Sigmar Gabriel warnt vor Öffnung von Nord Stream 2 und schlägt neue Taktik gegen Putin vor
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Sigmar Gabriel positioniert sich deutlich zu einer Öffnung von Nord Stream 2.
© Quelle: Britta Pedersen
„Krieg, Pandemie, Inflation, Klimawandel. Das alles passiert gleichzeitig.“ Sigmar Gabriel fand in der ARD-Talkshow „Maischberger“ am Dienstagabend klare Worte zu den Herausforderungen der Regierung. In der Fernsehsendung ging es unter anderem um die Folgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine für Europa – eine Energiekrise. Doch welche Maßnahmen sollte der Staat ergreifen, um die Menschen zu entlasten? Müssen die Sanktionen gegen Russland überdacht und die Pipeline Nord Stream 2 vielleicht sogar geöffnet werden, in der Hoffnung, dass mehr Gas nach Europa fließt?
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Ex-SPD-Parteichef und früherer Außenminister Sigmar Gabriel hält die Idee von Altkanzler und Putin-Freund Gerhard Schröder, die Pipeline Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, für eine „politische Katastrophe“. Seiner Meinung nach würde „Europa auseinanderfliegen“. Damit spielt der ehemalige Außenminister auf die tiefe Spaltung an, die in Europa damit einhergehen würde.
Altkanzler und Verwaltungsratschef von Nord Stream 2, Gerhard Schröder, hatte in einem Interview die Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2 gefordert. „Wenn es wirklich eng wird, gibt es diese Pipeline, und mit beiden Nord-Stream-Pipelines gäbe es keine Versorgungsprobleme für die deutsche Industrie und die deutschen Haushalte“, behauptete Schröder. Experten und führende Politiker glauben daran aber nicht.
Auch Gabriel kann die Rufe nach einer Öffnung der Pipeline nicht nachvollziehen. „Wenn sie jetzt die Pipeline aufmachen, wieso kommt dann jemand auf die Idee, dass Putin sagt: Wunderbar, jetzt schicke ich. Er würde am Anfang wahrscheinlich was schicken und sich dann wieder was einfallen lassen.“ Früher hätte Gabriel nie geglaubt, dass Putin einmal „einen Cut macht und nichts mehr liefert“, räumte er ein.
Ein komplettes Einstellen der Gaslieferungen hätte es Deutschland laut Gabriel einfacher gemacht, weil man sich abrupt hätte umstellen müssen. Es sei aus seiner Sicht eine Taktik Putins, Europa bei den Gaslieferungen im Unklaren zu lassen. „Viel schöner für ihn ist, wenn wir permanent in Spannung gehalten werden, wenn wir nervös sind. Die Flamme hoch- und runtergedreht wird“, meint der ehemalige SPD-Parteivorsitzende im Laufe der Sendung.
Wenn du nicht lieferst und uns erpresst, dann beschlagnahme ich das Gas, das hier gerade ansteht.
Sigmar Gabriel,
Außenminister a. D., schlägt eine neue Taktik gegen Putin vor
Gabriel schlägt vor, in die Offensive umzuschalten: Er würde im ersten Schritt Gazprom verklagen, räumt aber auch ein, dass das allein nicht helfen würde. Im zweiten Schritt würde er europäische Regelungen schaffen, damit das Gas von Nord Stream 2 beschlagnahmt werden könne – als Antwort darauf, dass Putin seinen Vertrag nicht einhält. „Ich würde nicht die Pipeline aufmachen, ich würde sagen: Wenn du nicht lieferst und uns erpresst, dann beschlagnahme ich das Gas, das hier gerade ansteht“, ergänzt Gabriel.
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Habeck: Öffnung von Nord Stream 2 wäre Einknicken vor Moskau
Nach dem umstrittenen Kommentar von FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, mit Russland über die Öffnung von Nord Stream 2 verhandeln zu wollen, hat nun auch Robert Habeck klare Worte gefunden. Eine Öffnung der Gaspipeline nennt der Grünen-Politiker einen „dramatischen politischen Fehlschlag“.
Ex-SPD-Parteichef nahm zudem die Bundesregierung vor Kritik in Schutz und verwies auf die vielen Herausforderungen: den Krieg in der Ukraine, die immer noch anherrschende Pandemie, das lang anhaltende Problem des Klimawandels und Konflikte zwischen den Weltmächten USA und China sowie eine Unsicherheit der Demokratien in Europa. „Das ist logisch, dass man da auch Fehler macht, und es ist logisch, dass man Dinge korrigiert. Ein bisschen nachsichtig müssen wir mit denen sein, die das machen, und aufpassen, dass wir uns nicht in ideologischen Debatten verlieren.“
Bundeskanzler Scholz: Vorbereitet auf stürmische Zeiten
Hintergrund ist unter anderem, dass Gazprom angekündigt hat, die Gaslieferungen vom 31. August bis zum 2. September wegen Wartungsarbeiten zu unterbrechen.
© Quelle: Reuters
Gabriel lobte die Regierung bei ihrer Prioritätensetzung und ihren „Mut, sich zu korrigieren“. Dass er selbst der Regierungspartei SPD angehöre, daran würden seine wohlwollenden Worte nicht liegen. „Ich bin in meiner Partei nicht dafür bekannt, dass ich milde mit ihr umgehe.“