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Frieren im Hallenbad

Licht aus, Heizung runter? Wie sich Kommunen und Städte gegen den Gasnotstand wappnen

Gesperrt ist dieses Nürnberger Hallenbad auf einem Archivfoto wegen des Coronavirus.

Gesperrt ist dieses Nürnberger Hallenbad auf einem Archivfoto wegen des Coronavirus.

Jetzt geht es an die Weihnachtsmärkte: Die drohende Gaskrise in Deutschland sorgt dafür, dass Städte und Kommunen überall nach Einsparpotenzial suchen. Im schleswig-holsteinischen Rensburg ist das erste Opfer der Weihnachtsmarkt, beziehungsweise die Eisbahn auf dem Weihnachtsmarkt. Die wird es in diesem Jahr nicht geben, berichten die „Kieler Nachrichten“.

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Der Grund: Die Kühlaggregate verbrauchen viel Strom. Strom, der an anderer Stelle möglicherweise fehlen würde, so Anke Samson vom Rendsburg Marketing. Den Betrieb der Eisbahn halte man daher für nicht zu verantworten. Aus dem gleichen Grund sagte auch Kiel das Eisfestival in der Innenstadt ab.

Energiekrise: Im Sommer Energie sparen, damit es im Winter nicht kalt wird

Deutschland diskutiert darüber, wo Gas und Energie eingespart werden können. Von Schwimmbädern mit geringerer Wassertemperatur ist die Rede, von mehr Klamotten und weniger Grad in Büros, gar von kommunalen Wärmehallen, in die Menschen kommen sollen, die zu Hause nicht mehr heizen können. Aber hilft das wirklich?

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„Damit wir im Winter warme Wohnungen haben, müssen wir schon im Sommer sparen“, sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. „Jede eingesparte Kilowattstunde hilft, damit sich die Gasspeicher weiter füllen.“ Die Lage sei ernst.

Städte in Deutschland rüsten sich für mögliche Gasknappheit

Angesichts einer möglicherweise drohenden Energieknappheit im Winter arbeiten die Städte an Krisenplänen und prüfen Maßnahmen zum Einsparen von Gas.

Gasengpass: Tatendrang vor allem in Sachen Schwimmbäder

Der Deutsche Städtetag hat eine Arbeitsgruppe gegründet, um über mögliche Maßnahmen zu diskutieren. In der vergangenen Woche gab es für die Mitglieder erste Empfehlungen, die vor allem bekannte Ideen aufgriffen und einordneten. So kann der Energiebedarf eines Schwimmbads um 15 Prozent sinken, wenn die Becken weniger beheizt werden, heißt es in dem Schreiben.

Während viele Kommunen noch diskutieren und mögliche Entwürfe erarbeiten, ist man andernorts schon weiter. Vor allem das Schwimmbadthema dient vielen Gemeinden als erster Schritt. Das Meerwasserhallenbad in Niendorf an der Ostsee hat Luft- und Wassertemperatur jeweils um ein Grad gesenkt, berichten die „Lübecker Nachrichten“.

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München kühlt Schwimmbäder um 4 Grad, Nürnberg macht ganz dicht

Die Bäderlandschaft Potsdam Luft-, Wasser- und Saunatemperaturen sogar bis zu 5 Grad, heißt es in der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“. Bis zu 15 Prozent des Energiebedarfs sollen dadurch eingespart werden. In München wurden Hallen- und Freibädern um bis zu 4 Grad heruntergekühlt, in Wolfenbüttel und Peine in Niedersachsen um bis zu 2 Grad.

In Nürnberg greift man noch radikaler durch: Die Stadt kündigte an, vom 16. Juli an drei der vier Hallenbäder zu schließen – bis Ende September. Die Stadt rechnet damit, dadurch Wärmeenergie für rund 1500 Menschen freizumachen, zudem Strom für 3100 Menschen. Statt den Hallenbädern werden die unbeheizten Freibäder länger öffnen.

Augsburg stellt Brunnen ab, Oldenburg will auf Erdgasbusse verzichten

Wichtig sei, schon jetzt im Sommer Energie zu sparen – in Vorbereitung auf den Winter. Deshalb sei sinnvoll, bereits jetzt an manchen Orten Straßenlaternen und Ampeln nachts auszustellen oder die Außenbeleuchtung von Gebäuden zu überdenken, so Dedy. Der Stadtstaat Bremen hat bereits beschlossen, die Straßenbeleuchtung anzupassen – ebenso wie Oldenburg. Die niedersächsische Stadt hat einen 30-Punkte-Plan verabschiedet, nachdem unter anderem Ampeln und Laternen nachts ausgestellt werden. 10 bis 15 Prozent an Energie will die Stadt insgesamt sparen. Mittelfristig soll auch der Einsatz von Erdgasbussen im ÖPNV reduziert werden, heißt es.

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Die Fassadenbeleuchtung steht vielerorts ebenfalls auf der Liste. Ludwigshafen beispielsweise beleuchtet öffentliche Gebäude nachts bereits nicht mehr, ebenso wie Augsburg. Die Stadt in bayerisch Schwaben hat zudem Brunnen im Stadtgebiet abgestellt beziehungsweise deren Laufzeit deutlich verkürzt. Die zum Unesco-Weltkulturerbe gehörenden drei Monumentalbrunnen sind somit täglich nur noch von 9 bis 19 Uhr in Betrieb. Außerdem hat Augsburg den Lichterzauber im Botanischen Garten abgesagt, der wöchentlich bis Ende August stattfinden sollte.

Klimaanlagen runter, Heizungen aus, kein Warmwasser mehr zum Händewaschen

In die Pflicht nimmt der Städtetag auch kommunale Einrichtungen wie Rathäuser, Museen und Schulen. Im Sommer müsste der Einsatz von Klimaanlagen zurückgeschraubt werden, zudem sei nicht immer Warmwasser zum Händewaschen notwendig. Zahlreiche Kommunen diskutieren nun, nur noch kaltes Wasser in den Toiletten anzubieten. Die Stadt Düsseldorf hat bereits beschlossen, dass die Klimaanlagen nicht mehr so stark kühlen sollen.

Im Winter hingegen könnten bis zu 15 Prozent Energie eingespart werden, würde in öffentlichen Gebäuden und Verwaltungsgebäuden die Temperaturen auf den Fluren und in den Treppenhäusern gesenkt, rechnet der Städtetag. Der deutsche Industrie- und Handelskammertag sprach sich bereits dafür aus, wegen der Gaskrise auch in Büros und Werkhallen die gesetzlich geregelten Mindesttemperaturen herabzusetzen.

Wohngenossenschaft dreht Mieterinnen und Mietern das Warmwasser ab

Viele Städte, Gemeinden und Bundesländer haben Arbeitsgruppen errichtet, die prüfen sollen, was konkret an Ort und Stelle gemacht werden kann. Rendsburg kam so auf den Verzicht der Eisbahn, Neumünster überlegt, dem zu folgen und die Eisbahn ebenfalls abzusagen. Einzelne Maßnahmen wie diese sind schnell getroffen, andere, etwa das Abstellen des Warmwasser oder das Absenken von Raumtemperaturen in Büros und Schulen, erfordern eine politische Debatte. Im niederbayerischen Passau sammelt man gar bis zum 1. August Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger.

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Doch auch im privaten Sektor bewegt sich einiges. Vor einigen Tagen erregte ein Schreiben der Wohnungsgenossenschaft Dippoldiswalde in der Nähe von Dresden Aufsehen. Darin wird den rund 600 Mieterinnen und Mietern mitgeteilt, dass Warmwasser nur noch zu bestimmten Zeiten vorhanden sei, nämlich von 4 bis 8 Uhr, von 10 bis 13 Uhr und von 17 bis 21 Uhr. Mieterschutzorganisationen riefen bereits dazu auf, juristisch gegen die Genossenschaft vorzugehen – da es aktuell keinen Gasnotstand gebe, sei die Anordnung rechtswidrig.

„Duschscham“: nicht kälter, sondern vor allem kürzer duschen

Dedy appelliert an Verbraucherinnen und Verbraucher: Energiesparen sei nur gemeinsam möglich. Tipps gibt es von Georg Friedrichs, Chef des Berliner Energieversorgers Gasag. Der „Berliner Zeitung“ sagte er, wichtig sei es nicht unbedingt, kälter zu duschen - sondern kürzer. Und damit folgt er Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck, der kürzlich verlauten ließ, kürzer zu duschen – und generell noch nie in seinem Leben mehr als fünf Minuten geduscht zu haben.

Kommt nun der „Duschscham“, wie das Nachhaltigkeitsmagazin „Utopia“ schreibt? „Fast 20 Prozent des Wärmeaufkommens werden für Warmwasser benötigt, daher das Duschen, Spülen, Händewaschen am besten verkürzen“, sagt Friedrichs. Was wir in der Corona-Pandemie also gelernt haben – das laaaaaange Händewaschen – wird nun also wieder rückgängig gemacht.

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Wärmehallen für jene, die sich Heizen nicht mehr leisten können

Doch was, wenn der Gasnotstand tatsächlich eintrifft? Auch dafür wappnen sich Städte und Gemeinden. Die Stadt Ludwigshafen beispielsweise plant, in der Friedrich-Ebert-Halle, die bis vor kurzem noch als Corona-Impfzentrum genutzt wurde, eine Art Wärmeinsel zu errichten, kündigte Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck in der „B.Z.“ an.

Die Einrichtung solcher Zufluchtsorte hatte der Städtetag vorgeschlagen. Dort sollen sich Menschen aufhalten und wärmen können, wenn es in ihren Wohnungen zu kalt wird. Sogar von Übernachtungsmöglichkeiten ist die Rede. Ähnliche Pläne verfolgen Heidelberg, Ludwigsburg, Neustadt, Frankenthal und Landau. „Da niemand genau sagen kann, wie dramatisch die Entwicklung sein wird, sollte auch überlegt werden, Wärmeinseln oder Wärmeräume vorzusehen, wo sich insbesondere ältere Menschen auch bei einem sehr kalten Winter aufhalten können“, hatte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, der „Bild am Sonntag“ gesagt.

Energiekrise: Wird Gas für manche Menschen zu teuer?

Zwar sind Privathaushalte und Gesundheitseinrichtungen die letzten, denen im Ernstfall Gas und Strom abgedreht wird, dennoch könnte ein anderes Problem auf Privatpersonen zukommen, vor allem auf ärmere Familien mit kleinen Kindern, Kranke sowie Seniorinnen und Senioren. Der Gaspreis könnte nämlich schlicht zu hoch steigen, als dass diese sich noch warme Wohnungen leisten könnten.

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Auf Twitter wird die Ampelregierung unter dem Hashtag #Wärmehallen stark kritisiert – vor allem aus dem rechten Spektrum. Die Pläne seien eine Bankrotterklärung der Regierung, die dabei versage, Schwache zu schützen. Andere werfen der Regierung vor, Ideologie in Sachen Atomenergie und den Kampf gegen Russland über Menschenleben im eigenen Land zu stellen.

Diskutiert wird auch darüber, ob es nicht günstiger wäre, ärmere Menschen durch das bedingungslose Grundeinkommen oder andere Zuschüsse zu helfen – anstatt große Hallen zu heizen, mit Warmwasser auszustatten und regelmäßig zu reinigen. Eine Nutzerin schreibt, man müsse sich endlich eingestehen, „dass die Energiepolitik der letzten 25 Jahre eine einzige Katastrophe war.“

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