„Müssen jetzt sofort etwas machen“: Drosten erwartet neue „Shutdown-Maßnahmen“ im Winter
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Der Virologe Christian Drosten sieht Deutschland bei Corona in einer „Notfallsituation“ und hält neue Kontaktbeschränkungen für denkbar. (Archivbild)
© Quelle: imago images/Reiner Zensen
Hamburg/Berlin. Der Virologe Christian Drosten sieht Deutschland bei Corona in einer „Notfallsituation“ und hält neue Kontaktbeschränkungen für denkbar. „Wir müssen jetzt sofort etwas machen“, sagte der Leiter der Virologie in der Berliner Charité am Dienstag im NDR-Podcast „Das Coronavirus-Update“ zur aktuellen Corona-Lage in Deutschland.
Dabei müsse man auch Maßnahmen diskutieren, „die wir eigentlich hofften, hinter uns zu haben“, sagte Drosten. „Wir müssen also jetzt die Infektionstätigkeit durch Kontaktmaßnahmen wahrscheinlich wieder kontrollieren - nicht wahrscheinlich, sondern sicher.“ Er schränkte allerdings auch ein, dass es juristisch schwer sein könnte, breite allgemeine Kontaktmaßnahmen durchzusetzen.
Würde man jetzt nicht mit härteren Maßnahmen reagieren, sieht Drosten auf Deutschland bis zu 100.000 weitere Todesfälle zukommen. Er betonte: „Das ist eine konservative Schätzung.“ Der Virologe erklärte seine Prognose anhand der Erfahrungen in Großbritannien, wo es eine ähnlich hohe Impfquote, aber deutlich mehr natürliche Ansteckungen und Tote gebe.
3G oder 2G reichen womöglich nicht aus
„Man könnte statt auf Kontaktbegrenzungen auf die Boosterimpfungen setzen“, sagte Drosten. „Das ist etwas woran ich auch wirklich glaube.“ Allerdings gehe das nicht so schnell. Zuerst müsse man die Ältesten zum dritten Mal impfen, um Todesfälle zu verhindern. Bei jüngeren Menschen sei der Booster „ein Rettungsanker für den Übertragungsschutz“. Langfristig müsse das „ideelle Ziel“ sein: „eine dreifach komplett durchgeimpfte Bevölkerung“.
„Wir müssen also jetzt die Infektionstätigkeit durch Kontaktmaßnahmen wahrscheinlich wieder kontrollieren - nicht wahrscheinlich, sondern sicher“, sagte der Virologe. Er erwartet einen sehr anstrengenden Winter „mit neuen, sagen wir ruhig: Shutdown-Maßnahmen“. Maßnahmen wie 3G oder selbst 2G reichten vermutlich nicht aus, um angesichts der Delta-Variante die Zahl der Infektionen genug zu senken. Der Merksatz laute: „Testung schützt vor Ansteckung nicht.“ Wer nicht geimpft sei und mit einem negativen Test zu einer Veranstaltung oder zur Arbeit gehe, könne sich dort anstecken, weil auch Geimpfte das Virus weitergeben können.
2G schließe zwar die „Hintertür“ der Testmöglichkeit, habe aber den Nachteil, dass sich die Kontakte ins Private verlagerten. Da auch Geimpfte den Erreger weitergeben können, „wird das Virus zu denen einfach nach Hause kommen“.
„Wir müssen die Impflücken schließen“
Drosten ist der Ansicht, „dass die Vorschläge, die politisch auf dem Tisch liegen, genau da nicht wirken, wo unsere Sorgenzonen in der Gesellschaft sind“. Die jüngsten Beschlüsse in Bayern oder Sachsen sind seiner Einschätzung nach „keine Garantie, dass das wirklich dazu führt, dass dieser Inzidenzanstieg durchbrochen wird“.
Der Vorschlag, Geimpfte wie Ungeimpfte regelmäßig zu testen, sei „logistisch gar nicht zu bewerkstelligen“. Tests wieder kostenlos anzubieten sei prinzipiell nicht falsch, es werde aber „als Notbremse hingestellt, und das wird es in keinem Fall sein“.
Man müsse der Bevölkerung klar machen, „dass es sehr ernst ist im Moment“, sagte Drosten. „Wir sind in einer schlechten Situation: Wir haben 15 Millionen Leute, die eigentlich hätten geimpft sein könnten und die geimpft sein müssten.“ Der Weg aus der Pandemie sei klar: „Wir müssen die Impflücken schließen.“
RND/sic/dpa