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Täter von Deutschland aus in See gestochen?

Laut US-Geheimdienst: Proukrainische Gruppe steckt offenbar hinter Nord-Stream-Anschlägen

Das vom dänischen Verteidigungskommando zur Verfügung gestellte Foto zeigt das Nord-Stream‑2-Gasleck in der Nähe von Bornholm aus der Luft.

Das vom dänischen Verteidigungskommando zur Verfügung gestellte Foto zeigt das Nord-Stream‑2-Gasleck in der Nähe von Bornholm aus der Luft.

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Eine proukrainische Gruppe soll hinter der Sabotage der Erdgaspipelines Nord Stream 1 und 2 in der Ostsee stecken. Das berichtet die „New York Times“ unter Berufung auf Beamte des US‑Geheimdienstes. Es gebe allerdings keine Beweise, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in die Anschläge auf die Pipelines verwickelt sei. Außerdem gebe es auch keine Beweise dafür, dass die Täter auf Anweisung eines ukrainischen Regierungs­beamten gehandelt hätten. Es bestehe aber weiter die Möglichkeit, dass die Gruppe Verbindungen zur ukrainischen Regierung oder ihren Sicherheitsdiensten habe.

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Über die Täter und ihr Netzwerk sei jedoch noch nicht viel bekannt, so die US‑Beamten. „Die Überprüfung der neu gesammelten Geheim­dienst­informationen deutet darauf hin, dass es sich um Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin handelte, aber es werden keine Angaben zu den Mitgliedern der Gruppe gemacht und auch nicht dazu, wer die Operation geleitet oder bezahlt hat“, schreibt die Zeitung. Die US‑Beamten gingen aber davon aus, dass die Täter „höchstwahrscheinlich ukrainische oder russische Staatsangehörige waren oder eine Kombination aus beiden“.

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Zur gleichen Zeit veröffentlichten das ARD-Hauptstadtstudio, das ARD-Politikmagazins Kontraste, der SWR und die „Zeit“ eine Recherche, wonach eine Gruppe von fünf Männern und einer Frau eine Yacht angemietet und damit die Anschläge verübt haben sollen. Demnach bestehe die Gruppe aus einem Kapitän, zwei Tauchern, zwei Tauchassistenten und einer Ärztin, die den Sprengstoff zu den Tatorten transportiert und dort platziert haben sollen. Über die Nationalität der Täter sei nichts bekannt. Sie hätten professionell gefälschte Reisepässe verwendet, die unter anderem für die Anmietung des Bootes eingesetzt worden sein sollen. Am 6. September 2022 soll die Yacht von Rostock in See gestochen sein. Nach der Rückgabe des gemieteten Boots sei von Ermittlern Sprengstoff auf dem Tisch in der Kabine nachgewiesen worden, hieß es in den Medienberichten.

Proukrainische Gruppe steckt offenbar hinter Nord-Stream-Explosionen
ARCHIV - 27.09.2022, Dänemark, Bornholm: Das vom dänischen Verteidigungskommando zur Verfügung gestellte Foto zeigt das Nord Stream 2-Gasleck in der Nähe von Bornholm aus der Luft. Im Fall der Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 Ende September 2022 gibt es laut Medienberichten neue Spekulationen über die Täter. Laut Recherchen von ARD, SWR und der «Zeit» führen die Spuren offenbar in Richtung Ukraine. (zu dpa «Berichte: Spekulationen über Täter der Nord-Stream-Explosion») Foto: -/Danish Defence Command/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++

Im Fall der Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 Ende September 2022 gibt es laut Medienberichten neue Spekulationen über die Täter.

Viele Fragen sind laut „New York Times“ noch offen. Die Ukraine habe das einleuchtendste Motiv für den Angriff auf die Nord-Stream-Pipelines, so die Zeitung. Die Ukraine lehne das Projekt seit Jahren ab und bezeichne es als Bedrohung der nationalen Sicherheit, da es Russland ermögliche, leichter Gas nach Europa zu verkaufen.

Bunderegierung reagiert zurückhaltend

Von deutscher Seite äußerten sich die Bundesregierung und der zuständige Generalbundesanwalt auf Anfrage nicht konkret zu den Berichten. „Der Generalbundesanwalt (GBA) ermittelt seit Anfang Oktober 2022 in der Sache“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. „Zuletzt vor wenigen Tagen haben Schweden, Dänemark und Deutschland den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen darüber informiert, dass die Untersuchungen laufen und es noch kein Ergebnis gebe“, erklärte er. Der GBA wollte sich am Dienstagabend laut einer Sprecherin nicht äußern.

Der Berater im ukrainischen Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, stritt eine Beteiligung der Ukraine entschieden ab. Die Ukraine habe nichts mit dem Unfall in der Ostsee zu tun und keine Informationen über proukrainische Sabotage-Gruppen, twitterte er.

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Von US-Seite verwies der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der US-Regierung, John Kirby, auf die laufenden Ermittlungen in Deutschland und Skandinavien. „Wir glauben, dass es ein Sabotageakt war“, betonte er. Zunächst müssten die Ermittlungen beendet werden. Erst dann lasse sich über das weitere Vorgehen sprechen. Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson sagte auf einer Pressekonferenz mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, er habe keine weiteren Kommentare dazu. Stoltenberg erklärte, man wisse, dass es ein Angriff, eine Sabotage war. Es wäre falsch, vor Abschluss der Untersuchungen darüber zu spekulieren, wer dahinterstecke.

Am 26. September 2022 waren Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines verübt worden. Dabei wurden beide Röhren von Nord Stream 1 und eine der beiden Röhren von Nord Stream 2 unterbrochen. Die durch Explosionen entstandenen vier Lecks befinden sich in 70 bis 80 Metern Tiefe, in der Nähe der dänischen Ostseeinsel Bornholm und außerhalb der Hoheitsgewässer. Russland hatte Nord Stream 1 zum Zeitpunkt der Explosionen wegen angeblicher technischer Probleme abgeschaltet. Die Leitung Nord Stream 2 war wegen fehlender Zulassung nicht in Betrieb.

Die Staatsanwaltschaft Schwedens war Ende 2022 zu dem Schluss gekommen, dass die Pipelinelecks durch Sabotage vorsätzlich beschädigt wurden. Sie bestätigte damit den schon länger im Raum stehenden Verdacht. Immer wieder gab es Vermutungen, dass Russland hinter den Anschlägen stecken könnte, da es über die Fähigkeit für solche Spezialoperationen unter Wasser verfüge. Der zuständige Staatsanwalt Schwedens, der die Ermittlungen leitet, hält eine Beteiligung Russland laut „New York Times“ zwar für „nicht logisch“. Aber wie bei einem Mord müsse man „für alle Möglichkeiten offen“ sein.

Die Mitarbeiter des US-Geheimdienstes erklärten, dass die Sprengsätze „höchstwahrscheinlich von erfahrenen Tauchern platziert wurden, die nicht für das Militär oder den Geheimdienst arbeiten“. Es sei aber möglich, dass die Täter in der Vergangenheit eine spezielle staatliche Ausbildung erhalten hätten. Die neuen Erkenntnisse zu den Sprengungen der Nord-Stream-Pipelines sollen laut dem Bericht „kürzlich“ mit den europäischen Partnern erörtert worden sein, die den Fall untersuchen. Offiziell wollten sich weder eine Sprecherin der CIA, noch ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses zu der Angelegenheit äußern.

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Mit dpa

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