Münchner Sicherheitskonferenz: Wo Olaf Scholz lieber mal alle warnt
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Bundeskanzler Olaf Scholz warnt auf der Münchner Sicherheitskonferenz vor einem Krieg in Europa.
© Quelle: Getty Images
München. Olaf Scholz wählt drastische Worte, in alle Richtungen: „In Europa droht wieder ein Krieg“, sagt er. „Das Risiko ist alles andere als gebannt.“
Wenige Tage erst ist es her, seitdem der Kanzler in Moskau mit Russlands Staatspräsident Wladimir Putin gesprochen hat. Russland hatte am selben Tag angekündigt, mit dem Truppenrückzug von der ukrainischen Grenze zu beginnen. Nun steht Scholz auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Es ist sein erster Auftritt dort, eigentlich ist es eine Möglichkeit, seine sicherheitspolitischen Vorstellungen auszubreiten. Aber zunächst geht es um den aktuellen Konflikt.
Russland hat seine Teilnahme an der Konferenz abgesagt, Putin hat ein Manöver angesetzt und US-Präsident Joe Biden hat wenige Stunden zuvor erklärt, er erwarte jederzeit einen Angriff auf die Ukraine – und zwar nicht wie bisher nur auf den Osten des Landes, sondern auch auf die Hauptstadt Kiew.
Olaf Scholz bleibt zunächst beim Erwartbaren: „Eine militärische Aggression gegen die Ukraine wäre ein schwerer Fehler“, sagt er und warnt vor schweren Sanktionen. „Jede Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine wird hohe Kosten haben.“ Das Reizwort Nord Stream 2 kommt ihm nicht über die Lippen. Aber er dekliniert noch einmal herunter, wie er die russische Positionierung sieht: Der Aufmarsch von über 100.000 russischen Soldaten an der ukrainischen Grenze sei „durch nichts gerechtfertigt“. Und dass Russland die mögliche Nato-Mitgliedschaft der Ukraine zum „Casus belli“, zum Kriegsgrund, erhoben hat, sei paradox. Schließlich stehe diese Entscheidung nicht an.
Scholz gibt ruppige Antworten
Wohl überlegte Sätze sind all das in seiner Rede, dann kommen Fragen und der Ton wird etwas ruppiger. Auf die Frage eines US-Senators antwortet Scholz mit einer Schilderung seines Gesprächs mit Putin. Der Präsident argumentiere, im ukrainischen Donbass gebe es einen Völkermord. „Lächerlich“ sei das, sagt Scholz. Zu einem Artikel Putins, in dem dieser die Rolle Russlands mit Blick auf die Geschichte beschrieben hat, hat er zuvor bereits angemerkt: „Putin hat sich als Historiker betätigt und Texte geschrieben.“
Spöttisch klingt das und fast ein wenig herablassend, vielleicht liegt das auch daran, dass Scholz auf englisch antwortet, flüssig, aber etwas weniger blumig als auf deutsch ist er da oft unterwegs. Wenig später ergänzt er mit Blick auf Putin: „Würden wir ihn beim Wort nehmen, würde uns das nicht optimistisch in die Zukunft blicken lassen. Ich weigere mich, das zu tun.“ Mit einem Blick in die Geschichtsbücher könnten schließlich viele Grenzen immer wieder in Frage gestellt werden, sagt Scholz. Das allerdings sei nicht hilfreich: „Der Frieden in Europa kann nur gewahrt werden, wenn Grenzen nicht verschoben werden.“
Scholz spricht Nato- und EU-Reformen an
Die große Krise überlagert, dass Scholz eine Reform von EU und Nato anmahnt. Seine Vorgängerin Angela Merkel ist oft dafür kritisiert worden, bei diesen Themen zu wenig Ideen zu entwickeln und Frankreich die Bühne zu überlassen. Scholz umreißt seine Ideen in groben Strichen: EU und Nato müssten sich „auf neue Risiken einstellen“ – auf den Klimawandel, den Missbrauch des Cyberspace und Gesundheitsrisiken. Die dafür nötigen Fähigkeiten müssten bereitgestellt werden.
„Das gilt auch für Deutschland“, sagt Scholz und irgendwie scheint das so amüsant zu sein: Der Kanzler schmunzelt leicht. Er betont die europäische Souveränität, die aber die Bedeutung der USA als „Gravitationszentrum“ nicht mindere. „Macht unter Mächten“ müsse Europa sein. Die Atomverhandlungen mit dem Iran seien ein gutes Beispiel, was Europa erreichen könnte. Und mit anderen Großmächten wie China und Russland könne man an wichtigen Themen wie dem Klimawandel kooperieren, ohne unkritisch werden zu müssen.
Für die USA betont US-Vizepräsidentin Kamala Harris anschließend den Wert des gemeinsamen Agierens. Auch sie warnt Russland vor einem Angriff auf die Ukraine. Bundeskanzler Scholz hat bei seinem Auftritt davor gewarnt, sich über mögliche Szenarien allzu sicher zu sein. „Wer sich hinstellt und prognostiziert, wie es sein wird, leidet unter einem Hybrisvirus.“ Es ist die Frage, ob Harris und Biden sich da auch angesprochen fühlen. Scholz sagt zur Sicherheit an die USA, an die EU, an die Nato: „Lassen sie uns zusammenbleiben.“ In englisch, und in deutsch.