Kommentar zur Panzerlieferung

Der getriebene Kanzler

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim EU-Gipfel im Dezember in Brüssel.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim EU-Gipfel im Dezember in Brüssel.

Berlin. Überzeugende Argumente gegen die Lieferung deutscher Schützen- und Kampfpanzer an die Ukraine hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schon lange nicht mehr. Zuletzt musste als Grund für die Blockadehaltung herhalten, dass Deutschland keinen nationalen Alleingang wolle. Eine schwache Ausrede: Hätte die Bundes­regierung gewollt, hätte sie sich schon vor Monaten darum bemühen können, Verbündete ins Boot zu holen – um dann gemeinsam westliche Panzer zu liefern. Stattdessen hat in Europa zuerst der französische Präsident Emmanuel Macron die Initiative ergriffen und der Ukraine Spähpanzer aus eigener Produktion zugesagt.

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+++ Alle Entwicklungen zum Krieg gegen die Ukraine im Liveblog +++

Am Ende hat sich Scholz ein weiteres Mal dem Druck gebeugt. Am Tag nach Macron kündigte die Bundes­regierung an, zwar nicht Leopard-2-Kampfpanzer, aber immerhin Schützenpanzer Marder an die Ukraine zu liefern – Kiew bittet seit Monaten um beide Panzertypen. Die Zusage erfolgte laut Bundesregierung nach einem Telefonat von Scholz mit US‑Präsident Joe Biden. Die USA wollen der Ukraine Bradley-Schützenpanzer zukommen lassen, was Biden allerdings bereits am Mittwoch hatte durchblicken lassen – dem Tag von Macrons Ankündigung. Ein Patriot-Luftabwehrsystem will die Bundesregierung nun ebenfalls an die Ukraine liefern – auch da hieß es vor Weihnachten in Berlin noch, das sei nicht möglich.

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Es geht um das Überleben der Ukraine

Ein weiteres Mal wirkt Scholz im Ukraine-Krieg wie ein Getriebener. Den Kursschwenk bei den Patriots begründet die Bundesregierung mit den fortgesetzten Raketen- und Drohnenangriffe auf die kritische Infrastruktur der Ukraine. Diese Angriffe aber sind keine neue Entwicklung, sondern dauern bereits seit fast drei Monaten an. Sie sind auch ein guter Grund dafür, der Ukraine westliche Panzer zu liefern.

Schließlich führt Russland einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Was seit dem ersten Tag des russischen Überfalls gilt, ist weiterhin richtig: Kremlchef Wladimir Putin ist für die Eskalation verantwortlich, nicht der Westen. Putin hat keines seiner Kriegsziele aufgegeben. Es geht also um nicht weniger als um das Überleben der Ukraine. Sie müssen diesen Krieg gewinnen – und brauchen dafür moderne Panzer.

Russlands „Selbstzerstörung“: Putin verliert an Rückhalt

Viele Russen fragen sich in ihren Neujahrsferien, wie es in dem von Niederlagen überschatteten Krieg gegen die Ukraine weitergeht.

In der Debatte um die Panzer hat der Bundeskanzler Deutschland ein weiteres Mal als zögerlichen Verbün­deten präsentiert. Unvergessen sind in Kiew die 5000 Bundeswehrhelme, jener erste militärische Beitrag für die angegriffene Ukraine, mit dem die Bundesregierung sich der Lächerlichkeit preisgab. Dass Teile der Bundesregierung ein Kommunikationsproblem haben, hat sich nicht erst seit dem peinlichen Silvestervideo von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht gezeigt. Denn Deutschland müsste sich bei der Ukraine-Hilfe eigentlich nicht verstecken.

Begeisterung über Deutschland verblasst

Bei der militärischen Unterstützung steht die Bundesrepublik nach den USA und Großbritannien an dritter Stelle, bei der bilateralen Regierungshilfe (einschließlich des Anteils an EU‑Beihilfen) sogar an zweiter. Statt sich aber als Vorreiter zu profilieren, wirkt Deutschland wie ein Partner, der ständig auf der Bremse steht. Ein Bremser, der am Ende unter wachsendem Druck dann doch nachgibt, wie nun im Fall der Marder – und in nicht allzu ferner Zukunft womöglich auch bei den Leopard 2.

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Dabei war der Kanzler für seine „Zeitenwende“-Rede nach dem russischen Überfall auf die Ukraine vor knapp einem Jahr von Verbündeten gefeiert worden. Sie hatten Deutschland lange dafür kritisiert, seiner Verant­wortung als stärkste Wirtschaftsmacht Europas in der Außen- und Sicherheitspolitik nicht gerecht zu werden. Inzwischen ist die Begeisterung verblasst. Die „New York Times“ schrieb zum Jahreswechsel über die „Zeitenwende“-Ansprache: „Fast ein Jahr später fehlt jedoch immer noch eine klare Vorstellung des Kanzlers dazu, was das bedeutet.“

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