Merkel nach Bund-Länder-Beratungen: „Wir werden mit einem neuen Virus leben“
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Bundeskanzlerin Angela Merkel.
© Quelle: imago images/IPON
Berlin. Bund und Länder haben sich angesichts der Gefahr durch Corona-Mutationen auf eine Verlängerung des Lockdowns bis zum 7. März geeinigt. Die Zeitspanne von jetzt bis Mitte März sei mit Blick auf die Ausbreitung der Mutationen „existenziell“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten am Mittwochabend. Es solle alles dafür getan werden, um nicht in eine „Wellenbewegung hoch und runter, auf und zu“ zu kommen. Bei Öffnungsmaßnahmen müsse genau beobachtet werden, welcher Schritt was für die Entwicklung der Fallzahlen bedeute.
Die Kanzlerin warnte vor einer dritten Welle. Der Grund seien die verschiedenen Varianten des Virus. Deshalb müsse man weiter vorsichtig sein. Die Mutation sei eine „Realität“. „Sie wird die Oberhand gewinnen. Das alte Virus wird verschwinden. Wir werden mit einem neuen Virus leben. Und dieses neue Virus und sein Verhalten können wir noch nicht einschätzen“, sagte Merkel.
Welche Corona-Beschlüsse gefasst wurden
Merkel sagte, die verhängten Maßnahmen zeigten Wirkung. Die Zahl der Neuinfektionen sei gesunken. „Wir können auch sehr zufrieden sein“, sagte die Kanzlerin. Es gebe aber die Virusvarianten. Es deute sich eine dritte Welle an, die bekämpft werden müsse. Dies könne umso besser geschehen, je mehr die Infektionszahlen weiter heruntergingen und Gesundheitsämter in der Lage seien, Kontakte von Infizierten nachzuverfolgen.
Geeinigt haben sich Bund und Länder auch darauf, dass das Öffnen von Schulen und Kitas nicht bundesweit einheitlich geregelt, sondern in das Ermessen der einzelnen Länder gestellt werden soll. Im Beschluss heißt es, dass dieser Bereich als erster schrittweise wieder geöffnet werden solle. „Die Länder entscheiden im Rahmen ihrer Kultushoheit über die schrittweise Rückkehr zum Präsenzunterricht und die Ausweitung des Angebots der Kindertagesbetreuung.“
Mehr Sicherheit in Klassenzimmern und Kitas sollen vermehrte Schnelltests bringen. Außerdem wurden die Gesundheitsminister beauftragt zu prüfen, ob Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher früher als bislang vorgesehen geimpft werden können.
Kita- und Grundschulpersonal könnte nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch vor dem Sommer mindestens die erste Corona-Impfung bekommen.
Diese Berufsgruppen hätten nicht die Chance, in ihrer Berufsausübung die notwendigen Abstände einzuhalten, sagte Merkel. Es gehe um ein Signal, dass Kita und Schule wichtig seien und „dass wir eine besondere Schutzpflicht für diese Beschäftigten haben, das wollen wir damit ausdrücken.“
Merkel hatte bei Schulen und Kitas andere Vorstellungen
Merkel sagte zudem, sie habe zum Öffnen von Schulen und Kitas bestimmte eigene Vorstellungen gehabt, aber im Föderalismus gebe es tief verankerte Länderzuständigkeiten und das seien Schule und Kita. „Und da ist es ganz einfach nicht möglich, dass ich als Bundeskanzlerin mich so durchsetzen kann, als hätte ich da ein Vetorecht.“ Deshalb habe man gesagt, die Kultushoheit zähle und die Länder würden das in eigener Verantwortung entscheiden.
Die meisten Kitas und Schulen in Deutschland sind seit Mitte Dezember geschlossen oder nur in stark eingeschränktem Betrieb. Für Abschlussklassen gibt es Ausnahmen und für Kita-Kinder und Grundschüler Betreuungsangebote, wenn Eltern keine anderen Möglichkeiten haben.
Die Länder handhaben das unterschiedlich streng. In Niedersachsen findet seit Januar an Grundschulen auch bereits in eingeschränkter Form Unterricht statt. Sachsen hatte bereits am Dienstag beschlossen, in der kommenden Woche den Grundschul- und Kita-Betrieb wieder aufzunehmen.
Müller: Berlin will ab 22. Februar Schulen und Kitas schrittweise öffnen
Berlin plane diesen Schritt für den 22. Februar, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Mittwoch nach den Bund-Länder-Beratungen in Berlin. Auch andere Bundesländer orientierten sich an diesem Termin, fügte der aktuelle Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) hinzu.
Müller beschrieb die Öffnung von Schulen und Kitas, über die die Länder eigenständig entscheiden sollen, als schwierigen Abwägungsprozess zwischen Gesundheitsschutz einerseits sowie den sozialen Folgen weiter geschlossener Einrichtungen andererseits.
Es gehe nicht um eine Öffnung auf einen Schlag, sondern um „ein schrittweises Hochfahren des Präsenzbetriebes an den Grundschulen“ mit Wechselunterricht, Hygieneregeln und auch neuen Testmöglichkeiten für Lehrer und Kinder. Letztere böten „mehr Sicherheit“, sodass die Länder diesen Weg „guten Gewissens“ gehen könnten.
„Schule kann man nicht außen vor lassen beim Infektionsgeschehen“, so Müller. Aber Wissenschaftler sagten auch: „Es gibt keine besonderen Auffälligkeiten bei den Kindern, schon gar nicht bei den ganz jungen.“
Söder: Bayern wird „vorsichtig und zurückhaltend“ vorgehen
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nannte dafür am Mittwochabend in Berlin noch keinerlei Zeitpunkte. Er sagte allerdings, Bayern werde „eher etwas vorsichtig und zurückhaltend“ vorgehen.
Friseure dürfen ab 1. März öffnen
Zudem ist entschieden worden, dass Friseure ab 1. März bei strikter Einhaltung von Hygieneauflagen öffnen dürfen. Dabei sollen Reservierungen und das Tragen medizinischer Masken zwingend sein.
Zur Begründung heißt es in dem Beschluss: „Vor dem Hintergrund der Bedeutung von Friseuren für die Körperhygiene und der jetzt bereits seit Längerem bestehenden Schließung erscheint es erforderlich, die Inanspruchnahme zu ermöglichen, da erhebliche Teile der Bevölkerung, insbesondere ältere Menschen, auf diese angewiesen sind.“
Es sei auch darüber gesprochen worden, wie nächste Öffnungsschritte aussehen könnten, sagte Merkel. Aus heutiger Perspektive könne der nächste Öffnungsschritt bei einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner erfolgen. Dann sollen der Einzelhandel, Museen und Galerien sowie Betriebe mit körpernahen Dienstleistungen wieder aufmachen können.
Die Kanzlerin zeigte sich überdies erleichtert darüber, dass Firmen nun Anträge auf die Überbrückungshilfe III stellen können. Merkel sagte: „Ich glaube das ist für viele, die echte große Liquiditätsprobleme haben und natürlich auch Sonderopfer bringen jetzt im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, eine wichtige und sehnlichst erwartete Mitteilung, die wir heute machen konnten.“ Der Zeitplan sei eingehalten worden.
Die nächste Beratung ist laut Merkel für den 3. März angesetzt.
Müller: Lockdown hat viele Menschenleben gerettet
Müller betonte, der seit Mitte Dezember geltende Lockdown habe vielen Menschen das Leben gerettet. Die positive Infektionsentwicklung in den vergangenen Wochen sei nicht von alleine gekommen, sondern Ergebnis der Anti-Corona-Maßnahmen, sagte Müller.
Müller sprach von einem besonnenen politischen Weg. „Und ein Weg, der von unglaublich vielen Menschen solidarisch mitgetragen wurde. Sonst hätten wir das nicht erreicht“, so Müller. „Und dieser Weg wiederum, so mühsam und so ermüdend er auch ist, hat vielen Menschen das Leben gerettet. Wir haben Tausende, die wegen dieses Wegs und dieser Erfolge nicht in ein Krankenhaus mussten und nicht auf eine Intensivstation.“ Und auch dort sei eine langsame Entlastung zu beobachten.
Gerade vor diesem Hintergrund sei es sehr wichtig, diesen Weg jetzt nicht aufzugeben. „Es wäre fatal, jetzt ein, zwei Wochen zu früh zu sagen, jetzt sind wir durch.“
Bei der möglichen Öffnung des Einzelhandels in den Bundesländern soll nach den Worten von Müller ein „Shoppingtourismus“ verhindert werden. Deswegen hätten alle Länder betont, dass es mindestens in benachbarten Ländern eine Verständigung geben sollte zu einem einheitlichen Vorgehen, sagte Müller.
RND/cz/dpa