Lauterbach: Lockerungen für Erstgeimpfte sind „medizinisch nicht haltbar“
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SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach spricht sich klar gegen Erleichterungen für Erstgeimpfte aus.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Berlin. In der Debatte um Privilegien für Erstgeimpfte hat sich SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach einem Bericht des Tagesspiegel zufolge klar dagegen ausgesprochen. Am Samstag hatte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) mehr Freiheiten für Personen gefordert, die erst einmal mit Astrazeneca geimpft wurden. Der volle Impfschutz ist aber erst nach der zweiten Impfung erreicht.
In dem Bericht sagte Lauterbach: „Dies ist medizinisch nicht haltbar und auch nicht sinnvoll.“ Der Gesundheitsexperte bezieht sich dabei auf Daten aus Großbritannien. Dort habe sich gezeigt, dass die erste Impfung nur wenig vor einer Infektion schütze, auch der Schutz der Weitergabe des Virus sei eher gering. „In England rückt man daher inzwischen wieder vom Zwölf-Wochen-Intervall ab und verabreicht die zweite Dosis nach acht Wochen.“
In Großbritannien fürchten die Briten gerade zudem um die Früchte des harten Lockdowns und der schnellen Impfkampagne. Grund dafür ist die rasante Ausbreitung der indischen Virusvariante. Bislang wurden 1300 Fälle in Großbritannien registriert. Doch die Zahl hatte sich binnen einer Woche fast verdreifacht. Diese Entwicklung könnte den ambitionierten Öffnungsplänen von Boris Johnson nun einen Strich durch die Rechnung machen.
Sorge vor der Verbreitung von Mutationen
Auf diese Entwicklung bezieht sich auch Karl Lauterbach gegenüber dem „Tagesspiegel“. Der Vorschlag von Kretschmer für Privilegien für Erstgeimpfte mit Astrazeneca sei sicher gut gemeint, aber aus seiner Sicht zu riskant. Die Gefahr bestünde, dass sich dadurch Mutationen verbreiten – das werde auch in Bezug auf die Ausbreitung in England vermutet, denn dort haben viele Erstgeimpfte die Infektion bekommen.
Ähnliche Studien gebe es aus Brasilien und von den Seychellen. Würde man Erstgeimpften mehr Freiheiten geben, wären vor allem Reisende „in einer vulnerablen Phase einem nicht vertretbaren Risiko für eine Infektion besonders mit einer Virusmutation ausgesetzt.“
Der Vorschlag aus Sachsen orientiert sich an einem Modell aus Österreich. „Wir alle wollen in den Sommerurlaub fahren. Eine Erleichterung kann ich mir sehr gut vorstellen: Wer mit Astrazeneca geimpft wird, sollte schon drei Wochen nach der ersten Dosis mehr Freiheiten bekommen“, sagte Kretschmer der Berliner „Morgenpost“. Damit würde man sich an Österreich orientieren. „Der Schutz ist schon nach der ersten Astrazeneca-Impfung sehr gut.“
Für den Impfstoff von Astrazeneca ist nach einem Beschluss von Bund und Ländern die Priorisierung mit einer festen Reihenfolge inzwischen aufgehoben worden. In Absprache mit dem Arzt kann man auch frei entscheiden, wann in der zugelassenen Spanne von vier bis zwölf Wochen die Astrazeneca-Zweitimpfung erfolgen soll. Der volle Impfschutz wird erst nach der zweiten Impfung erreicht.
Zwölf Wochen Abstand zwischen beiden Impfungen
Die Impfkommission empfiehlt für das Präparat einen Abstand von zwölf Wochen zwischen erster und zweiter Dosis. Hintergrund sind Beobachtungen, dass der längere Abstand zu einer besseren Wirksamkeit führt.
Die Wirksamkeit einer zweimaligen Impfung im Abstand von vier bis acht Wochen liege laut einem Bericht der europäischen Zulassungsbehörde EMA bei 50,4 Prozent. Bei zwölf und mehr Wochen steige sie auf 72,1 Prozent bis 82,4 Prozent an.
RND/lr/dpa