Tod des letzten Sowjet-Präsidenten

Warum Gorbatschow für Chinas Staatschef Xi Jinping ein abschreckendes Beispiel war

Michail Gorbatchow, hier mit seiner Frau Raissa bei einem Besuch in China.

Michail Gorbatchow, hier mit seiner Frau Raissa bei einem Besuch in China.

Peking. In China ist die Anteilnahme an Michail Gorbatschows Tod äußerst verhalten. Mehr noch: Das Ableben des 93-Jährigen wird mit einer gehörigen Portion Häme und Schadenfreude kommentiert.

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Hu Xijin, einer der führenden politischen Publizisten des Landes, bezeichnet Gorbatschow auf seinem Twitter-Account als „einen der umstrittensten Staatsführer der Welt“: Er habe im Westen große Anerkennung erlangt, indem „er die Interessen seines Heimatlandes verkaufte“. Zudem sei er dafür verantwortlich, dass auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion – darunter Tschetschenien, Georgien und Ukraine – weiterhin „Kriege ausbrechen“.

In China schlägt Gorbatschow Verachtung entgegen

Noch gehässiger äußern sich die Staatsjournalisten innerhalb der chinesischsprachigen Onlineplattformen. Gorbatschow verdiene lediglich „Verachtung“, schreibt der Kommentator Wuwei Li an seine immerhin knapp 900.000 Follower auf Weibo: Er war ein lahmer, inkompetenter, feiger Politiker“, der für China als „abschreckendes Beispiel“ dient. Man könne ihn für diese Lehre nur „danken“. Wuweis zynische Botschaft an den ehemaligen sowjetischen Präsidenten lautet: „Gute Reise!“

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December 8, 2017 - Sabetta, Russia - Russian President Vladimir Putin pushes the button to load the first tanker during the official launch of the Yamal LNG plant and export facility December 8, 2017 in Sabetta, Russia. The $27 billion dollar liquified natural gas facility in the Siberian Arctic is expected to help propel Russia into the top exporter of LNG competing with Qatar

Putin und das Gas: Er drückt wieder den Angstknopf

Erneut setzt Russland die ohnehin schon gedrosselten Gaslieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 ganz aus. Für ein paar Tage nur, versichert Moskau. Doch in Deutschland und Europa wächst die Sorge, dass die Energieversorgung ins Wanken gerät. Dabei hat der Kremlherr nicht alles in der Hand.

Von „historischer Sünder“ über „Verräter“ bis hin zu „Mörder der kommunistischen Partei“: Das chinesische Netz ist gefüllt mit negativen Superlativen über den ehemaligen sowjetischen Führer. Doch Fakt ist: Kaum ein Staatsapparat hat die Causa Gorbatschow derart sorgfältig studiert wie die Parteikader der Volksrepublik.

Xi Jinping wurde vom Niedergang der Sowjetunion geradezu traumatisiert

Insbesondere Staatschef Xi Jinping wurde vom Niedergang der Sowjetunion geradezu traumatisiert. Zu Beginn des Jahres 2013, nur kurz nach seinem Amtsantritt, sprach der heute 69-Jährige in einer geheimen Rede darüber, dass er „historischen Nihilismus“ und „ideologische Verwirrung“ für den Fall der SU verantwortlich machte. Die KPSU habe es versäumt, ihre Führer Lenin und Stalin in Ehren zu halten. Schuld daran war Gorbatschow, der westliche Demokratiereformen ins Land brachte.

Xi schwor sich damals, jene „Fehler“ nicht zu wiederholen – und zog bereits in den ersten Jahren als Staatschef die ideologischen Zügel so eng wie seit der Herrschaft von Staatsgründer Mao Zedong nicht mehr. Seine Parteikader verdonnerte er zudem dazu, den Untergang der Sowjetunion – als abschreckendes Beispiel – genauestens zu studieren.

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Doch für Chinas einst lebendige Zivilgesellschaft war Gorbatschow ganz im Gegenteil ein regelrechter Hoffnungsschimmer. Als der Russe im Mai 1989 nach Peking reiste, demonstrierten dort die Studenten am Tiananmen-Platz gerade gegen Korruption und für mehr politische Mitbestimmung. Damals sagte der Staatsgast in einer bemerkenswerten Rede: „Wirtschaftliche Reformen werden nicht funktionieren, solange sie nicht von einer radikalen Transformation des politischen Systems unterstützt werden“.

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Viele ranghohe westliche Politiker sind ob des Konfliktes um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit Einreiseverboten belegt.

Die offizielle Reaktion auf Gorbatschows Tod aus Peking fiel knapp aus

Doch Chinas Staatsführung unter Wirtschaftsreformer Deng Xiaoping entschied sich bekanntermaßen für einen anderen Weg: Die Protestbewegung wurde mit Panzern und Soldaten blutig niedergeschlagen.

Dementsprechend knapp fiel am Mittwoch die offizielle Reaktion des Pekinger Außenministeriums aus. Gorbatschow habe einen „positiven Beitrag zur Normalisierung der Beziehungen zwischen China und der Sowjetunion geleistet“, ließ Sprecher Zhao Lijian nüchtern ausrichten: „Wir sprechen seiner Familie unseren Beileid zu seinem krankheitsbedingten Tod aus“.

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