EU-Asylkompromiss löst heftige Kontroverse aus – vor allem bei den Grünen
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Die europäischen Grenzen sollen geschlossener werden (Symbolbild). Symbol image for the Demarcation Europe Flag the European Union behind Barbed wire fence to the Greens Border Closure the European Borders
© Quelle: imago/Martin Bäuml Fotodesign
Berlin. Die Einigung der 27 Innenministerinnen und Innenminister der Europäischen Union auf ein gemeinsames europäisches Asylsystem (Geas) am Donnerstagabend in Luxemburg hat in Deutschland und darüber hinaus eine hochgradig kontroverse Diskussion ausgelöst. Dabei zeigen sich insbesondere die Grünen gespalten wie seit Jahren nicht mehr.
Die Reformpläne sehen einen deutlich härteren Umgang mit Migrantinnen und Migranten ohne Bleibeperspektive vor. Ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern sollen künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.
Verbitterung bei den Grünen
Die Bundesregierung, allen voran die federführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), hatte sich dafür eingesetzt, dass Familien mit Kindern von den Grenzverfahren ausgenommen werden. Um den Durchbruch zu ermöglichen, musste sie aber akzeptieren, dass dies doch möglich sein könnte. Nicht zuletzt das sorgt bei Teilen der Grünen und der SPD sowie bei Menschenrechtsorganisationen und Kirchen für Verbitterung.
Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Angesichts des höchst problematischen Asylkompromisses muss man von der gesamten Grünen-Führung jetzt erwarten, dass sie ihr Möglichstes tut, damit die Asylrechtsverschärfung in dieser Form nicht kommt.“ Sie sei „nicht nur menschenrechtlich problematisch“, sondern schade auch dem Ansehen Deutschlands und Europas in der Welt.
Die Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament, Terry Reintke, sagte dem RND: „Als Grüne im Europäischen Parlament halten wir den Ratsbeschluss nicht für tragfähig – sowohl weil er Menschenrechtsstandards aushöhlt als auch keine langfristig praktikablen Lösungen für eine nachhaltige gemeinsame europäische Asylpolitik liefert. Wir werden deshalb in den Gesprächen mit der EU-Kommission und dem Europäischen Rat für Verbesserungen kämpfen. Am Ende werden wir nicht um jeden Preis eine Einigung unterstützen.“ Die Vorsitzende der Jungsozialisten in der SPD, Jessica Rosenthal, nannte die Reform „ein einziges Unrecht“.
Außenministerin Annalena Baerbock, die das Vorgehen mit Faeser abstimmte, schrieb in einem Brief an die Grünen-Bundestagsfraktion, die Entscheidung sei ihr „als Außenministerin, als Grüne und auch persönlich sehr schwergefallen“, sie halte sie dennoch für richtig.
EU-Staaten einigen sich auf Verschärfung des Asylverfahrens
Die EU-Staaten arbeiten seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 an einer weitreichenden Reform des EU-Asylsystems.
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Nouripour hält das Ja zur Reform für notwendig
Die Grünen-Vorsitzenden reagierten gegensätzlich. Omid Nouripour hält das Ja zur Reform nach eigenen Worten für notwendig. Co-Parteichefin Ricarda Lang erklärte hingegen, dass Deutschland „nicht hätte zustimmen dürfen“. Die Fraktionschefinnen Britta Haßelmann (dafür) und Katharina Dröge (dagegen) hielten es ähnlich wie die Spitzen der Partei. Am Samstag nächster Woche kommen die Grünen in Bad Vilbel bei Frankfurt am Main zu einem Kleinen Parteitag zusammen. Dort dürfte das Thema die Hauptrolle spielen. Der Ausgang ist offen.
Die Kommunen begrüßten die Einigung. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte dem RND: „Es ist gut, dass sich die EU-Staaten auf den Weg zu einer gemeinsamen Migrationspolitik machen. Das ist insbesondere auch ein Zeichen, dass Europa gemeinsam handeln will, um den Migrationsdruck zu reduzieren.“
Unterdessen sorgt der Kompromiss in der EU ebenfalls für anhaltenden Streit, weil die Pläne mehr Solidarität mit den stark belasteten Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen vorsehen. Länder, die keine Geflüchteten aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden. Ungarn hatte die Einigung deshalb ebenso wie Polen, Malta, die Slowakei und Bulgarien nicht unterstützt. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki sagte vielmehr, man werde „nicht zulassen, dass uns irgendwelche Migrationsquoten, Quoten für Flüchtlinge aus Afrika, aus dem Nahen Osten, für Araber, Muslime oder wen auch immer auferlegt werden“.