CDU-Außenexperte Röttgen zu Taiwan: „Wir müssen die Abhängigkeiten von China reduzieren“
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CDU-Außenexperte Norbert Röttgen: „Grundsätzlich ist der Hoheitsanspruch Chinas über Taiwan extrem gefährlich“.
© Quelle: imago images/photothek
Herr Röttgen, wie gravierend ist der Konflikt um Taiwan – und wie groß ist die Kriegsgefahr?
Grundsätzlich ist der Hoheitsanspruch Chinas über Taiwan extrem gefährlich. Alle tun gut daran, die unmissverständliche Ankündigung Xi Jinpings und der chinesischen Staatsführung, die „Wiedervereinigung“ mit Taiwan mit allen Mitteln durchzusetzen, ernst zu nehmen. Da Taiwan nicht bereit ist, sich zu unterwerfen, ist das die Ankündigung eines militärischen Konflikts.
Besteht die Kriegsgefahr auch jetzt?
Aktuell gehen die Drohgebärden über das erwartbare Pflichtprogramm chinesischer Empörung nicht hinaus. Deshalb besteht keine akute Gefahr. Allerdings sind die Drohgebärden mit Blick auf die sogenannten Militärübungen der chinesischen Marine rund um Taiwan auch nicht unerheblich. Faktisch ist das eine vorübergehende Blockade der Insel. Aber ob und wann die Chinesen Taiwan angreifen wollen, ist eine ganz andere Frage, und die werden sie nicht nach den Reiseplänen von Frau Pelosi entscheiden.
Halten Sie den Besuch Pelosis in Taiwan denn für richtig?
Chinas Drohgebärden angesichts des Besuchs von Nancy Pelosi sind völlig inakzeptabel. Dennoch ist jetzt der falsche Zeitpunkt für den Besuch. Durch den russischen Angriffskrieg gibt es zurzeit mehr als genug internationale Spannungen, und Taiwans Sicherheit ist mit einem symbolischen Besuch nicht gedient.
Wie sollte der Westen generell mit dem Taiwan-Konflikt umgehen?
Wir müssen uns unbedingt darauf einstellen, dass es zu einem Krieg kommen kann. Und das bedeutet: Wir müssen uns darauf vorbereiten. Ein Krieg würde zu einer enormen Eskalation der Spannungen vor allem im Verhältnis zwischen China und den USA sowie deren indopazifischen Verbündeten führen, allen voran Japan. Die Stabilität der gesamten Region wäre gefährdet.
Was würde das für Deutschland bedeuten?
Deutschland spielt da militärisch keine Rolle. Aber natürlich wäre ein Angriff auf Taiwan ein Unrechtsakt Chinas, und die USA würden fordern, dass es in Reaktion darauf gemeinsame Sanktionen gegen China gibt. Das wiederum würde zu massiven chinesischen Gegensanktionen gegen die EU und Deutschland führen. Uns muss bewusst sein, dass die Energieabhängigkeit von Russland ein Klacks ist im Vergleich zu der breiten Abhängigkeit strategisch wichtiger Sektoren der deutschen Volkswirtschaft: Automobil, Chemie, Pharmazie, Maschinenbau. Wir müssen diese Abhängigkeit also dringend reduzieren, und zwar bevor es zu spät ist. Das deutsche Außenwirtschaftsmodell, das auf Gewinne unter Ausblendung der geopolitischen Risiken setzt, funktioniert nicht mehr. Die Aufgabe für Politik und Wirtschaft besteht jetzt darin, neue Wachstumsfelder zu identifizieren, die uns nicht weiter in Abhängigkeiten von China führen, sondern diese reduzieren.
Uns muss bewusst sein, dass die Energieabhängigkeit von Russland ein Klacks ist im Vergleich zu der breiten Abhängigkeit strategisch wichtiger Sektoren der deutschen Volkswirtschaft: Automobil, Chemie, Pharmazie, Maschinenbau.
Norbert Röttgen, CDU-Bundestagsabgeordneter und Außenpolitiker
Außenministerin Annalena Baerbock hat die Drohgebärden gegenüber Taiwan kritisiert und gesagt: „Es kann nicht in unserem Interesse sein, wenn China zusätzlich noch ausufernde wirtschaftliche Abhängigkeiten in der Region kreiert.“ Daraufhin warnte China vor einer Einmischung in eine „innere Angelegenheit“. Liegt Baerbock richtig oder falsch?
Sie liegt grundsätzlich richtig, wenn sie China deutlich macht, wo die Europäer stehen. Der Konflikt ist keine innere Angelegenheit. In einem Punkt muss man Baerbock aber kritisieren. Dass ausgerechnet die deutsche Außenministerin die asiatischen Staaten auffordert, keine Abhängigkeiten gegenüber China einzugehen, ist unangebracht. Deutschland ist nicht in der Position, hier Ratschläge zu geben. Die Frage ist vielmehr, mit welchen Taten wir selbst unsere Solidarität mit Taiwan unterlegen. Eine außenwirtschaftliche Kurskorrektur ist das zentrale außenpolitische Gebot unserer China-Politik.
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