Lauterbach: Immungeschwächte bei Stiko-Empfehlung zu Auffrischungsimpfungen berücksichtigen

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach.

Bei der Debatte um Auffrischungsimpfungen steht die Gruppe der älteren Menschen im Vordergrund. Ihnen soll eine dritte Impfung angeboten werden, weil in dieser Personengruppe mit einer schnell nachlassenden Immunantwort auf die Corona-Schutzimpfung zu rechnen ist. Die sogenannte Boosterimpfung soll sechs Monate nach der zweiten Impfung erfolgen.

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Nun werden Stimmen laut, die Gruppe der Immungeschwächten gesondert zu betrachten. Erste Studien zeigen, dass etwa Patienten nach einer Chemotherapie, Organtransplantation oder mit einer Krebserkrankung von vornherein eine geschwächte Immunantwort auf die Corona-Schutzimpfung zeigen. Eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) zu Auffrischungsimpfungen steht noch aus.

Der Epidemiologe und SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach geht nicht davon aus, dass Auffrischungs­impfungen für Immungeschwächte früher als für andere Menschen empfohlen werden. „Ab wann Menschen mit einem geschwächten Immunsystem eine Impfung brauchen, lässt sich auf Basis der Studienlage noch nicht eindeutig sagen“, so Lauterbach gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. „Es ist unklar, ob eine Impfung vor Ablauf der sechs Monate nicht zu früh wäre.“

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Lauterbach hofft, dass die Impfkommission eine eindeutige Empfehlung aussprechen wird. „Wir brauchen schnell eine Stiko-Empfehlung zur dritten Impfung, wann welche Personengruppen eine Auffrischung erhalten sollen.“ Bei dieser Empfehlung der Stiko müssten auch Immungeschwächte berücksichtigt werden.

Steigerung der Antikörperzahl von 30 auf 70 Prozent

Leif Erik Sander, Impfstoffforscher an der Charité Berlin, hingegen hält eine Drittimpfung von immungeschwächten Menschen vor Ablauf der sechs Monate für sinnvoll. Dem RND sagte er: „Viele Ärzte praktizieren diese bereits. Erste Studien zeigen, dass die Antikörper nach der dritten Impfung gut ansteigen.“

Erste Studien zeigen, dass die Antikörper bei Immungeschwächten nach einer dritten Impfung gut ansteigen.

Leif Erik Sander, Impfstoffforscher an der Charité Berlin

Sander verweist auf einen Artikel im „New England Journal of Medicine“, demzufolge Patienten nach einer Nierentransplantation zunächst nur 30 Prozent der zu erwartenden Antikörperzahl aufbauten. Nach der Boosterimpfung steigerte sich der Wert auf 70 Prozent. Sander sagte dem RND: „Es gibt gute Hinweise darauf, dass eine zeitnahe Boosterimpfung bei Immungeschwächten zu guten Ergebnissen führt. Ich als Arzt würde Patienten auf dieser Grundlage ruhigen Gewissens eine dritte Impfung schon vor Ablauf der sechs Monate verpassen.“ Die Stiko allerdings brauche eine ganz andere Datenlage, um eine allgemeine Empfehlung auszusprechen.

Hausärzteverband fordert Stiko-Empfehlung

Armin Beck, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Hessen und Mitglied im Bundesvorstand des Deutschen Hausärzteverbandes, forderte gegenüber dem RND einheitliche Regelungen zum Thema Boosterimpfungen. „Dass die Politik wiederholt vorangeprescht ist und damit erneut für Verunsicherung sorgt, ist ärgerlich. Gleichzeitig müssen Ärztinnen und Ärzte bei jeder medizinischen Entscheidung stets die individuelle Patientensituation berücksichtigen – dafür ist gerade die vertrauensvolle und meist langjährige Hausarzt-Patienten-Beziehung die beste Grundlage. Dass in einigen Landkreisen schon jetzt Drittimpfungen durchgeführt werden, trägt zusätzlich zur Verunsicherung von Ärztinnen und Ärzten und Patientinnen und Patienten bei.“

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Stiko kündigt eine Empfehlung zu Boosterimpfungen an

Die Stiko kündigte indes eine zeitnahe Empfehlung zu Auffrischungsimpfungen für Senioren und Immungeschwächte an. Die Aufarbeitung der vorliegenden Daten sei in vollem Gange, sagte Stiko-Chef Thomas Mertens am Mittwoch. Lange werde es nicht mehr dauern, auf ein genaues Datum für die Empfehlung könne er sich aber noch nicht festlegen.

Geplant sei auch eine Aktualisierung der Empfehlung für Schwangere, wenn die Datenaufarbeitung bei der Stiko in diesem Bereich voranschreite. Bisher ist die Empfehlung für Schwangere stark eingeschränkt: Sie gilt nur für Frauen mit Vorerkrankungen und einem hohen Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung oder für Frauen mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko aufgrund ihrer Lebensumstände. Nach einer Nutzen-Risiko-Abwägung und nach ausführlicher ärztlicher Aufklärung kann diesen Gruppen seit Mai eine Impfung mit einem mRNA-Impfstoff ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel angeboten werden.

Für Kinder unter zwölf Jahren gibt es in Europa bisher keine zugelassenen Impfstoffe. Hersteller wollen bis zum Herbst Daten dafür vorlegen.

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