu verfügen er bei jeder Gelegenheit behauptet. Diese Klarstellung war wichtig – für diesen Präsidenten im Besonderen, aber auch für alle künftigen.”
Die Frage, was Trump wohl zu verbergen habe, bleibe auf dem Tisch, kommentiert die belgische Zeitung De Standaard: “Für Trump wird es in strafrechtlicher Hinsicht eng, jedenfalls längerfristig gesehen. Das erklärt vielleicht, warum er kurz nach dem Urteil einen wütenden Tweet nach dem anderen abfeuerte. Trump fühlt sich “ungerecht behandelt” und spricht von einer “politischen Hexenjagd”. Gleichzeitig entging er einem noch viel ärgeren Schicksal: dass nämlich seine politischen Gegner wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl über seine Finanzunterlagen verfügen können, die er nun schon seit 2015 mit allen Mitteln geheim hält. Doch mit dem Aufschub bis nach den Wahlen hat Trump die Frage nach seiner Steuererklärung natürlich nicht völlig entschärft. (...) Joe Biden und andere Demokraten werden in den kommenden Monaten zweifellos weiter darauf herumreiten. Die Frage, was Trump wohl zu verbergen hat, bleibt auf dem Tisch.”
Die Checks and Balances funktionieren, meint der Zürcher Tages-Anzeiger: “Für den narzisstisch veranlagten Trump ist dieser Entscheid eine Lektion in Staatskunde. Denn nun ist offensichtlich, dass auch der Präsident nicht über dem Gesetz steht, seine Immunität ist nicht absolut. Entschieden hat dies nicht irgendein linker Trump-Gegner, sondern das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten, das von konservativen Juristen dominiert wird, unter anderem von zwei Richtern, die Trump selbst ausgewählt hat. Die Checks and Balances, die gegenseitigen Kontrollen der amerikanischen Institutionen, funktionieren also, obwohl Trump regelmäßig versucht, sie auszuhebeln.”
Die Süddeutsche Zeitung sieht das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Gewaltenteilung gestärkt: “Wenig überraschend ist Donald Trump die Macht so stark zu Kopf gestiegen, dass er die Verfassung als persönliches Eigentum betrachtet. “Ich habe einen Artikel II, wo ich das Recht habe, als Präsident zu tun, was auch immer ich will.” Dieser Satz, ausgesprochen im Juli vergangenen Jahres, war nicht dahingeplappert, er fasst das Rechtsverständnis des Mannes gut zusammen. Trump ist der festen Meinung, dass er als Präsident über dem Recht steht und dass die Verfassung dem Präsidenten zu dienen hat - nicht der Präsident der Verfassung.
Mit dieser Begründung wollte Trump verhindern, dass Finanzdokumente aus seiner Zeit als Bauunternehmer und Präsidentschaftskandidat für Gerichtsverfahren und für das Amtsenthebungsverfahren im Kongress herangezogen werden konnten. Das Verfassungsgericht hat diese Blockade nun zum Teil aufgehoben - und ist damit der Tradition seiner Rechtssprechung gefolgt, die es im Verfahren gegen den Präsidenten Richard Nixon gebildet hatte. Das ist eine beruhigende Nachricht, die das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Gewaltenteilung stärkt. Beendet ist die Kraftprobe um die vermeintliche Allmacht des Präsidenten damit aber nicht. Vor allem, weil das Gericht Trump einen Spielraum lässt.”
Brauchen die Wähler für ihre Entscheidung wirklich die Steuererklärungen von Trump, fragt die Frankfurter Allgemeine Zeitung: “Im Wahljahr 2020 darf zwar als erwiesen gelten, dass Trump das nationale Interesse seinen persönlichen Anliegen immer wieder unterordnet. Die Ukraine-Affäre war nur ein eklatantes Beispiel; wer mehr braucht, lese das Buch des früheren Sicherheitsberaters John Bolton.
Doch nach möglichen monetären Motiven für die oft erratisch wirkende Politik des Präsidenten werden dessen politische Gegner auch weiterhin nicht in den Unterlagen des Unternehmers Trump forschen dürfen. Das Oberste Gericht hat am Donnerstag klargemacht, dass den Ermittlungsrechten der Legislative Grenzen gesetzt sind. Den Demokraten im Repräsentantenhaus nützt es nichts, dass sie die Herausgabe der Unterlagen gar nicht von Trump, sondern von dessen Banken und Buchhaltern verlangt hatten.
Der New Yorker Staatsanwalt Cyrus Vance scheint auf demselben Umweg bessere Erfolgsaussichten zu haben. Ihm bescheinigte das Oberste Gericht, dass die Präsidentenimmunität Trump nicht vor staatsanwaltlichen Ermittlungen schützt. So bekommt der Demokrat Vance im Wahljahr Rückenwind für seinen Versuch, Trumps mutmaßliche indirekte Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin “Stormy Daniels” aufzuklären.
Doch Vance wird sich hüten, das Recht zu brechen und die Dokumente publik werden zu lassen. Die Wähler müssen auf eigene Faust entscheiden, ob sie Trump zutrauen, strikt zwischen Amt und Profit zu unterscheiden. Brauchen sie dafür die Steuererklärungen?”
Das ZDF schreibt, das Urteil sei eine “Schlappe für den Sonnenkönig”: “Donald Trump hält sich selbst für einen absoluten Herrscher, der weder dem Kongress noch den Gerichten Rechenschaft schuldig ist. Den Zahn hat ihm nun der Oberste Gerichtshof gezogen.
Ein Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika - egal ob Republikaner oder Demokrat, ob Trump oder Biden - steht nicht über dem Gesetz. Die beiden Urteile heute sind ein großartiger Sieg für den Rechtsstaat und für die Gewaltenteilung, die Trump seit Jahren mit Füßen tritt.
Das Beste daran: Ausgerechnet die beiden Richter, die von Donald Trump handverlesen und von der republikanischen Mehrheit im Senat durchgeboxt wurden, sorgen für eine klare 7-zu-2-Mehrheit in beiden Fällen. Ein schwerer Schlag für einen Präsidenten, der in Richtern - genau wie in seinem Justizminister - seine persönlichen Erfüllungsgehilfen sieht.
‘Das sind alles politische Ermittlungen', heult Trump dennoch per Twitter, ‘ich habe die Hexenjagd von (Sonderermittler) Mueller gewonnen, andere auch. Nun muss ich in einem politisch korrupten New York weiterkämpfen. Das ist nicht fair (…)!'
Und ob das fair ist, Herr Trump, weil selbst ein Präsident nicht über dem Recht steht, nicht besser ist als alle anderen, auch wenn er sich selbst für den Sonnenkönig hält.”
Die Rheinpfalz in Ludwigshafen spricht von einem “historischen Urteil”: “Das Oberste Gericht der USA hat ein historisches Urteil gefällt, das keinen Moment zu früh kommt. US-Präsident Donald Trump hat seit Amtsantritt 2017 kaum eine Gelegenheit ausgelassen, den Rechtsstaat infrage zu stellen. Immer wieder hat er behauptet, er stehe über dem Gesetz. Das gescheiterte Amtsenthebungsverfahren 2019 hatte ihn in seiner Meinung bestärkt, dass er tun und lassen könne, was er will. Nun ist klar: Nein, Trump hat rote Linien überschritten. Er irrt und irrlichtert. (…) Bedenklich ist (…), dass das Votum nicht einstimmig ausfiel. In vergleichbaren Fällen 1974 und 1997 war das anders. Die Politisierung der Justiz hat in der Ära Trump zugenommen. Sie bleibt eine Gefahr für Amerikas Demokratie.”
RND/dpa/cz