Nach Kirchengutachten: SPD will mehr Rechte und Geld für Aufarbeitungskommission

Das Plenum des Bundestags (Symbolfoto).

Das Plenum des Bundestags (Symbolfoto).

Berlin. Das Gutachten zu Fällen sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Erzbistum München und Freising hat zu einer Debatte über eine künftige Kontrolle der Katholischen Kirche gesorgt. Dabei geht es um die staatliche Beobachtung kirchlicher Kitas und Schulen, aber auch um mehr Einfluss der Parlamente durch Untersuchungsrechte.

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Der Kirchenbeauftragte der SPD-Fraktion im Bundestag, Lars Castellucci, fordert mehr Aufmerksamkeit bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. „Auch die Politik ist sehr viel stärker gefordert“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Eine Nulltoleranzstrategie erfordert, das Thema weiter aus der Tabuzone herauszuholen und alles Menschenmögliche dafür zu tun, Taten zu verhindern.“

Der SPD-Poliker versicherte, dass die Ampelkoalition die Arbeit des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs gesetzlich regeln und eine regelmäßige Berichtspflicht an den Bundestag einführen werde. „Damit ist auch die parlamentarische Begleitung des Aufarbeitungsprozesses gesichert. Insbesondere die Unabhängige Aufarbeitungskommission muss in die Lage versetzt werden, ihren Auftrag zu erfüllen, dazu müssen wir sie aufwerten und ihr die nötigen Mittel zur Verfügung stellen.“

„Kindersensible Justiz“ nötig

Wichtig sei aber auch, für eine „kindersensible Justiz“ zu sorgen. „Es ist für die Betroffenen immer schwer, oft auch erst nach vielen Jahren, die Taten öffentlich zu machen“, so Castellucci. „Sie müssen Anlaufstellen haben und bei Polizei und Justiz auf geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treffen, die mit der Thematik angemessen umgehen können.“

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Der Kirchenbeauftragte der Union im Bundestag, Thomas Rachel, bezeichnete die Ergebnisse des Missbrauchsgutachtens sowohl im Hinblick auf die abscheulichen Taten selbst als auch den kirchlichen Umgang mit diesen Taten als eine „Bilanz des Schreckens“.

„Im Mittelpunkt müssen vor allem die betroffenen Opfer des sexuellen Missbrauches stehen“, sagte Rachel dem RND. „Die Kirche hat schwere Schuld auf sich geladen und muss nun alles daransetzen, alle Verfehlungen schonungslos zu benennen, aufzuarbeiten und verantwortliche Schutz- und Präventionsmaßnahmen für die Zukunft zu etablieren.“

Behandeln wie Organisierte Kriminalität

Nach Auffassung des Strafrechtsprofessor Holm Putzke sollten die Kirchen, in denen Missbrauch eine „Never-Ending-Story zu sein scheint“ juristisch behandelt werden wie die Organisierte Kriminalität. „Die Kirchen müssen von Gesetzes wegen genauso behandelt werden wie jede andere Vereinigung, in der Verbrechen gängige Praxis sind. Für irgendeine besondere Rücksichtnahme, man kann es auch als Beißhemmung bezeichnen, besteht überhaupt kein Anlass“, so Putzke zur dpa.

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Der Jurist forderte außerdem, der Staat solle alle Kindertagesstätten und Schulen unter Beobachtung stellen, bei denen es eine Trägerschaft der katholischen Kirche gibt. Man solle sogar über einen Entzug der Trägerschaft nachdenken.

Kirche allein schafft es nicht

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, forderten mehr politische Einflussnahme. „Ich glaube nicht mehr, dass die Kirche allein die Aufarbeitung schafft“, sagte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp im Inforadio des rbb. Sie könne sich „einen Ausschuss im Parlament“ vorstellen.

Rörig fordert eine gesetzliche Verankerung der 2016 auf Bundesebene eingerichteten Aufarbeitungskommission. Dabei sollten ihr „tatsächlich Kontroll-, Beratungs- und vielleicht auch Untersuchungsrechte eingeräumt werden“.

Der Beauftragte wünscht sich mehr Einsatz gegen Missbrauch auf Bundes- und Länderebene. „Die Politik ist, wenn es um Aufarbeitung und Missbrauch im kirchlichen Bereich geht, bisher zu zurückhaltend gewesen.“

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Papst Benedikt soll sich seiner Verantwortung stellen

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck betont die individuelle Verantwortung von Kirchenleitenden. „Wir sehen heute deutlich, dass Verantwortung übernommen werden muss – und Verantwortung ist immer personal“, sagte Overbeck am Donnerstagabend in einem „ZDF Spezial“. Es sei notwendig, „dass sich auch der Vatikan, dass sich auch Papst Benedikt dazu verhält“.

Das Gutachten belastet den emeritierten Papst Benedikt XVI. schwer. In seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising ist demnach Joseph Ratzinger nicht ausreichend gegen Missbrauchstäter vorgegangen. Unter anderem ging es um die Aufnahme eines Essener Priesters in sein Bistum, der zuvor in Essen und Bottrop Jungen sexuell missbraucht hatte.

mit dpa und epd

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