Polnische Behörden verhindern Migrantendurchbruch aus Belarus
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Eine große Gruppe von Migranten nahe der polnischen Grenze. Die Menschen sollen von bewaffneten Sicherheitskräften aus Belarus begleitet worden sein.
© Quelle: Screenshot/Minister für Nationale Verteidigung Polen
Minsk/Warschau. Polnische Polizisten und Soldaten haben nach eigenen Angaben einen Durchbruchsversuch einer größeren Gruppe von Migranten an der belarussisch-polnischen Grenze verhindert. Videoaufnahmen zeigen, wie bewaffnete Sicherheitskräfte am Grenzzaun Reizgas auf Flüchtende sprühen, nachdem ein Stein über die Absperrungen geworfen wurde.
Mehrere Hundert Personen sind laut Medienberichten unter anderem aus Minsk zu einem Grenzübergang gefahren worden. Bewaffnete Uniformierte drängten die Migranten dann in den Wald in Richtung des Grenzzauns zu Polen. Eine größere Gruppe sitzt im Niemandsland zwischen den Grenzzäunen fest.
Polnische Behörden befürchten einen Grenzsturm. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki teilte am Morgen via Facebook mit, die Grenze sei „nicht nur eine Linie auf der Karte, sondern ein Heiligtum, für das eine Generation von Polen ihr Blut vergossen“ habe. Die Grenztruppen seien vorbereitet.
Der Grenzschutz der autoritär geführten Ex-Sowjetrepublik erklärte am Montag nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Belta, man habe „alle notwendigen Maßnahmen“ ergriffen, um die Sicherheit zu gewährleisten.
Aus Sicht der polnischen Regierung könnte die Gruppe versuchen, in der Nähe des Ortes Kuznica Bialostocka die Grenze zu durchbrechen. „Nach neuesten Informationen steht diese riesige Gruppe von Migranten unter der Kontrolle von bewaffneten belarussischen Einheiten, die entscheiden, wohin sie gehen darf und wohin nicht“, schrieb Geheimdienstkoordinator Stanislaw Zaryn auf Twitter. Er sprach von einer weiteren feindlichen Aktion des Nachbarlands gegen Polen. Die polnische Regierung berief deshalb einen Krisenstab ein.
Lukaschenko soll Migranten in die EU schleusen
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko sieht sich in der Kritik, Menschen aus Krisenregionen einfliegen zu lassen, um sie dann in die EU zu schleusen. Er hatte als Reaktion auf Sanktionen gegen sein Land erklärt, Menschen auf ihrem Weg zu einem besseren Leben im „gemütlichen Westen“ nicht mehr aufzuhalten. In der Grenzregion gab es bereits mehrere Todesfälle unter Migranten. Die EU-Staaten Polen und Litauen haben in den vergangenen Monaten Tausende Grenzübertritte gemeldet. Deutschland gilt als ein Hauptziel der Migranten.
Viele Flüchtende, die an der Grenze gescheitert sind, kamen in den vergangenen Tagen nach Minsk zurück und schliefen dort zum Teil im Freien. Die Truppen von Machthaber Lukaschenko bringen die Menschen nun aus Minsk heraus und drängen sie erneut zum Grenzzaun. In Einkaufszentren der Hauptstadt sind Schilder angebracht, die „Touristen mit Rucksäcken“ (gemeint sind die Flüchtenden) für unerwünscht erklären.
„Die polnische Regierung schafft es weder, die Grenze zu schützen noch den Menschen zu helfen“, kritisiert Franek Sterczewski, Abgeordneter der oppositionellen Bürgerkoalition im polnischen Parlament, gegenüber dem RND. Er forderte, dass Morawiecki sofort den Nationalen Sicherheitsrat einberuft, dem auch Vertreter der Opposition angehören. Hilfsorganisationen und Beobachter müssten sofort Zugang zur Grenze haben. „Wir brauchen große Hilfsorganisationen hier, sonst werden noch viel mehr Menschen sterben.“ In den vergangenen Wochen sind nach offiziellen Angaben zehn Menschen in der Grenzzone an Entkräftung, Unterkühlung und Verletzungen gestorben. Mehrere Hundert kamen in Krankenhäuser auf der polnischen Seite. „Wenn wir nichts tun, werden wir im Frühjahr auf Hunderte Tote zurückblicken und uns fragen, warum wir es nicht verhindert haben“, sagt Sterczewski.
„Die EU muss einsehen, dass Polen mit der Situation überfordert ist, und sofort für Hilfe sorgen“, fordert der Abgeordnete und Aktivist, der bereits selbst versucht hat, im Grenzgebiet festsitzenden Migranten Verpflegung zu bringen.
Die EU erkennt Lukaschenko seit der umstrittenen Präsidentenwahl im vergangenen Jahr nicht mehr als Staatsoberhaupt von Belarus (früher: Weißrussland) an. Unterstützt wird der „letzte Diktator Europas“, wie ihn Kritiker nennen, von Russlands Präsident Wladimir Putin. Der Kreml begrüßte am Montag das Vorgehen der Behörden in Zusammenhang mit den Migranten.
RND/dpa/jps