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Auch in der Umkleidekabine ist politisch was zu holen

Merkels Besuche bei Spielen und in der Kabine der Fußball-Nationalmannschaft haben ebenso Tradition wie Einladungen des Teams ins Kanzleramt.

Merkels Besuche bei Spielen und in der Kabine der Fußball-Nationalmannschaft haben ebenso Tradition wie Einladungen des Teams ins Kanzleramt.

Liebe Leserin, lieber Leser,

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„Fußball ist unser Leben, ja König Fußball regiert die Welt.“ Das sang die Fußball-Nationalmannschaft unter einem gewissen Franz Beckenbauer 1974 vor der WM im eigenen Land. Und siehe da: Der Gesang trug Früchte. Das Team holte nach 1954 erneut den Titel.

„Fußball ist unser Leben“ hat wohl auch der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Steffel gedacht, als er sich um das Präsidentenamt beim Bundesliga-Fastabsteiger Hertha BSC bewarb. Doch Steffel holte den Titel im Berliner Westend nicht. Den holte ein gewisser Kay Bernstein aus dem Ostberliner Stadtteil Marzahn, bekannt als sogenannter Ultra, der mehrfach Stadionverbot bekam. Damit ist die lange Geschichte von Fußball und Politik um eine Facette reicher.

Wurde kein Präsident bei Hertha BSC: Frank Steffel.

Wurde kein Präsident bei Hertha BSC: Frank Steffel.

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Bei Steffel ist ein wenig verwunderlich, dass er überhaupt antrat. Immerhin ist der 56-jährige Unternehmer kein unbeschriebenes Blatt. Legende ist Steffels Kandidatur für das Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin 2001 – nachdem die CDU der Stadt das Parteischwergewicht Wolfgang Schäuble als aussichtsreichen Aspiranten ausgebootet hatte.

Steffels Kampagne zeichnete sich durch Ungeschicklichkeiten aus. So nannte er nicht Berlin, sondern München „die schönste Stadt Deutschlands“. Bei einer Kundgebung auf dem Berliner Alexanderplatz ging Steffel hinter dem CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber in Deckung, als Eier auf die Bühne flogen. Das fanden manche lustig.

Weniger lustig war, dass Bürger in Steffels Berliner Wahlkreis Reinickendorf während des Bundestagswahlkampfes 2017 Briefe von Kanzlerin Angela Merkel erhielten – und sich später herausstellte, dass diese Briefe gar nicht von ihr stammten. In der CDU war von einem „Missverständnis“ die Rede. An ein Missverständnis mochte jedoch niemand glauben.

Merkel und der Fußball

Unterdessen lernte auch Merkel, dass sich mit Fußball Politik machen lässt. So zeigte sie sich bei Länderspielen auf Tribünen ungewohnt emotional – und stürmte sogar mal die Kabine, in der Kicker mit entblößtem Oberkörper auf sie warteten. Ihr Fraktionskollege Reinhard Grindel wiederum gab später ein unglückliches Intermezzo als DFB-Präsident.

War auch schon als Präsident des VfB Stuttgart im Gespräch: Landwirtschaftsminister Cem Özdemir.

War auch schon als Präsident des VfB Stuttgart im Gespräch: Landwirtschaftsminister Cem Özdemir.

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Bekannt wie ein bunter Hund war Gerhard Mayer-Vorfelder, Präsident des VfB Stuttgart und zeitweilig CDU-Finanzminister von Baden-Württemberg. Apropos VfB Stuttgart: Der grüne Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir war dort ebenfalls als Präsident im Gespräch. An fußballerischer Leidenschaft mangelt es ihm nicht.

Politik und der Sport: Es gibt noch mehr Beispiele

Blickt man über den Fußball hinaus auf den Sport im Allgemeinen, dürfen zwei Sozialdemokraten in der Aufzählung nicht fehlen: Der ehemalige Sportausschussvorsitzende Friedhelm Julius Beucher ist heute Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes und versieht dieses Amt, soweit man weiß, mit großer Freude. Der einstige DDR-Biathlet Frank Ullrich machte es umgekehrt. Er widmete sich erst dem Sport und dann der Politik. Ullrich ist heute das, was Beucher mal war: Vorsitzender des Sportausschusses. Als aktiver Sportler gewann Ullrich bei den Olympischen Winterspielen 1980 in Lake Placid die Goldmedaille im Sprint sowie zahlreiche Titel bei Biathlon-Weltmeisterschaften.

Nicht zu vergessen: Bernd Neuendorf. Er arbeitete als Journalist, wurde Sprecher der SPD, Staatssekretär in Nordrhein-Westfalen – und am 11. März zum neuen DFB-Präsidenten gewählt. Neuendorf gilt als einer, der den chronisch intriganten Verband aus jahrelangen Negativschlagzeilen herausbringen kann.

Silvio Berlusconi, Ex-Ministerpräsident von Italien (Archivfoto).

Silvio Berlusconi, Ex-Ministerpräsident von Italien (Archivfoto).

Manche sehen das Engagement von Politikern im Sport kritisch – zumal im Profisport, wo es um viel Geld geht. Da entsteht rasch der Eindruck eines unguten Lobbyismus, zumal wenn man wie Grindel mal DFB-Schatzmeister war und gleichzeitig dem Sportausschuss des Bundestages angehörte. Immerhin: Zwielichtige Potentaten wie Italiens Silvio Berlusconi (Ministerpräsident und Eigentümer des AC Mailand) oder Spaniens Jesus Gil y Gil (reicher Unternehmer, Bürgermeister von Marbella und Chef bei Atletico Madrid) sind Deutschland erspart geblieben.

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Über den neuen Chef von Hertha BSC, Kay Bernstein, heißt es unterdessen vereinsintern, Erfahrungen aus der Politik könnten ihm womöglich nicht schaden. Denn Meinungs- und Interessengegensätze auszutarieren, das lernt man da eben doch ganz gut.

 

Bittere Wahrheit

Nach diesem Parteitag gibt es kaum Hoffnung, dass die Linke ihren Niedergang stoppen kann.

Sahra Wagenknecht,

Bundestagsabgeordnete der Linken

Zum Parteitag der Linken nach Erfurt schaffte es Sahra Wagenknecht nicht. Sie sei krank, hieß es offiziell. Wagenknecht war für eine Attacke aus der Ferne aber offenbar nicht krank genug. Das gilt umso mehr, als ihr Kandidat für das Amt des Vorsitzenden, Sören Pellmann, krachend gescheitert ist. Der Mann aus Leipzig denkt jetzt nach eigenem Bekunden über seine Zukunft in der Linken nach. Als denkbar gilt, dass er mit Wagenknecht und anderen Partei und Fraktion verlässt, um eine neue Partei zu gründen.

Sahra Wagenknecht, ehemalige Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke.

Sahra Wagenknecht, ehemalige Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke.

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Den Satz der 52-Jährigen, wonach es „kaum Hoffnung“ gebe, „dass die Linke ihren Niedergang stoppen kann“, muss man jedenfalls genau umgekehrt lesen. Vermutlich erwartet sie nichts so sehnsüchtig wie diesen Niedergang, um aus den Trümmern des Alten etwas Neues zu bauen.

 

Wie das Ausland auf die Lage schaut

Zur Debatte über längere Laufzeiten für Atomkraftwerke schreibt der Zürcher „Tages-Anzeiger“:

„Sicher ist: Schon der Entscheid, wieder mehr Kohle zu verfeuern, schmerzt (Wirtschaftsminister Robert) Habecks Grüne außerordentlich. Würde er ihnen nun auch noch vorschlagen, die AKW weiterlaufen zu lassen, wäre die Zumutung perfekt. Immerhin stellt der Widerstand gegen die Kernkraft einen der Gründungsmythen der Partei dar.

Im Wissen darum, dass sich das Fenster bald schließt, in dem überhaupt noch über eine verlängerte Produktion von Atomstrom entschieden werden kann, setzt Habeck derzeit darauf, die Forderung einfach auszusitzen. Allerdings handelt er sich damit den Vorwurf ein, in diesem Punkt ideologischer zu agieren, als er immer behauptet. In der neusten Umfrage sprechen sich jedenfalls 61 Prozent der Deutschen dafür aus, die AKW weiter zu betreiben. Nur die Anhänger der Grünen sind mehrheitlich dagegen.“

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Zur Energiepolitik der deutschen Regierung schreibt die US-Zeitung „Wall Street Journal“:

Habeck will Kohlekraftwerke wieder in Betrieb nehmen, damit das Erdgas an die Industrie und zum Auffüllen des Speichers für den Winter umgeleitet werden kann. Das ist politisch peinlich für den Minister, der von den umweltorientierten Grünen kommt. Es ist auch nur teilweise wirksam gegen Deutschlands Energiesorgen.

Es gibt stets einen anderen Weg: die Kernenergie. Würde man die drei verbleibenden Reaktoren über ihre geplante Abschaltung Ende dieses Jahres hinaus weiter betreiben, könnte die Energielücke verringert werden, die durch importierte Kohle geschlossen werden muss. Doch Kanzler Olaf Scholz und Habeck widersetzen sich.

Ausgleich für Energiekosten: Scholz will steuerfreie Einmalzahlung vorschlagen

Bundeskanzler Olaf Scholz will eine steuerfreie Einmalzahlung durch die Arbeitgeber zum Ausgleich für die gestiegenen Energiekosten vorschlagen.

Habeck scheint immer noch zu glauben, dass er nur ein bisschen mehr Kohle verbrennen muss und Deutschland im Nirwana der erneuerbaren Energien ankommen wird, wenn Wind- und Sonnenenergie den Strombedarf des Landes decken. Derselbe Habeck erklärte unmittelbar nach dem Einmarsch (Russlands) in die Ukraine, dass es in der Debatte in Deutschland über Energiesicherheit ‚keine Tabus‘ geben werde. Offenbar gibt es jedoch immer noch eines, und das könnte sich für Europas größte Volkswirtschaft als kostspielig erweisen.“

 

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Das Autorenteam dieses Newsletters meldet sich am Samstag wieder. Dann berichtet meine Kollegin Kristina Dunz. Bis dahin!

Herzlich

Ihr Markus Decker

 

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