Milliardengrab Bundeswehr: die lange Pannenliste bei Panzern, Munition und Co.
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Zwei Kampfpanzer Leopard 2 A6 und ein Puma-Panzer der Bundeswehr bei einer Übung (Symbolbild).
© Quelle: Getty Images
Erst hochgelobter „Quantensprung“, nun neuster Punkt auf der langen Mängelliste der Bundeswehr: Mit den Puma-Panzern wollte die schnelle Eingreiftruppe der Nato VJTF (Very High Readiness Joint Task Force) im kommenden Jahr ihre Einsatzfähigkeit gegenüber Putin demonstrieren. Nach Schießübungen war jedoch keines der 18 Fahrzeuge noch einsatztauglich. Zentrales Problem: die Elektronik.
Nun hat Verteidigungsministerin Lambrecht entschieden, die geplante Nachbeschaffung vorerst auf Eis zu legen. Stattdessen soll die Bundeswehr für VJTF mit Panzern vom bewährten, aber auch durchaus betagten Typ Marder aus den Siebzigerjahren ausgestattet werden. Wie es für die Pumas weitergeht, ist offen. Die Hersteller haben angekündigt, alle defekten Fahrzeuge bis Jahresende reparieren zu wollen. Diese Einschätzung beruht bisher allerdings auf Informationen der Bundeswehr zum Zustand der Panzer – die Unternehmen haben sich selbst noch kein Bild von den defekten Systemen gemacht.
Der neuste Komplettausfall der Hightechpanzer, die erst im vergangenen Jahr für einsatztauglich erklärt wurden, ist ein weiteres Beispiel für den desolaten Zustand der Bundeswehr. Auch von den Leopard-2-Panzern waren 2017 nicht mal 40 Prozent der angeschafften Exemplare einsatzfähig (95 von 244). Damit ließe sich nicht einmal eine Panzerdivision füllen. Die Gründe dafür sind altbekannte Mängel, allen voran der Ersatzteilmangel.
Unpräzise Gewehre, mangelnde Munition
Das Standardgewehr deutscher Soldaten, das G36 von Heckler & Koch, musste 2015 nach jahrzehntelanger Nutzung ausgemustert werden, weil „Präzisionsmängel“ festgestellt wurden. Genauer gesagt: Wenn sich das Sturmgewehr zum Beispiel durch Sonne oder durch mehrere Schüsse hintereinander erwärmt, trifft es nicht mehr da, wo es soll. Im Gutachten heißt es: Die „Ersttrefferwahrscheinlichkeit“ sinkt auf 7 Prozent. Für den Hersteller Heckler & Koch ein Imageschaden, auch wenn ein Gericht in Koblenz 2016 urteilte, dass die Standardwaffe der Bundeswehr gemessen an den vertraglichen Anforderungen keine Mängel aufweise. Im Prinzip also: Die Bundeswehr hat bekommen, was sie bestellt hat.
Ersetzen soll das G36 das HK416 A8 ebenfalls von Heckler & Koch. Die Auswahl eines neuen Herstellers inklusive Rechtsstreit mit einem unterlegenen Konkurrenten dauerte bis Juni dieses Jahres – zehn Jahre nachdem erstmals Mängel bemerkt wurden. Bis das HK416 A8 aber nun tatsächlich G36 vollständig als Standardgewehr der Bundeswehr ersetzt, wird es noch dauern. Die sogenannte Einsatzerprobung durch die Bundeswehr steht noch aus. Eine Tauglichkeitsprüfung, die der Puma-Panzer erst im vergangenen Jahr bestand – und die nun wieder revidiert werden muss.
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Ein Soldat der Bundeswehr steht mit einem Sturmgewehr vom Typ G36 im Norden Malis.
© Quelle: dpa
Auch in Sachen Munition steht Deutschland schlecht da: Eigentlich sollen Armeen der Nato-Staaten für 30 Kampftage Munition vorhalten. Deutschland kommt wohl höchstens auf zwei Tage. Das Loch im Munitionsdepot lässt sich teilweise erklären durch Lieferungen an die Ukraine, aber auch durch nicht getätigte Bestellungen.
Beobachter gehen davon aus, dass der Bund bis zu 30 Milliarden Euro in neue Munition investieren müsste – wenn keine Munition mehr in die Ukraine geliefert werden würde.
Soldaten fehlt Winterausrüstung
Anfang dieses Jahres machte die Bundeswehr zudem mit mangelnder Ausrüstung an der Front Schlagzeilen: Soldaten, die im kalten Litauen auf dem Militärstützpunkt Rukla stationiert sind, fehlten dicke Jacken und Unterwäsche.
Die Wehrbeauftragte Eva Högl kritisierte den mangelnden Kälte- und Nässeschutz und ergänzte, Ähnliches habe sie bereits in Afghanistan, Mali und Niger erlebt. „Ich bin darüber ziemlich schockiert, weil mir immer gesagt wurde, im Einsatz sei alles vorhanden“, sagte sie dem Sender NTV. Die Ausrüstung sei reserviert für die schnelle Eingreiftruppe der Nato.
Scholz äußert sich zur fehlenden Munition bei der Bundeswehr
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich in der Debatte um fehlende Munition hinter Verteidigungsministerin Christine Lambrecht gestellt.
© Quelle: Reuters
Millionenschwere Investition ein Fall für das Museum
Auch in der Luft und im Wasser hakt es bei der Bundeswehr: Die hochmoderne U-Boot-Flotte, bestehend aus sechs Fahrzeugen des Typs U35, fiel 2017 wegen Reparaturarbeiten zeitweise komplett aus. Fehlende Ersatzteile verzögerten auch hier die Instandsetzung.
Bei der „Gorch Fock“, dem Marineschulschiff der Bundeswehr, verschätzte man sich mit den Reparaturkosten um ein Vielfaches: Statt 10 Millionen Euro kostete die Instandsetzung schließlich 125 Millionen. Auch die Fregatte F125 kam nicht nur mit mehrjähriger Verzögerung, sondern kostete laut dem 15. Rüstungsbericht des Verteidigungsministeriums zudem mehr als 1,2 Milliarden Euro mehr als ursprünglich vom Parlament beschlossen.
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125 Millionen Euro Reparaturkosten statt 10 Millionen: die „Gorch Fock".
© Quelle: Jerzy Muszynski/dpa(Archivbild)
Anders als die „Gorch Fock“, die nun wieder fährt, bleibt für die gescheiterte Superdrohne „Euro Hawk“ nur ein Platz im Museum übrig. Nach zehn Jahren und einer stolzen Summe von 300 Millionen Euro stoppte das Verteidigungsministerium das Projekt – insbesondere, um noch mehr Kosten zu verhindern. Nun hat die Riesendrohne am Standort Gatow des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr ihren Platz als wohl teuerstes Exponat gefunden.
Pannengerät bei der Luftwaffe
Auch beim Kampfjet Eurofighter waren 2018 lediglich vier von damals 128 Flugzeugen einsatzbereit, weil es zu einem Engpass bei der Lieferung eines Ersatzteils kam. Aktuell ist die Flotte eingeschränkt, weil bei 40 Prozent der nunmehr 140 Kampfjets Probleme mit dem Schleudersitz festgestellt wurden.
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Ein Eurofighter EF2000 der deutschen Luftwaffe steigt aus der RAF Fairford im Vereinigten Königreich auf.
© Quelle: IMAGO/StockTrek Images
Andere Transportflugzeuge, wie der A400M, waren lange kaum flugfähig. Der Marinehelikopter vom Typ NH90 darf nicht übers Meer fliegen – obwohl ein Einsatz über Nord- und Ostsee die Hauptaufgabe wäre, berichtete 2015 das Magazin „Der Spiegel“. In dem Bericht zu den Hauptwaffensystemen, den das Verteidigungsministerium im Januar dieses Jahres vorstellte, wird die Einsatzbereitschaft des NH90 weiter als deutlich zu niedrig eingestuft. Zentrale Herausforderung seien unverändert „das sehr komplexe Wartungs- und Inspektionssystem sowie die Umrüstungsmaßnahmen zur Harmonisierung der Bauzustände (sogenannte Retrofit-Programme)“. Australien habe inzwischen die Nase voll von dem Gerät, Norwegen wolle gar sein Geld zurück, hieß es damals in den Medien. Die Bundeswehr aber halte an dem Hubschrauber fest.
Der Kampfhubschrauber Tiger sei auch eine Dauerbaustelle. „Tolles Gerät – wenn er fliegt“, heißt es aus der Truppe. Aber die Einsatzbereitschaft wird im Bericht auf „unbefriedigendem Niveau“ verzeichnet. Selbst bei den Inspektionen hapert es: „Mit der vollständigen Beseitigung des Staus ist aber nicht vor Ende 2026 zu rechnen.“ Überlegt wird, wie man ihn gesichtswahrend aus dem Dienst nehmen kann. Mit neuen Schiffen der Marine oder auch mit dem Transportflugzeug A400M von Airbus ließe sich die Liste unerfüllter Zusagen fortsetzen.
Mit Material der dpa