Zu Besuch in ihrem früheren Zuhause Templin

Eine Altkanzlerin fährt Bus

Altkanzlerin Angela Merkel (CDU, l.) hat im Vierersitz Platz genommen.

Altkanzlerin Angela Merkel (CDU, l.) hat im Vierersitz Platz genommen.

Ein Tross an Menschen posiert für ein Gruppenfoto. Alle wollen mit aufs Bild. Dann steigen sie in einen grünen Bus ein. Jetzt steht eine knapp 30-minütige Fahrt vom Marktplatz durch Templin (Brandenburg) an. An einem normalen Tag würden zu dieser Zeit sicher auch Menschen im Bus sitzen, die von der Arbeit nach Hause kommen, noch einkaufen gehen müssen oder eine Verabredung haben.

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Doch an diesem Freitagnachmittag ist alles anders: Unter den von der Stadt eingeladenen Fahrgästen ist Altkanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie setzt sich nach vorne auf einen Vierersitz, Maske auf dem Gesicht. Ihr gegenüber sitzt der Bürgermeister von Templin, der Linken-Politiker Detlef Tabbert.

Auch Grünen-Politiker Michael Kellner, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, war vor Ort. Er hat seinen Wahlkreis in der Uckermark.

Auch Grünen-Politiker Michael Kellner, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, war vor Ort. Er hat seinen Wahlkreis in der Uckermark.

Angela Merkel fährt mit einem Bürgermeister von der Linkspartei Bus. Was ist denn hier los, könnten sich manche in der CDU fragen. Doch Templin hat etwas zu feiern, und Merkel möchte dabei sein: Die Stadt in der Uckermark feiert das 25-jährige Jubiläum des fahrscheinfreien und sehr günstigen Verkehrs.

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Er wurde Ende 1997 in der 16.000-Einwohner-Stadt eingeführt, mit dem Ziel, die Kurgebiete mit der Altstadt zu verbinden. Zunächst war das Angebot kostenlos, nun zahlen die Einwohner nur rund 44 Euro im Jahr für die Nutzung des Verkehrs. Mit einer sogenannten Bürgerkarte können die Einwohner den Nahverkehr nutzen, ein extra Busticket ist nicht mehr nötig. Statt lediglich 40.000 Fahrgäste verzeichnet die Stadt nun mehr als 200.000 Fahrgäste im Jahr. Ein Erfolg für die Stadt, auf den die Kommunalpolitiker mit Angela Merkel – Ehrenbürgerin von Templin – anstoßen wollen.

Vielen Terminen sagt die frühere Kanzlerin nicht mehr zu seit dem Ende ihrer Amtszeit, außer es handelt sich um einen Wohlfühltermin. So nannte sie das selber vor einigen Monaten. Die Feier in kleiner Runde in Templin ist einer dieser Wohlfühltermine. Angela Merkel hat ihre Kindheit und ihre Schulzeit in Templin verbracht. Seit 2019 ist sie Ehrenbürgerin der Stadt, auch auf Betreiben von Bürgermeister Tabbert. Merkel und er kennen sich schon lange. Tabbert, der seit mehr als zehn Jahren Bürgermeister ist, kannte auch ihre Eltern.

Merkel ist öfter zu Besuch in Templin

Als sie am Freitag in Templin ankommt, geht sie direkt nach der Begrüßung zum Gurkenstand auf dem Marktplatz – einmal „Hallo“ sagen. Mit Tabbert isst sie zwei Gurken, die schmecken „sehr gut!“ Einige Templiner freuen sich richtig, dass Merkel da ist. Zwei ältere Damen klatschen sogar. Merkel sei des Öfteren in der Uckermark, auch in Templin, erzählen sich die Schaulustigen auf dem Marktplatz stolz.

Auf eine Gurke mit der Altkanzlerin: Angela Merkel (CDU) und Bürgermeister Detlef Tabbert (Linke) bei dem Gemüsestand.

Auf eine Gurke mit der Altkanzlerin: Angela Merkel (CDU) und Bürgermeister Detlef Tabbert (Linke) bei dem Gemüsestand.

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Für Merkel ist es auch ein Wohlfühltermin, weil sie sich an diesem Tag keine kritischen Fragen von den Kommunalpolitikern stellen lassen muss. Um ihre Russland-Politik geht es nicht, auch nicht um die verschlafene Energiewende während ihrer Amtszeit. Es ist wohl auch nur ein Zufall, dass auf dem grünen Bus Werbung der PCK-Raffinerie in Schwedt steht, die seit dem Lieferstopp von russischem Öl massiv unter Druck steht. Doch damit hat Merkel nichts mehr zu tun, seit sie das Kanzleramt verlassen hat.

Was kommt nach der Merkel-Raute? Die CDU sucht einen neuen Vorsitzenden.

Schafft sie das?

Kritiker sagen: Angela Merkel trägt Verantwortung für so gut wie alle Probleme, die uns heute plagen. Gelingt es der früheren Kanzlerin, ihr historisches Erbe zu hüten, oder wird sie demontiert?

Bei ihrem Grußwort im Rathaus – in dem sie übrigens laut eigenen Angaben noch nie war – betont sie, sie trage ja keine politische Verantwortung mehr. Dennoch sagt sie, die Templiner würden aufatmen, wenn es auch eine bessere direkte Anbindung nach Berlin geben würde. In Templin sei „Pionierarbeit“ geleistet worden. Ihre Mutter habe ihr damals von dem Projekt erzählt.

Der Bus mit der PCK-Aufschrift.

Der Bus mit der PCK-Aufschrift.

Während Merkel in Templin den günstigen Nahverkehr feiert, ringt die Ampelkoalition mit den Ländern über das Nachfolgeangebot für das 9-Euro-Ticket. Der Startpreis von 49 Euro pro Monat ist klar, doch wann das Ticket eingeführt werden soll, ist unklar. Bezug darauf nimmt sie nicht. Doch sie stellt die Frage in den Raum, wo man in Deutschland ähnliche Schritte wie die Templiner gehen könnte. Eine Bürgerkarte dürfte sie allerdings nicht haben. Das sei ihre erste Fahrt mit einem Bus in Templin gewesen, wie sie verrät.

Zur Feier des Tages spielt noch ein Pianist zwei Lieder – unter anderem auch „Für mich soll‘s rote Rosen regnen“ von Hildegard Knef. Es ist eines ihrer Lieblingslieder. Als sie die Melodie erkennt, muss sie breit lachen. Wohlfühltermin halt.

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