Antrittsbesuch des Bundeskanzlers

Olaf Scholz in Israel: alte Wunde, neues Blutvergießen

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l.) steht neben Naftali Bennett, dem Ministerpräsidenten des Staates Israel, beim Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l.) steht neben Naftali Bennett, dem Ministerpräsidenten des Staates Israel, beim Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel.

Jerusalem. Die Mädchen durchbrechen mit ihrem Lachen die beklemmende Stille in der Halle der Erinnerung in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Sie üben mit ihrer Chorleiterin noch einmal das Lied, das sie gleich anstimmen werden. Es ist das Leben an einem Ort, wo der Ermordung von sechs Millionen Juden durch die Nazis gedacht wird. Bundeskanzler Olaf Scholz legt dort am Mittwochmorgen einen Kranz nieder. In Erinnerung an die deutschen Menschheitsverbrechen.

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In den Steinboden sind Namen eingraviert, die für Vernichtung stehen: Bergen-Belsen, Dachau, Theresienstadt, Buchenwald, Auschwitz und viele mehr. Und auch Babyn Jar. Jenes Tal auf dem Gebiet der ukrainischen Hauptstadt Kiew, wo Hitlers Truppen 1941 innerhalb von Stunden 33.000 Männer, Frauen und Kinder töteten.

Den Schriftzug „Babyn Jar“ in diesem Augenblick in Yad Vashem zu sehen und zu wissen, dass in Kiew nahe der Gedenkstätte für den Massenmord in Babyn Jar am Dienstag beim russischen Überfall auf die Ukraine Bomben eingeschlagen sind, schafft eine besondere Nähe zu Wladimir Putins Krieg. Der Angriff auf die nach Demokratie strebende Ukraine ist das beherrschende Thema während dieses ersten Treffens von Kanzler Scholz mit dem israelischen Premierminister Naftali Bennet.

Scholz wollte diesen Antrittsbesuch trotz der dramatischen Entwicklung in der Ukraine auf keinen Fall absagen. Die Pflege der Beziehungen zu Israel gehört zu den unverbrüchlichen Aufgaben einer deutschen Kanzlerschaft. Deutschland trägt wegen der Verbrechen der Nazis besondere Verantwortung für die Sicherheit und das Existenzrecht Israels. Es ist deutsche Staatsräson.

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In das Gästebuch von Yad Vashem schreibt der Kanzler: „Das Menschheitsverbrechen der Shoah ließ die Welt in den Abgrund blicken. Der Massenmord an den Juden ging von Deutschland aus. Er wurde von Deutschen geplant und ausgeführt. Hieraus erwächst einer jeden deutschen Regierung die immerwährende Verantwortung für die Sicherheit des Staates Israel und den Schutz jüdischen Lebens. Wir werden das millionenfache Leid und die Opfer niemals vergessen!“

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Bennett sagt, Yad Vashem erinnere an „die Wunde“, die die Basis deutsch-israelischer Beziehungen sei. Heute sei das Verhältnis beider Länder stärker als je zuvor. Scholz und er vereinbaren eine neue strategische Zusammenarbeit durch ein Format des Dialogs zweimal im Jahr. Scholz betont, Deutschland habe aufgrund seiner Geschichte eine ganz besondere Verantwortung. Für Israel, aber auch für die Friedensordnung in Europa. Die greift Putin gerade an.

„Es ist unsere Pflicht, alles zu unternehmen, um das Blutvergießen zu beenden“, betont Bennett. Allerdings sagt er nicht, wie. Er antwortet fast gar nicht auf Fragen. Weder, warum sein Land die scharfen Sanktionen gegen Russland nicht unterstützt und damit internationale Geschlossenheit beim Versuch verhindert, Putin zu isolieren. Noch die Fragen nach roten Linien für den jüdischen Staat Israel oder nach Reaktionen darauf, dass der jüdische Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, auf Putins Todesliste an erster Stelle steht und Israel um Vermittlung in dem Krieg bittet.

+++ Alle aktuellen Entwicklungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine im Liveblog +++

Israel ist im Zwiespalt. Es hat gute Beziehungen zu Russland und zur Ukraine. Es will seinen wichtigsten Bündnispartner, die USA, nicht verärgern, ist aber aus strategischen Gründen vom Wohlwollen Moskaus abhängig, unter anderem in den Konflikten mit Syrien und dem Iran. So fordert Bennett in der Pressekonferenz auch Unterstützung seiner Verbündeten dafür, dass der Iran nicht an nukleare Waffen komme. Er spricht allerdings etwas aus, was alle für die Ukraine fürchten. Aus israelischer Kriegserfahrung wisse er: „Es kann leider noch viel schlimmer kommen.“

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Viele Europäer haben Angst, dass aus Putins Krieg gegen die Ukraine ein Flächenbrand wird, in den Nato-Staaten einbezogen werden oder Atomwaffen zum Einsatz kommen könnten. Das wäre der Dritte Weltkrieg. Scholz, der am Wochenende eine Kehrtwende in der deutschen Sicherheitspolitik vollzogen und sich zu einer massiven Aufrüstung der Bundeswehr sowie zu Waffenlieferungen an die Ukraine entschlossen hat, bemüht sich um verbale Deeskalation.

In der Pressekonferenz schließt er einen militärischen Eingriff der Nato in den russischen Krieg in der Ukraine aus. Er versichert: „Wir werden nicht militärisch eingreifen. Das gilt für die Nato, das wird sie nicht tun, und auch für alle anderen. Das wäre in dieser Situation falsch.“

„Eli, Eli“ singen die Mädchen. „Mein Gott, mein Gott“ – es möge nie ein Ende haben, heißt es in dem Lied. Der Sand, das Meer, die Geräusche des Wassers, der Glanz des Himmels, das Gebet des Menschen. Das gilt an diesem Tag auch für die Ukraine.

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