Lehrerverbandspräsident: „Keine Experimente“ bei der Legalisierung von Cannabis
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(Symbolbild)
© Quelle: imago images/Westend61
Herr Meidinger, laut einer Erhebung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZga) hat im Jahr 2018 jeder zehnte Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren schon einmal Cannabis konsumiert. Bei den 18- bis 25 Jährigen ist es noch drastischer. Dort hat jeder Fünfte bereits Cannabis konsumiert. In beiden Altersgruppen ist eine Steigerung zu den Vorjahren zu erkennen. Wie wird diese Entwicklung im Schulalltag deutlich?
In erster Linie ist es indirekt beobachtbar. Vor allem bei übertriebenem Konsum. Das fällt dann schon auf. Der Verdacht liegt auch dann nahe, wenn starke Leistungsabfälle zu sehen sind und noch Antriebsschwäche dazukommt. Schule selber nimmt dann oft an Bedeutung ab. Meistens kommen zum Cannabiskonsum aber noch andere Faktoren dazu, die negative Rückwirkungen auf Schule haben, wie etwa häufiger Schulabsentismus.
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Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes
© Quelle: Armin Weigel/dpa
In der Runde der Sondierer für eine neue Bundesregierung sind aktuell nur Parteien miteinander im Gespräch, die alle die Legalisierung von Cannabis in unterschiedlicher Ausführung in ihrem Wahlprogramm stehen haben. Befürchten sie bei einer Legalisierung von Cannabis negative Folgen für Schülerinnen und Schüler?
Wir müssen im Schulalltag mit vielen negativen Auswirkungen bestimmter gesellschaftlicher Entwicklungen auseinandersetzen. Der extreme Medienkonsum, der sich im Lockdown verschärft hat, die Computer- und Spielsucht vieler junger Menschen mit all ihren Folgen. Dazu gehören auch Drogen und Alkohol, wobei übertriebener Alkoholkonsum bei Jugendlichen seit einigen Jahren erfreulicherweise rückläufig ist. Ich fürchte vor allem, dass die Erwartung blauäugig und naiv ist, die Legalisierung von Cannabis werde zu einer Regulierung und Kontrolle des allgemeinen Drogenkonsums führen. Am Beispiel der Niederlande sieht man, dass die Legalisierung von weichen Drogen auch zu einer drastischen Ausweitung der harten Drogenszene geführt hat. Die Grenze zwischen harten und weichen Drogen wird zunehmend verwischt. Der Einfluss der Drogenbarone ist gestiegen und nicht gesunken. Und das macht vielen Lehrkräften Sorgen. Der Deutsche Lehrerverband sieht eine umfassende Legalisierung des Konsums angeblich weicher Drogen mit großer Skepsis.
Würde denn eine Legalisierung auch gleichzeitig bedeuten, dass der Druck auf die Schulen wächst, präventiv gegen Drogenkonsum vorzugehen?
Eine Legalisierung von Cannabis würde sicher nicht dazu führen, dass man das Thema Drogenprävention lockerer angeht, nur weil es nicht mehr verboten ist. Größere persönliche Freiheit erhöht ja auch die Risiken. Prävention und Aufklärung würde bei einer Legalisierung in der Schule eher noch wichtiger werden. Die gesundheitlichen Gefahren sind ja genauso wie beim Alkohol unbestritten. Damit meine ich nicht nur die Gefahr durch Verunreinigungen.
Welche Forderungen stellen Sie an die Politik und insbesondere an die Sondierungsrunde zur Ampel, die sich voraussichtlich in ihren Gesprächen auch zu einer neuen Cannabis-Politik positionieren werden.
Wir haben da als Lehrerverband ähnlich wie die Polizeigewerkschaften eine klare Position: Keine Experimente, bei denen man die negativen Folgen kaum noch einfangen kann. Wenn es denn doch zu gesetzlichen Änderungen kommt, dann würde ich dafür plädieren, jetzt nicht die große Öffnung vorzunehmen, sondern eher den Weg gehen, den Teile der SPD erwägen. Erst einmal Modellversuche einrichten, um eine bessere Entscheidungsgrundlage zu bekommen. Bislang gibt es kein Land auf der Welt, das Cannabis legalisiert hat und wo man sagen würde: Die können Vorbild sein, die machen es richtig! Und wie schwer es ist, den Schalter wieder umzulegen, wenn man mal legalisiert hat, erleben wir gerade in den Niederlanden.