Macron tourt nach Ohrfeige weiter – als wäre nichts gewesen
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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
© Quelle: imago images/IP3press
Paris. Er wird weiterhin „überall hingehen“ auf seiner „Tour de France“, seiner Frankreich-Tour, die ihn die nächsten Wochen in fast alle Regionen des Landes führt. Er wird es sich auch nicht nehmen lassen, den Bürgern dabei nahe zu kommen und ein paar direkte Worte mit ihnen zu wechseln.
Obwohl Emmanuel Macron am Dienstagnachmittag am Rande eines Besuchs in einer Hotelfachschule in der Region Drôme eine Ohrfeige einstecken musste, soll ihn das nicht von seinem Versuch abbringen, den „Puls des Landes“ zu messen. Das bekräftigte der französische Präsident kurz nach dem Vorfall in einem Interview mit der Lokalzeitung „Dauphiné Libéré“.
Ein 28-Jähriger aus der Region, der bis jetzt polizeiunbekannt war und rechtsextremen Kreisen nahesteht, hatte mit einer Hand nach Macron gegriffen und mit der anderen zum Schlag gegen ihn ausgeholt, rief dabei einen royalistischen Slogan und „Nieder mit der Macronie!“. Dann überwältigten Sicherheitskräfte den Mann und nahmen ihn fest.
Erster körperlicher Angriff
Zwar wurde auch schon François Hollande 2012 mit Mehl überschüttet und Nicolas Sarkozy 2011 grob von einem Mann gepackt. Macron dagegen war bislang in seiner Funktion als Präsident bereits ausgebuht und beleidigt, aber noch nie körperlich angegriffen worden.
Für manche ist der Vorfall der Beweis einer politischen Auseinandersetzung, die immer brutaler und unerbittlicher wird. Das aktuelle Mediensystem befördere frontale Zusammenstöße, so die Politikwissenschaftlerin Chloé Morin: „Der Präsident steht der Straße gegenüber und jeder versucht, den Gegner zu besiegen statt zu überzeugen.“
Seine Parteifreunde wie auch Politiker der Opposition verurteilten die grobe Geste einhellig. Rechtspopulistin Marine Le Pen sagte, sie bekämpfe Macron politisch, aber ein tätlicher Angriff auf ihn sei „indiskutabel“.
Das darf nicht all die restlichen Themen verdecken, die so wichtig sind, die das Leben vieler betreffen.
Emmanuel Macron,
Präsident Frankreichs
Er selbst beschwichtigte, es handele sich um einen Einzelfall, dem nicht zu viel Aufmerksamkeit beizumessen sei: „Das darf nicht all die restlichen Themen verdecken, die so wichtig sind, die das Leben vieler betreffen.“ Um zu beweisen, dass er keine Angst vor den Bürgern habe, ging er erneut auf diese zu und posierte für Selfies.
Nah am Volk
Seit jeher gibt sich der 43-Jährige bei Besuchen in der sogenannten Provinz leutselig und aufgeschlossen. Zum Gedenken an das Ende des Ersten Weltkriegs 100 Jahre zuvor hatte Macron 2018 eine Reise durch vom Kriegsgeschehen besonders betroffene Gebiete im Osten und Norden des Landes unternommen.
Als Antwort auf die Protestbewegung der „Gelbwesten“ tourte er 2019 durch Frankreich, um in Gemeindesälen und Turnhallen stundenlang mit interessierten oder auch wütenden Bürgern zu debattieren.
Seine Redegewandtheit und offensive Freundlichkeit gelten als Vorzüge Macrons. Auch wenn er auf viel Widerstand trifft, so legten seine Umfragewerte zuletzt um sieben Punkte auf 50 Prozent zu. Im Blick dürfte er derzeit die Regionalwahlen am 20. und 27. Juni sowie die Präsidentschaftswahl im Mai 2022 haben.
Offiziell nimmt der Staatschef nach seinen eigenen Worten den „Pilgerstab“ allerdings wieder auf, um Besuche nachzuholen, die aufgrund der Coronavirus-Pandemie nicht möglich waren und um im direkten Kontakt zu erfahren, wie die Menschen durch die Krise gekommen sind.
Am gestrigen Mittwoch traten weitere Lockerungen in Kraft, die Sperrstunde von 21 auf 23 Uhr verschoben, Innenräume von Restaurants öffneten wieder. Wie ein Überbringer guter Nachrichten will Macron Hoffnung vermitteln – den Franzosen, aber wohl auch sich selbst.