NSU 2.0-Prozess: Angeklagter zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt
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Jahrelang verbreitete er Drohschreiben: Jetzt wurde Alexander M. im NSU 2.0-Prozess zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt.
© Quelle: David-Wolfgang Ebener/dpa
Frankfurt a.M. Im Prozess um die zweieinhalb Jahre lang verbreiteten Drohschreiben mit der Unterschrift „NSU 2.0“ ist das Urteil gefallen: Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat am Donnerstag den Angeklagten Alexander M. zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Die Vorsitzende Richterin Corinna Distler sprach den 54-jährigen Berliner einer Vielzahl von Vergehen schuldig, darunter der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten, der Bedrohung, Beleidigung, Nötigung, Störung des öffentlichen Friedens und Volksverhetzung. (AZ: 5/17 KLs - 6190 Js 216386/21 (24/21))
„NSU 2.0“: Angeklagter wird zu knapp sechs Jahren Haft verurteilt
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 54-jährige Angeklagte hasserfüllte Nachrichten an Personen des öffentlichen Lebens und an Behörden verschickte.
© Quelle: Reuters
Die Staatsanwaltschaft hatte für M. eine Haftstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten gefordert. Der Angeklagte wies in einem letzten Vortrag alle Vorwürfe zurück. Diese seien nicht belegt. Staatsanwaltschaft und Polizei verbreiteten Lügen, um den Verdacht auf ihn als angeblichen Einzeltäter zu lenken, sagte er. Er sei lediglich Mitglied einer rechten Chatgruppe im Darknet gewesen, habe aber keine Straftaten begangen. Er beantragte nach einem Jahr und sieben Monaten Untersuchungshaft Haftverschonung gegen geeignete Auflagen.
Mehr als 80 Drohschreiben
Zwischen August 2018 und März 2021 waren mehr als 80 Drohschreiben per E-Mail, Fax oder SMS verschickt worden. Diese waren gespickt mit wüsten Beschimpfungen und Todesdrohungen. Adressaten waren vor allem Frauen des öffentlichen Lebens, Rechtsanwältinnen, Politikerinnen, Journalistinnen, Staatsanwältinnen. Die Schreiben waren mit „Heil Hitler“ unterschrieben. Die Bezeichnung „NSU 2.0“ spielte auf die rechtsextreme Gruppe an, die von 2000 bis 2007 neun Migranten und eine Polizistin ermordete.
Vor dem Urteilsspruch hatten Empfängerinnen der Drohschreiben weitere Aufklärung gefordert. Die Ermittlungen zu den Abrufen privater Daten der Betroffenen auf Polizeicomputern müssten mit Nachdruck fortgesetzt werden, forderten Linke-Politikerinnen wie Janine Wissler und Frauen des öffentlichen Lebens, darunter die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, die als erste Drohschreiben erhielt.
Die Betroffenen gingen davon aus, dass zumindest das erste Drohfax von einem Polizisten und nicht vom Angeklagten verschickt worden sei. Die Gewerkschaft der Polizei hat diesen Verdacht zurückgewiesen.
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Grünen-Politiker: Urteil ist wichtiges Signal
Der Göttinger Grünen-Landtagsabgeordnete Michael Lühmann bezeichnete das Urteil als „wichtiges Signal im Kampf gegen rechte Bedrohungen“. Dass die Gefahr mit diesem Urteil aber nicht vorbei sei, zeige der Blick nach Niedersachsen, sagte Lühmann am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Mehrere Fälle von Drohbriefen mit NSU 2.0-Bezug im Raum Osnabrück und vor wenigen Tagen in Göttingen zeigten an, dass der Kampf gegen solche rechten Bedrohungen und Einschüchterungen eine dringliche Daueraufgabe bleibe.
RND/epd