Erst Wahlsieg, jetzt Partnersuche: Kommen Wüst und die Grünen zusammen?
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Der amtierende Ministerpräsident Hendrik Wüst spricht nach der ersten Hochrechnung und einem furiosen Sieg der CDU zu seinen Parteikollegen und Anhängern auf der CDU-Wahlparty der Landtagswahl 2022.
© Quelle: IMAGO/Political-Moments
Düsseldorf. Es ist eine erstaunliche Aufholjagd gewesen – und am Ende kennt der Jubel bei der CDU in Nordrhein-Westfalen keine Grenzen. Von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Union und SPD war während des gesamten Wahlkampfes die Rede gewesen. Aber dann ist es der CDU und Ministerpräsident Hendrik Wüst doch gelungen, mit deutlichem Vorsprung an den Sozialdemokraten vorbeizuziehen.
„Die Menschen haben uns ganz klar zur stärksten Kraft gemacht“, ruft Wüst den Menschen in der CDU-Parteizentrale in Düsseldorf zu. Ihre Antwort: „Jawohl“-Rufe und rhythmisches Klatschen nach beinahe jedem Satz. „Das ist der Auftrag, eine künftige Regierung zu bilden zu führen“, sagt er selbstbewusst. „Team Wüst, ihr seid der Hammer“, ruft er denen zu, die ihn im Wahlkampf unterstützt haben.
Auch bei der SPD wird, ein wenig trotzig, applaudiert – und der eine oder andere auf der Bühne ringt sich sogar ein Lächeln ab. „Herzlichen Dank für eure Aufmunterung“, so ruft es Wüsts Herausforderer Thomas Kutschaty den Anwesenden zu. Das Ziel, dass Schwarz-Gelb abgewählt werde, sei erreicht, betont der SPD-Spitzenkandidat. Er sagt aber auch klar: „Das Ergebnis liegt unter unseren Erwartungen.“ Es ist eine nette Formulierung für: Die SPD schneidet ausgerechnet in Nordrhein-Westfalen historisch schlecht ab.
Es war ein Krimi erwartet worden an diesem Wahlabend im bevölkerungsreichsten Bundesland, in dem das Ergebnis immer auch große bundespolitische Auswirkungen haben kann. Jetzt steht um 18 Uhr fest: Über die Frage, wer die stärkste Partei im Land ist, wird an diesem Abend keine Spannung mehr aufkommen. Doch ist damit auch schon klar, wie Nordrhein-Westfalen künftig regiert wird?
CDU gewinnt Wahl – Regierung aber auch ohne Christdemokraten möglich
Die CDU hat ersten Hochrechnungen zufolge die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen überraschend deutlich gewonnen.
© Quelle: Reuters
Ministerpräsident Wüst hat angekündigt, mit allen demokratischen Parteien sprechen zu wollen. Offensichtlich ist aber auch: Für eine stabile Mehrheit richten sich die Augen der CDU vor allem auf die Grünen. Der Gewinner muss auf Partnersuche gehen und attraktive Angebote machen.
Kutschaty wiederum ist an diesem Abend zwar auf die Bretter gegangen. Er macht aber auch deutlich: Er will dort nicht unbedingt liegenbleiben. „Auch wenn die CDU vor uns liegt: Die Sozialdemokratie steht bereit auch für eine Landesregierung hier“, sagt Kutschaty. Er und die SPD im Land klammern sich an die Hoffnung, dass es eine Mehrheit für Rot-Grün geben könnte – wenn die FDP es nicht in den Landtag schaffen sollte. Mit der FDP im Landtag hätte auch eine Ampelkoalition eine Mehrheit. Kutschatys Worte klingen jedenfalls anders als die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der sagt, jetzt seien erst mal die Wahlsieger am Zug.
SPD nach Wahlniederlage gegen die CDU für Regierungsbildung bereit
Der nordrhein-westfälische SPD-Chef Thomas Kutschaty hat sich nach der Landtagswahl für Gespräche aller demokratischen Parteien ausgesprochen.
© Quelle: Reuters
Die grüne Königsmacherin: Mona Neubauer
Die Frau, der jetzt die Rolle der Königsmacherin zukommt, heißt Mona Neubaur. Bei der Verkündung der ersten Prognose am Wahlabend wirkt sie so, als könne sie ihr Glück noch gar nicht fassen – obwohl sich die starke Rolle der Grünen in Umfragen zumindest angekündigt hat. Auch als Neubaur sich an die Anwesenden auf der Wahlparty ihrer Partei richtet, atmet sie mehrfach tief durch, bis sie schließlich ausruft: „Was für ein Ergebnis!“ Das sei ein riesiger Vertrauensvorschuss für ihre Partei.
Zur Frage nach Koalitionen wird sie später sagen: „Wir sind dafür belohnt worden, dass wir einen eigenständigen grünen Wahlkampf geführt haben.“ Entscheidend sei, dass es eine starke grüne Handschrift gebe.
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15.05.22, Düsseldorf: Die grüne Spitzenkandidatin Mona Neubaur am Set einer Talkshow. Die Grünenpolitikerin gilt mit Blick auf das aktuelle Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen als Königsmacherin.
© Quelle: Getty Images
Damit bleibt Neubaur ihrem Kurs treu. Sie hat sich stets als Politikerin der Mitte präsentiert. Die gebürtige Bayerin, die Düsseldorfer Senf liebt, hat deutlich gemacht, dass sie energisch für grüne Ziele erneuerbare Energien kämpfen will. Festgelegt, mit wem sie das tun will, hat sie sich vor der Wahl nicht. Neubaur gilt sowohl zur CDU als auch zur SPD als anschlussfähig.
Auf der Wahlparty der Grünen direkt am Rhein herrscht Festivalstimmung. Es wird viel Bier und Wein getrunken. Einige haben sich mit einer Decke auf den Rasen gesetzt. Auch für die Mitglieder gilt: Hier will man jetzt erst einmal feiern und noch nicht allzu viel über Koalitionen sprechen.
Klar, an der Grünen-Basis hatten viele auf eine Mehrheit für Rot-Grün gehofft. Gerade in der Innenpolitik sind die Unterschiede zur Union groß. Der Landesvorsitzende der Grünen Jugend sagt, man müsse auch erst mal das Wahlergebnis abwarten – es sei ja vielleicht auch eine andere Zweierkonstellation als Schwarz-Grün möglich. Da ist sie wieder, die letzte Hoffnung auf Rot-Grün – das eine Mehrheit haben könnte, falls die FDP es nicht wieder in den Landtag schafft. Mit einer FDP im Landtag wäre eine alternative Mehrheit zu Schwarz-Grün die Ampel, die im Bund regiert.
Die Grünen-Spitze wiederum hat keine Berührungsängste zur CDU. Sie dürfte auch wissen: Um nach einer so heftigen Wahlniederlage mit der SPD zu regieren, bräuchte sie für die Öffentlichkeit schon eine sehr gute Begründung. Die wird Hendrik Wüst nicht liefern wollen – er wird sich in Gesprächen konziliant zeigen. Der Druck wird groß sein, dass die Gewinner, Union und Grüne, in ein Bündnis gehen.
Große Chance für Hendrik Wüst
Für Ministerpräsident Wüst wäre es der endgültige Aufstieg in die erste Liga, wenn es ihm gelingen sollte, eine Koalition im Landtag zu bilden und im Amt zu bleiben. Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen werden gern schon mal als Kanzlerkandidaten gehandelt. Auch wenn das nicht immer eine gute Idee sein muss, wie sich bei Armin Laschet gezeigt hat.
Wüst hat erst vor rund sechs Monaten das Amt des Ministerpräsidenten von eben diesem Armin Laschet übernommen, der nach der verlorenen Bundestagswahl als Abgeordneter nach Berlin gegangen ist. Womöglich der Ministerpräsident mit der kürzesten Amtszeit in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen zu sein – das war in den Monaten vor der Wahl eine wenig verlockende Aussicht. Wer ihn am Wahlabend durch den Landtag schreiten sieht, wie er zwischen zwei Interviews schnell mal Weggefährten umarmt, der spürt: Wüst ist jetzt sehr zuversichtlich, dass das Projekt Wiederwahl gelungen ist.
In der SPD werden sie sicher noch darüber zu sprechen haben, wie groß der Anteil jeweils von Bund und Land an der Niederlage ist. Kutschaty hat als Kandidat nicht so gezündet, wie er sollte – das ist klar. Er hat sich aber auch mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) plakatieren lassen. Zu einer Zeit, als die Kritik an dessen Ukraine-Konflikt oft groß war. Die CDU in NRW versuchte, Kutschaty und die SPD in die Ecke der Russland-Versteher zu stellen. Es ist wohl etwas hängen geblieben.
Ein jammervoller Abend ist es auch für die FDP. Sie stand in diesem Wahlkampf vor großen Herausforderungen: Sie hatte bei der Landtagswahl 2017 mit mehr als 12 Prozent ein starkes Ergebnis geholt – mit einem Spitzenkandidaten Christian Lindner. Der FDP-Chef ging dann aber, wie vor der Landtagswahl angekündigt, nach der Bundestagswahl einige Monate später nach Berlin. Stellvertretender Ministerpräsident für die FDP wurde Joachim Stamp, der als Familien- und Integrationsminister auch als guter Fachpolitiker gilt. Das Charisma eines Christian Lindner hat er nicht.
„Grauenvoller Abend“: Strack-Zimmermann nach FDP-Wahlpleite in NRW ratlos
Die FDP hat in Nordrhein-Westfalen viele Stimmen verloren und muss um den Einzug in den Landtag bangen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann sucht nach Erklärungen.
© Quelle: RND
Dass die FDP nach der Wahl 2017 in NRW das Schulministerium übernommen hat, war angesichts ihres programmatischen Schwerpunkts in der Bildungspolitik folgerichtig. Ein Erfolg war das Projekt für die FDP aber nicht. Ministerin Yvonne Gebauer wurde zum Gesicht für alles, was in der Corona-Pandemie schieflief – und das war aus der Sicht vieler Eltern in Nordrhein-Westfalen eine ganze Menge. Sie ist in ihrem Bundesland so bekannt wie wenige andere Landespolitiker. Nur: Die meisten Menschen vertrauen ihr nicht. Jetzt heißt es am Wahlabend: Zittern, ob man es überhaupt in den Landtag schafft.
Der FDP-Spitzenkandidat Joachim Stamp verspricht, man werde die Niederlage „schonungslos aufarbeiten“. Ministerpräsident Wüst bedankt sich bei der FDP. Die Zusammenarbeit sei stets gut gewesen. Es sind nette Abschiedsworte. Mehr nicht.