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Wenn der Kanzler sich ärgert

Olaf Scholz bei Maybrit Illner: „Gestatten Sie mir, das ein bisschen lächerlich zu finden“

Maybrit Illner im Gespräch mit Olaf Scholz.

Maybrit Illner im Gespräch mit Olaf Scholz.

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Berlin. Es liegt nicht am Tonfall und auch nicht am Gesichtsausdruck, aber plötzlich ist da diese Schärfe. Es ist der Tag vor dem Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine, Bundeskanzler Olaf Scholz sitzt in einem ZDF-Studio und Moderatorin Maybrit Illner ist bei Polens Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki angelangt. Deutschlands Ukraine-Politik sei wie der Versuch, halb schwanger zu sein, hat der vor einigen Tagen in einem Interview gesagt. Scholz lächelt leicht.

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„Gestatten Sie mir, das ein bisschen lächerlich zu finden, wenn man sieht, wie viel Deutschland tut“, sagt er dann. „Das ist nicht in Ordnung gegenüber denen, die sich sehr viel Mühe geben, dass das möglich wird.“ Und noch mal: „Es fällt schwer, das als etwas Vernünftiges zu begreifen.“

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So also ist es, wenn der sonst so schweigsame Kanzler sich ärgert: Polen bekommt seine Kritik mit Wucht zurückgespielt – und nicht nur Polen, sondern alle diejenigen auch aus der Ampelkoalition, die Scholz als zu zögerlich, zu wenig entschlossen bezeichnet haben. Deutschland liefere mit die meisten Waffen an die Ukraine, und oft als einziges oder zumindest als erstes Land, konstatiert Scholz. Viele Länder hätten zwar Waffen versprochen, aber noch nichts umgesetzt. Deswegen sei sein „Rat an alle, dass man vielleicht die Art und Weise der Debatte ein bisschen ändert“.

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Zum Glück gibt es den Kanzler, findet der Kanzler

Eine hochgerüstete Atommacht habe ihr Nachbarland überfallen. In so einer gefährlichen Lage sei es nicht richtig, „aufgeregt von Presseerklärung zu Pressekonferenz zu eilen, sondern das zu tun, was jetzt wirklich wichtig ist“. Die Botschaft ist klar: Der Kanzler findet, dass die, die da so viel kritisieren, den Ernst der Lage nicht begriffen haben.

Aber zum Glück gibt es den Kanzler, findet der Kanzler. „Die Bürger und Bürgerinnen unseres Landes können sich darauf verlassen, dass ich mich nicht kirre machen lasse“, versichert Scholz. Angela Merkel hat den Spitznamen „Mutti“ zum beruhigenden Markenzeichen kultiviert, Scholz versucht es nun ganz offenkundig mit der Vaterrolle, geduldig, gütig und immer das Gesamte im Blick.

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Selbst in der SPD finden allerdings nicht wenige, dass der Kanzler bei aller Überlegtheit trotzdem mal ein bisschen mehr erklären könne. „So wenig wird gar nicht geredet“, sagt der. Und er gehe davon aus, dass sein Politikstil in der Bevölkerung durchaus Anklang finde. „Ich fühle mich von einer großen Mehrheit getragen.“

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Scholz telefoniert mit Putin: „Es muss Leute geben, die ihm widersprechen“

Und er hat ja auch noch anderes zu tun: Er spricht in internen Zirkeln, mit dem hervorragenden US-Präsidenten Joe Biden – ein Haken an die transatlantischen Beziehungen. Mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der erklärt hat, er müsse oft viel Druck auf Scholz machen. Die Gespräche mit Selenskyj seien immer freundlich, von Druck nichts zu spüren, widerspricht Scholz. Und ab und zu telefoniere er mit Putin, das müsse auch jemand tun. „Es muss Leute geben, die ihm widersprechen“, erklärt Scholz. „Die wird es in seinem Umfeld kaum geben.“

Der ukrainische Soldat Anatoly Kaliman (23) wurde am 15. Tag des russischen Angriffskrieges durch eine Granate schwer verletzt. Er wurde mehrfach in Greifswald operiert und wartet nun auf eine Prothese. Bislang wurden 33 Ukrainer in Kliniken von MV behandelt, davon 31 Soldaten und zwei krebserkrankte Frauen.

Ukrainischer Soldat in deutscher Klinik: „Wir müssen Russland besiegen“

Anatoly Kaliman gehörte zu einem Aufklärungstrupp und wurde kurz nach der russischen Invasion durch eine Granate verletzt. Mehr als 30-mal wurde der Ukrainer bereits operiert und wartet in Deutschland nun auf eine künstliche Hüfte. Anschließend will der 23-Jährige wieder zurück zum Militär.

Er selbst hat mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zumindest eine Kollegin, die deutlich forscher auftritt. Zu forsch? „Nein“, sagt Scholz lächelnd. Man sei eben unterschiedlich, aber spreche sich gut ab. Und ihr Spott übers Kanzleramt auf einer Karnevalsveranstaltung in Aachen – „Ich fand den Auftritt lustig“, sagt Scholz und ist da sehr ausdrücklich so ganz anders als CDU-Chef Friedrich Merz, der über seine Partei von der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann eine Entschuldigung für deren Karnevalssprüche über ihn forderte.

Die Frage nach der Dauer des Krieges „ist eine meiner größten Sorgen“, so Scholz

Der so viel umgänglicher sich gebende Scholz hat noch für viel mehr Verständnis. Etwa dafür, wenn sich Finanz- und Wirtschaftsminister wütende Briefe schreiben. „Ich wundere mich nicht, wenn es ab und zu ein paar Geräusche gibt, wenn man so viel arbeitet“, sagt er.

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Aber das ist schon fast ein lockeres Thema gegenüber der Frage, wie lange der Krieg noch dauern wird. „Das ist eine meiner größten Sorgen, dass das ein sehr lange sich hinziehender Krieg wird“, sagt Scholz. Deutschland werde die Ukraine weiter unterstützen, „so lange es notwendig ist“.

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