Neutral wie Österreich? Kein guter Deal für die Ukraine, erklärt ein Experte
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Anlässlich des österreichischen Nationalfeiertags sind am Heldenplatz in Wien eine Landesflagge und eine Flagge der Europäischen Union gehisst.
© Quelle: Florian Wieser/APA/dpa
Die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland dauern nun seit Wochen an. Russland fordert offiziell, die Ukraine solle sich „neutral“ erklären und auf einen Nato-Beitritt verzichten. Die Ukraine signalisierte indes, sie brauche im Gegenzug konkrete Sicherheitsgarantien.
Als Vorbild dafür wird aktuell auch Österreich ins Gespräch gebracht. Das EU-Land ist kein Nato-Mitglied und versteht sich selbst als „neutral“. Was das bedeutet, haben wir hier erklärt.
Für die Ukraine sei Neutralität, wie sie Österreich vorlebt, allerdings kein guter Deal, meint Osteuropa- und Militärexperte Gustav Gressel im RND-Interview. Der Staatsvertrag von Österreich sehe zwar keine Neutralität vor, es gebe allerdings ein sogenanntes Anschlussverbot. Daraus habe Russland für sich aber in Anspruch genommen, „bei jedem Waffenkauf mit reinzureden“, so Gressel.
Diese Form der Neutralität ist ein sehr schlechter Deal, den die Ukraine unbedingt ablehnen muss.
Gustav Gressel,
Militärexperte beim European Council on Foreign Relations
Die österreichische Neutralität sei laut Gressel deutlich wehrloser als die Schwedische. Der schwedische Neutralitätsanspruch innerhalb der Sicherheits- und Außenpolitik sei „viel freier und beinhaltet im Grund nur den Verzicht eines Nato-Beitritts“. So habe Schweden sonst keine Beschränkungen seiner Wehrfähigkeit und dürfe auch Waffen kaufen, so Gressel gegenüber dem RND.
Gressel bezweifelt allerdings, dass das schwedische Neutralitätsmodell für die Ukraine realistisch ist: „Die Forderung des Kremls nach einer Entmilitarisierung deutet darauf hin, dass Russland eine Neutralität der Ukraine nach schwedischem Vorbild nicht akzeptieren wird.“
Raketen treffen mitten ins Herz von Kiew
In der Nacht von Sonntag auf Montag wurde der Stadtteil Podil von Raketen getroffen. Dabei gab es nach Angaben ukrainischer Behörden mehrere Todesopfer.
© Quelle: Reuters
Angesichts der von ukrainischer Seite geforderten Sicherheitsgarantien erläutert Gressel: „Die Sicherheitsgarantien von Russland hat die Ukraine schon durch das Budapester Memorandum erhalten. Die Ukraine muss in der Lage sein, sich mit allen militärischen Mitteln selbst zu verteidigen. Alles andere sind diplomatische Worthülsen, die man nicht ernst nehmen kann.“
Budapester Memorandum
Im Budapester Memorandum von 1994 hat sich die Ukraine bereit erklärt, die noch aus der Zeit der Sowjetunion im Land stationierten Atomwaffen abzugeben. Im Gegenzug haben sich die anderen unterzeichnenden Staaten – Russland, die USA und Großbritannien – dazu verpflichtet, die territoriale und politische Integrität der Ukraine anzuerkennen und zu wahren. Russland hat gegen diese Bestimmungen bereits im Jahr 2014 mit der Annexion der Krim und der militärischen Intervention in der Ostukraine verstoßen. (Quelle: BPB)
Auch der Westen habe der Ukraine Sicherheitsgarantien beim Budapester Memorandum zugestanden, sie seien aber schwächer formuliert gewesen, so Gressel. „Jetzt könnte man diese Sicherheitsgarantien des Westens stärker formulieren.“
Man wisse aber nicht, wie sich die USA nach der nächsten Wahl verhalten und ob sie an ihrer Verteidigungszusage dann noch festhalten. „Sicherheitsgarantien ersetzen niemals eine starke ukrainische Armee, sondern können nur ergänzend vereinbart werden“, meint Gressel gegenüber dem RND.
In der Vergangenheit hatten die USA bündnisfreie Staaten bereits verteidigt, etwa 1956 Österreich. „Da hatte Russland in Ungarn den Volksaufstand niedergeschlagen und die USA haben zugesichert, einen sowjetischen Einmarsch nicht unbeantwortet zu lassen, und dementsprechend eigene Kräfte in erhöhte Bereitschaft versetzt.“