Pause für Populisten und Nationalisten in Italien

Mario Draghi und sein Kabinett.

Mario Draghi und sein Kabinett.

Rom. Hat sich das Ganze gelohnt? Eine Regierungskrise mitten in der Pandemie? Der Sturz eines Premiers, der bei den Italienern beliebt war wie lange kein anderer vor ihm und der das Land alles in allem umsichtig durch die epochale Gesundheitskrise geführt hat?

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Die Antwort lautet, bei allem Respekt vor Ex-Premier Giuseppe Conte: Ja, es hat sich gelohnt. Italien hat nun eine deutlich kompetentere und schlagkräftigere Regierung als zuvor. Und eine Regierung, auf die sich Europa wird verlassen können: bezüglich der sinnvollen Verwendung der 209 Milliarden Euro aus dem Recovery Fund der EU, aber auch bezüglich der Haushaltpolitik. Beides war vorher nicht der Fall gewesen.

Mario Draghi hat alle Ministerien, die für den Wiederaufbau Italiens eine Schlüsselrolle spielen, mit hochkarätigen Experten und erfahrenen Managern besetzt. Das neue Ministerium für ökologische Transition wird vom Physiker Roberto Cingolani geleitet, dem Gründer des Technologieinstituts von Genua und zuletzt Leiter der Abteilung Innovation im Luft- und Raumfahrtkonzern Leonardo.

Draghi will Italien grüner machen

Der grüne Umbau der Wirtschaft hat einen hohen Stellenwert im Konzept des Recovery Fund: Laut den Vorgaben aus Brüssel muss über ein Drittel der Hilfsgelder für Klima- und Umweltprojekte verwendet werden. „Wir werden eine Umweltschutz-Regierung sein”, erklärte Draghi an der ersten Regierungssitzung am Samstag.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Das zweite Schlüsselressort für den Wiederaufbau, das Ministerium für Digitalisierung und technologische Innovation, hat Draghi mit dem Manager Vittorio Colao besetzt. Der frühere Chef des Telekommunikationskonzerns Vodafone war letztes Jahr bereits Leiter einer von Giuseppe Conte eingesetzten Task Force gewesen, die ein Konzept für die Verwendung der Milliardenhilfen ausarbeiten sollte.

Conte wollte sich nicht nach den Experten richten

Die Empfehlungen der Task Force waren umgehend in einer Schublade verschwunden: Conte glaubte, bessere Konzepte zu haben. Draghi wird auf Colaos Vorarbeiten zurückgreifen können – und er wird mit dem Topmanager über einen Minister verfügen, der nicht nur weiß, welche Projekte das Land theoretisch voranbringen, sondern auch, wie diese praktisch umgesetzt werden können.

Finanz- und Wirtschaftsminister wird Daniele Franco: Der bisherige Generaldirektor der italienischen Zentralbank und frühere Chefbuchhalter des Landes ist ein enger Vertrauter und Weggefährte des neuen Premiers. Von allen Ressorts ist das Finanzministerium derzeit wohl das heikelste: Vier Corona-Hilfspakete hatten das Defizit im vergangenen Jahr auf 11 Prozent des BIP explodieren lassen; Kritiker wie der frühere Sparkommissar Franco Cottarelli attestierten der bisherigen Regierung eine regelrechte „Defiziteuphorie” und warnten vor einem gefährlichen Anstieg der ohnehin schon viel zu hohen Staatsschulden.

Draghi und sein neuer Finanzminister werden für Mäßigung sorgen und darauf achten, dass die Corona-Hilfen der Regierung künftig gezielter und weniger nach dem Gießkannenprinzip eingesetzt werden – und dass der Haushalt mittelfristig wieder ins Gleichgewicht kommen wird.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Auch die rechte Lega ist eingebunden

Insgesamt acht der neuen Minister sind parteilose Experten – die übrigen fünfzehn sind Vertreter der Parteien, die die neue Regierung unterstützen. Bei der Auswahl der „Politiker” hat Draghi darauf geachtet, dass es sich um überzeugte Proeuropäer und Atlantiker handelt.

Das beste Beispiel dafür ist die Berufung von Lega-Vizepräsident Giancarlo Giorgetti in das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung: Der Absolvent der Mailänder Eliteuniversität Bocconi ist die Leitfigur des moderaten und pragmatischen Flügels der rechtsnationalen Partei und gilt als Regisseur der proeuropäischen Wende, die Lega-Chef Matteo Salvini in den letzten Tagen zum Erstaunen vieler Italiener vollzogen hat. Auch die neuen und alten Minister der Fünf-Sterne-Bewegung – insgesamt vier – sind Exponenten des pragmatischen Flügels der Protestpartei.

Bei den Parlamentswahlen vom März 2018 hatten die Fünf Sterne und die Lega noch über 50 Prozent der Sitze im Abgeordnetenhaus und im Senat gewonnen – im neuen Kabinett haben die Populisten, Nationalisten und Fremdenfeinde nun keine Stimme mehr.

Eine Regierung, an der alle Parteien außer den Postfaschisten beteiligt sind und die trotz eines mehrheitlich populistischen Parlaments nur aus Pragmatikern und Europafreunden besteht: Das ist die bis jetzt augenfälligste Neuerung, die Draghi eingeführt hat. Und für die Zukunft Italiens, aber auch für jene Europas, die wichtigste.

Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken