Pandemiepolitik: Kinder in den Mittelpunkt stellen – und zwar jetzt!
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Eine Erzieherin malt in einer Kita die Hand eines Kindes mit Fingerfarbe an. Der Corona-Expertenrat der Bundesregierung fordert, dem Wohl von Kindern in der Pandemie eine hohe Priorität einzuräumen.
© Quelle: Sebastian Gollnow/dpa
Berlin. Endlich ergreift mit dem Expertenrat einer Partei für die Jüngsten. In den zwei Jahren Pandemie mussten sich Kinder und Jugendliche immer hinten anstellen. So pochten die Erwachsenen monatelang auf Solidarität: Sie erwarteten von den Jüngeren, dass sie sich an die einschneidenden Corona-Maßnahmen halten. Dass Solidarität aber keine Einbahnstraße ist, haben viele Ältere immer noch nicht verstanden. Die Omikron-Welle zeigt, dass viele es nicht verstehen wollen.
Mehr als 10 Prozent der über 60-Jährigen in Deutschland sind nicht geimpft. Diese Lücke in der Impfquote ist enttäuschend und macht wütend. Gesundheitsminister Karl Lauterbach begründet Schutzmaßnahmen immer wieder mit der hohen Zahl älterer ungeimpfter Menschen.
Doch ab einem gewissen Zeitpunkt muss man sich fragen, wie sehr man Menschen schützen kann, die offenbar gar keinen Schutz haben wollen. Dieser Zeitpunkt ist spätestens jetzt erreicht: Die Politik muss einen neuen Fokus im Pandemiemanagement setzen und die Jüngeren in den Mittelpunkt stellen. Das ist überfällig.
Versäumnisse der letzten Jahre aufholen
Man muss sich nur in die Situation der unter 20-Jährigen hineinversetzen, um den Frust und die Unzufriedenheit ein Stück weit nachvollziehen zu können: Kaum soziale Beziehungen wegen der Schulschließungen, keine Partys zum Schulabschluss, viel zu wenig Sport in Mannschaft und Verein – um nur einige wenige Punkte zu nennen. Bei den Kleinsten sieht es mit Blick auf die sozialen Kontakte nicht anders aus: Enge Freundschaften, die oftmals im Kindesalter geknüpft werden, hatten wegen der ständigen Kita-Schließungen weniger Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln.
Und ja, die Pandemiefolgen für Kinder sind lange unterschätzt worden. Von Teilen der Wissenschaft, vielen in der Politik und auch in den Medien. In einer Pandemie ist die Abwägung zwischen Gesundheitsschutz und dem Schutz vor psychischer Belastung kompliziert. Für Kinder mit Immunschwächen können die Schulschließungen lebensrettend sein. Für andere mit psychischen Erkrankungen oder gar einem zu wenig fürsorglichen Elternhaus sind sie gefährlich.
Jetzt aber, da die Älteren durch sichere Impfstoffe geschützt werden können und die Überlastung des Gesundheitssystems abgewendet ist, sollten die Versäumnisse der letzten Jahre rasch aufgeholt werden. Ein Strauß an Maßnahmen ist nötig. Dazu gehören flächendeckende und bestenfalls kostenlose Nachhilfeangebote an jeder Schule und Bildungseinrichtung. Auch die psychologische Betreuung für Kinder muss ausgebaut werden – die Lehrerschaft kann das nicht alleine stemmen. Dafür sollte der Bund Gelder bereitstellen, und die Länder sollten diese auch abrufen.
Die Modernisierung an Schulen ist die größte Baustelle, die Bund und Länder jetzt angehen müssen. Es kann nicht sein, dass zahlreiche Schulen kein WLAN haben und Kinder noch auf dem technischen Niveau der 1990er-Jahre lernen. Spätestens ab der weiterführenden Schule sind genau wie an den Universitäten Onlineangebote erforderlich.
Kinder dürfen nicht auf der Strecke bleiben, nur weil sie sich mit dem Coronavirus infiziert haben, in Quarantäne mussten oder die Schulen schlicht geschlossen waren. Corona-Infektionen werden auch weiterhin zum Alltag dazugehören. Es ist doch besser, wenn Schulkinder den Unterricht per Videoübertragung verfolgen können, als ihn komplett zu verpassen. Dahingehend müssen der Lehrerschaft Ressourcen zur Verfügung gestellt und Schulungen angeboten werden.
Die Pandemie hat die systemischen Probleme in den Schulen und der Gesellschaft erneut aufgezeigt, aber auch verschärft. Nur reicht diese Erkenntnis nicht aus, ihr müssen endlich Taten folgen.