Ein Krieg in Kältestarre: Warum der Winter eher den Russen hilft
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/OQAKHXQME5CDDP33H3LRXZ3AQQ.jpeg)
Ukrainische Soldaten schießen auf russische Stellungen an der Frontlinie an einem ungenannten Ort in der Region Donezk.
© Quelle: Roman Chop/AP/dpa
Wie ein Eispanzer scheint die Winterkälte alle militärischen Operationen im Krieg zwischen den russischen Aggressoren und den ukrainischen Verteidigern gestoppt zu haben, abgesehen von russischen Attacken auf die Infrastruktur. Für den Militärexperten und ehemaligen Nato-General Hans Lothar Domröse hilft das vor allen den zuletzt schwer unter Druck geratenen Russen: „Der Winter hat Russland immer geholfen“, äußert er gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Sie verfügen über größere menschliche Reserven, schon wird über eine zweite Mobilisierungswelle gemunkelt.
Hans-Lothar Domröse
Militär-Experte
„Sie verfügen über größere menschliche Reserven, schon wird über eine zweite Mobilisierungswelle gemunkelt, aber ihnen steht auch mehr Kriegsmaterial zur Verfügung. Die Menge an einfachen Drohnen, die offensichtlich der Iran liefert, macht den Unterschied: Das überfordert irgendwann auch die effektivste Flugabwehr“, so Domröse zum RND, „viele Hasen sind des Igels Tod.“
Daran ändert auch nicht, dass das russische Militär nach Angaben des unabhängigen Portals Oryx seit Beginn des Überfalls knapp 8500 militärische Fahrzeuge und anderes Kriegsgerät verloren hat. Allein 1570 Panzer sind demnach zerstört, beschädigt oder erobert worden. Zum Vergleich: Die Bundeswehr gibt einen Bestand von 266 Kampfpanzern an.
Furchtbare Attacken auf die Infrastruktur
Trotz dieser dramatischen Verluste Russlands – als ein großes Manko für die Ukraine könnten sich die furchtbaren Attacken auf die Infrastruktur des angegriffenen Landes erweisen, befürchtet der pensionierte Berufssoldat. „Das kann die Bevölkerung zermürben und schafft auch für die Soldaten eine schwierige Situation, wenn der Strom über lange Zeit ausfällt und es keine Möglichkeit gibt, sich aufzuwärmen. Das ist eine teuflische Strategie Russlands“, so Domröse.
Norbert Röttgen: „Ein solches Jahr hat es seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht gegeben"
Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen resümiert im Bundestag das Jahr 2022 und spricht über zwei einschneidende Ereignisse des Jahres.
© Quelle: RND
Vieles hängt daher jetzt von der Bereitschaft des Westens ab, flexibel und die Bedürfnisse berücksichtigend zu helfen: „Die angekündigten neuen Waffenlieferungen – das Patriot-Flugabwehrsystem aus den USA sowie Mig-29 aus der Slowakei – können hier für Kiew eine neue Situation schaffen. Das Problem ist, dass Kiew in dieser Frage sehr abhängig von der Hilfsbereitschaft des Auslands ist. Russland kann da besser planen, es kennt die eigenen Möglichkeiten und hat offensichtlich mit dem Iran den steten Zufluss von Drohnen und Raketen vereinbart.“
Das modernste System zur Bekämpfung von Flugzeugen
Patriot („Phased Array Tracking Radar to Intercept on Target“) ist das modernste System zur Bekämpfung von Flugzeugen, taktischen ballistischen Raketen und Marschflugkörpern. Die Patriot-Raketenabwehr amerikanischer Bauart wird auch von Deutschland genutzt. Die Reichweite der Flugabwehrraketen beträgt nach Angaben der Bundeswehr etwa 68 Kilometer. Die Startvorrichtung kann bis zu acht Lenkflugkörper tragen.
Das dazugehörige Radar könne bis zu 50 Ziele gleichzeitig beobachten und Abwehrmaßnahmen gegen fünf Ziele starten – die Möglichkeiten der frühen Bekämpfung von Luftattacken macht den strategischen Vorteil aus. CNN hatte am Dienstag berichtet, dass die US-Regierung die Lieferung des Systems plane. Das ausstehende Okay des Verteidigungsministers Lloyd Austin gilt als Formsache.
Die ukrainischen Streitkräfte haben keine andere Wahl, sie müssen die Russen beschäftigen.
Hans-Lothar Domröse,
Militär-Experte
Das US-Magazin Forbes berichtet über Anzeichen einer neuen, der mittlerweile vierten ukrainischen Rückeroberungsoffensive. In Vorbereitung dieser wurde bereits eine für den Nachschub wichtige Straßenbrücke zwischen der Stadt Melitopol und dem benachbarten Vorort Kostjantynіwka mit Himars-Raketenwerfern zerstört. Melitopol soll auch laut Forbes auch Ziel der Offensive sein, um so die Landverbindung zur annektierten Halbinsel Krim abzuschneiden. „Die ukrainischen Streitkräfte haben keine andere Wahl, sie müssen die Russen beschäftigen“, ist Ex-General Domröse überzeugt.
Lage in der Ukraine nach gezielten Angriffen auf Stromnetz „schwierig“
Russische Truppen hatten Odessa in der Nacht zum Samstag mit einer Welle iranischer Kampfdrohnen angegriffen.
© Quelle: dpa
„Jede militärische Pause hilft den Russen, ihre geschwächte und dezimierte Armee zu regenerieren“, so der Militärexperte zum RND. Allerdings ist er eher skeptisch, was die Erfolgsaussichten einer solchen Offensive betrifft: „Es ist aus militärischer Sicht äußerst schwierig, an dieser Stelle in die 1000 Kilometer langen Frontlinie eine mindestens 100 Kilometer breite Bresche von 120 Kilometern Länge zu schlagen und diese dann auch noch an den Flanken abzusichern. Unmöglich ist das nicht, aber mit den vorhandenen ukrainischen Kräften und der Ausrüstung eher unwahrscheinlich“, so Domröse.
Hilfe der Partner überlebenswichtig
Hier ist auch Deutschland gefragt. Bisher wird die Ukraine von rund 50 Ländern militärisch unterstützt. Domröse: „Wir müssen endlich unsere Verantwortung für R2P, was ‚responsibility to protect‘ bedeutet, also ,Verantwortung für die Verteidigung, entschieden wahrnehmen, sonst kann die Ukraine den Krieg nicht überleben“, so Domröse, „und dazu gehört eben auch die Lieferung von Waffen wie modernen Panzern, die Operationen wie die oben beschriebene überhaupt erst möglich machen“.