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Proteste nach Urteil gegen Lina E.

Linksradikale Demo in Leipzig: Was bedeutet „Tag X“?

Am Wochenende kam es in Leipzig erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und linksradikalen Demonstrierenden. Zuvor hatten verschiedene linke Gruppierungen nach dem Urteil gegen Lina E. zu einem „Tag X“ aufgerufen. Woher kommt die Bezeichnung?

Am Wochenende kam es in Leipzig erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und linksradikalen Demonstrierenden. Zuvor hatten verschiedene linke Gruppierungen nach dem Urteil gegen Lina E. zu einem „Tag X“ aufgerufen. Woher kommt die Bezeichnung?

Leipzig. Am Wochenende kam es in Leipzig erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und linksradikalen Demonstrantinnen und Demonstranten. Zuvor hatten verschiedene linke Gruppierungen nach dem Urteil gegen Lina E. zu Protesten aufgerufen. Schon früh wurde der Samstag als „Tag X“ gehandelt. Doch woher kommt die Bezeichnung?

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„Tag X“ in Leipzig: Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstrierenden

Bei einer Demonstration am Alexis-Schumann-Platz in Leipzig ist es am Samstagnachmittag zu Krawallen gekommen.

Linke Netzwerke hatten den „Tag X“ schon Monate vor dem Urteil gegen Lina E. angekündigt. Anlass war der Prozess gegen die Studentin sowie drei Mitangeklagte wegen linksextremistischer Gewalttaten gegen vermeintliche oder tatsächliche Neonazis, bei denen mehrere Menschen teilweise schwer verletzt worden waren. Die 28-Jährige war am Mittwoch vom Oberlandesgericht Dresden zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden.

Im Rechtsextremismus wird der ‚Tag X‘ oft als Erlösungsmoment konstruiert – ein Signal für den Umsturz und den Zusammenbruch der Ordnung, nach der die Welt eine andere sein wird.

Matthias Quent,

Extremismusforscher an der Hochschule Magdeburg-Stendal

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Linksradikale Kreise verstehen das Gerichtsurteil teilweise als „Repression“ gegen linke Strukturen und kündigten rasch militante Antworten in Form eines „Tag X“ an. Bundesweit war für Proteste am Samstag mobilisiert worden. Linksautonome hatten im Vorfeld gedroht, für jedes Jahr der gegen E. verhängten Haftstrafe eine Million Euro Sachschaden anzurichten. Einige Gruppen riefen zu Aktionen wie zum G20-Gipfel 2017 in Hamburg auf. Bei einem linksradikalen Aufzug wurden damals Autos und Gebäude angezündet, zahlreiche Scheiben eingeschlagen und Häuser mit Farbe beschmiert.

Kampfbegriff in rechtsextremen Kreisen

Dass linke Bewegungen einen „Tag X“ feiern, ist zwar nicht neu. Allerdings wurde der Kampfbegriff in den vergangenen Jahren vor allem von rechtsextremen Kreisen wie den „Reichsbürgern“ oder der Prepperszene verwendet. Die bereiten sich mutmaßlich auf einen politischen Umsturz in Deutschland am „Tag X“ vor. Schlagzeilen machte dafür etwa das 2017 bekannt gewordene Nordkreuz-Netzwerk um den Bundeswehr-Unteroffizier André S., der sich in Chats „Hannibal“ nannte.

„Im Rechtsextremismus wird der ‚Tag X‘ oft als Erlösungsmoment konstruiert – ein Signal für den Umsturz und den Zusammenbruch der Ordnung, nach der die Welt eine andere sein wird“, erklärt etwa Extremismusforscher Matthias Quent von der Hochschule Magdeburg-Stendal dem ZDF.

Die Nordkreuz-Gruppierung war mit ihren Umsturzfantasien nicht allein. Auch bei der Zerschlagung einer rechtsextremen Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß im Dezember 2022 wurde klar: Rechtsextreme „Reichsbürger“ schmieden bereits Pläne für eine Neuordnung nach einem gewaltsamen Umsturz in Deutschland an „Tag X“.

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Auch der rechtsextreme Komplex namens Vereinte Patrioten plante im Vorjahr eine gewaltsame Machtübernahme in Deutschland. Stromausfälle und „bürgerkriegsähnliche Zustände“ sowie die Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sollten das Land ins Chaos stürzen.

„Keine übergreifende Bedeutung“ bei Protesten in Leipzig

„An sich ist der metaphorische Begriff ‚Tag X‘ aber nicht originär rechts – er wird in der Popkultur ebenso wie in unterschiedlichen politischen Bewegungen seit Jahren benutzt“, erklärt Quent dem Sender weiter. Auch im Islamismus gebe es mit dem Untergang der westlichen Ordnung ein symbolisches „Tag‑X-Narrativ“.

Bei den linksradikalen Demonstrationen in Leipzig erkennt der Extremismusforscher in der Nutzung des Begriffs insgesamt aber „keine übergreifende Bedeutung“. Vielmehr handle es sich um einen konkreten zeitlichen Bezug, so Quent gegenüber dem ZDF. Schließlich war lange unklar, wann das Urteil gegen Lina E. fallen würde.

Eine große Solidaritäts­demonstration unter dem Motto „United we stand – trotz alledem, autonomen Antifaschismus verteidigen!“ war von der Stadt Leipzig wegen des hohen Gefahrenpotenzials verboten worden. Beschwerden gegen das Verbot bis vor das Bundes­verfassungs­gericht blieben erfolglos. Trotz des Verbots kam es am Samstag zu Gewalt. Laut Polizei haben mindestens 500 gewaltbereite Personen Einsatzkräfte aus einer Versammlung heraus attackiert.

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RND/dpa/epd/hyd

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