Personalmangel im Tourismus: Wo sind die Arbeitskräfte geblieben?
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In London-Heathrow warten etliche Reisende, um für ihren Flug einchecken zu dürfen.
© Quelle: IMAGO/i Images
Berlin. Ob an der deutschen Nordseeküste, in Griechenland oder auf Mallorca – die Tourismusbranche kämpft nach zwei Corona-Jahren mit Personalmangel. Allein im deutschen Gastgewerbe beklagen rund 60 Prozent der Betriebe einen akuten Mitarbeitermangel, wie der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Anfang Juni bei einer Umfrage herausgefunden hat. „Es ist sehr bitter, wenn unsere Betriebe jetzt aufgrund des Mitarbeitermangels die Nachfrage der Gäste nicht bedienen können“, sagt Dehoga-Präsident Guido Zöllick.
Doch wo sind die Beschäftigten geblieben, die dem Tourismussektor aktuell fehlen? Zöllick kann sich vorstellen, dass einige Menschen in anderen Dienstleistungsbranchen Jobs gefunden haben. Auch den Handel, die Logistik und das Gesundheitswesen zählt er als konkurrierende Branchen auf. „Das ist schwer einzugrenzen“, sagt er.
Weniger Fluktuation als vor der Krise
Arbeitsmarktforscher Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) hat noch eine andere Theorie: Ihm zufolge liegt das Personalproblem gar nicht in der Abwanderung von Beschäftigten in andere Branchen. „Das ist ein Gerücht, das nicht stimmt“, sagt er. Das Gegenteil sei der Fall. „In der Krise haben deutlich weniger Menschen den Job verlassen als vorher.“ Das gelte auch für den Tourismussektor, der traditionell eine hohe Fluktuation verzeichne.
Grund für den akuten Mangel an Arbeitskräften in der Tourismusbranche sei vielmehr, dass über einen langen Zeitraum nur wenige Menschen neu eingestellt worden seien. „Es wurde einfach nicht wieder aufgefüllt“, sagt Weber. Nach den Corona-Lockerungen hätten viele Betriebe sofort wieder öffnen wollen, seien darauf aber nicht vorbereitet gewesen. „Corona ist zu schnell für den Arbeitsmarkt“, erklärt der Experte. Dadurch befinde sich der Tourismussektor aktuell in einer „Sondersituation“. „Fachkräftemangel war in Kneipen vor Corona kein Thema“, sagt Weber.
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© Quelle: dpa
Bereits im vergangenen Sommer sei eine gewisse Normalisierung des Arbeitsmarktes erkennbar gewesen, so der Forscher. Dennoch gebe es immer noch weniger Jobwechsel als vor der Corona-Krise. Bis sich die Beschäftigungssituation in der Tourismusbranche wieder normalisiert, wird es aus Webers Sicht noch dauern. „Fertig wird man damit dieses Jahr nicht mehr“, glaubt er.
Auszubildende fehlen
Ein weiteres Problem, das der Branche zu schaffen macht, ist die niedrige Zahl der Auszubildenden. Dehoga-Präsident Zöllick zufolge haben im Jahr 2020 rund ein Viertel weniger Menschen eine Ausbildung im Gastgewerbe begonnen als noch 2019. Grund dafür sei, dass viele Betriebe aufgrund der Pandemie geschlossen waren. 2021 sei die Zahl der neuen Auszubildenden gegenüber dem Vorjahr zwar wieder um 1,7 Prozent gestiegen. Dennoch sei eine Lücke entstanden, bei der noch nicht absehbar sei, wie die Branche diese verkrafte.
Weber sieht den Tourismussektor grundsätzlich nicht als „Krisenbranche“, weist aber auf den allgemeinen Fachkräftemangel hin. „Das Thema werden wir nicht mehr los“, sagt er. Er kann sich vorstellen, dass eine Verschiebung hin zu mehr sozialversicherungspflichtigen Stellen und weniger Minijobs der Tourismusbranche Erleichterung bringen könnte.
Dehoga-Präsident Zöllick zählt Stellschrauben wie Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeiten und betriebliches Gesundheitsmanagement auf, mithilfe derer Personal gewonnen werden könnte. „Es ist nicht nur das nackte Gehalt, das da abgerechnet wird“, sagt er.
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