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Großbritannien und die EU

London entdeckt Europa neu

„Verbündete, Handelspartner und Freunde“: Großbritanniens Premier Rishi Sunak und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag in Windsor.

„Verbündete, Handelspartner und Freunde“: Großbritanniens Premier Rishi Sunak und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag in Windsor.

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Wann sind zuletzt Vertreter und Vertreterinnen der EU-Kommission in Großbritannien so warmherzig empfangen worden? Unter Premier Boris Johnson mussten sich Abgesandte aus Brüssel in London ungeliebt vorkommen, wie Wesen aus einer hässlichen Gegenwelt, der die Briten und Britinnen dringend entrinnen wollen auf dem Weg zu etwas Schönerem, Höheren, Besseren.

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Die Phase dieser unangenehmen britischen Selbstüberschätzung im Zusammenhang mit dem Brexit ist zum Glück vorbei. Vorbei ist auch die Zeit, in der ein britischer Premier so tat, als müsse er sich im Fall der komplizierten Brexitregeln für Nordirland an einen von ihm selbst unterzeichneten Vertrag mit Brüssel nicht halten. Die EU blieb in diesem Punkt hart, und das war gut so. London hingegen sorgte für eine Reihe von Korrekturen.

Brexit: Einigung zwischen EU und Großbritannien im Nordirland-Streit erzielt

Dem britischen Premierminister Rishi Sunak gelingt womöglich, was seinen Vorgängern versagt blieb.

Am Ende wurden Szenen möglich, die sich emotional durchaus als eine Art Neubeginn zwischen London und Brüssel deuten lassen. Ursula von der Leyen erlebte jetzt nicht nur eine überaus herzliche Begrüßung durch den neuen Premier Rishi Sunak. Die EU-Kommissionspräsidentin traf sogar noch König Charles zum Tee. Was will man mehr? Parallel dazu liefen wie geplant die historischen Eilmeldungen: Unterhändler der EU und Großbritanniens haben endlich den drei Jahre alten leidigen Streit um die Nordirland-Sonderregeln beigelegt.

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„Mit diesem Rahmenwerk können wir ein neues Kapitel beginnen“, sagte von der Leyen in Windsor. Die Unsicherheit der Menschen in Nordirland sei mit diesem „entschiedenen Durchbruch“ beendet, verkündete Sunak und fügte weihevoll hinzu, Großbritannien und die EU seien „Verbündete, Handelspartner und Freunde“.

Spaltung? Alleingang? Unsinnig wie nie

Fast wirkte alles ein kleines bisschen zu schaumig – als stecke der eine oder andere Teufel doch noch im Detail. Wichtiger als jede Einzelheit aber ist der generell neue Ton: Endlich hat es Europa mit einem wieder etwas normaleren London zu tun, einer Hauptstadt, die Lösungen findet, statt, wie unter Johnson, nur Streit zu suchen. Dazu mussten gewisse Lernkurven durchmessen werden. Zum Beispiel haben die Briten und Britinnen eingesehen, dass sie ihre jüngsten Probleme in Handel und Verkehr selbst geschaffen haben.

Doch es geht jetzt um mehr als Handelsfragen. Fast ist es, als entdecke London Europa, das doch eigentlich vor seiner Haustür liegt, neu.

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Zu spüren war dies schon bei der Münchener Sicherheitskonferenz, wo die Britinnen und Briten erfreulich zahlreich und prominent vertreten waren. Großbritanniens Verteidigungsminister Ben Wallace stünde, wie man hört, sogar als neuer Nato-Generalsekretär bereit. Geben die 21 EU-Staaten, die zugleich auch in der Nato sind, dem Briten und Britinnen eine Chance?

Proeuropäisches Signal aus London: Winston Churchill 1946 bei seiner Rede in der Aula der Universität Zürich.

Proeuropäisches Signal aus London: Winston Churchill 1946 bei seiner Rede in der Aula der Universität Zürich.

Das Gute ist: Man steckt die Köpfe wieder enger zusammen, auf allen Ebenen. Russlands Angriffskrieg in der Ukraine lässt jede Art von Spaltung, jede Art von nationalem Alleingang noch unsinniger erscheinen denn je.

Alle Europäer und Europäerinnen, denen eine Zukunft in Frieden und Freiheit wichtig ist, müssen auf intelligente Art enger zusammenrücken. Das galt schon 1946, als der frühere britische Premier Winston Churchill in seiner berühmten Züricher Rede nichts Geringeres empfahl als die Schaffung der „Vereinigten Staaten von Europa“. Und es gilt heute wieder.

Der britische Premier Sunak, ein moderner Mann mit weitem Horizont, hat das begriffen – ein großer Teil seiner konservativen Parteifreunde indessen nicht. Ihnen muss man sagen: Johnsons Idee von einem „global Britain“, das sich ganz allein aufschwingt zu einer wundersamen neuen Geltung in der Welt, hat sich erledigt.

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