Einmalzahlung statt Lohnerhöhung? Worum es bei der „Konzertierten Aktion“ gehen soll
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gibt im Juli im Bundeskanzleramt eine Pressekonferenz nach den Gesprächen zur sogenannten konzertierten Aktion gegen die Inflation in Deutschland.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Die Regierung sieht sie als wichtiges Instrument für Krisenmanagement, die Union nennt sie eine Alibiveranstaltung: die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ins Leben gerufene „Konzertierte Aktion“ aus Bundesregierung, Arbeitgebern, Gewerkschaften und Wissenschaft.
Beim Auftakttreffen im Sommer hatte es noch keine Ergebnisse gegeben – inzwischen hat die Spitze der Ampelkoalition ein drittes Entlastungspaket beschlossen und Angebote an die Sozialpartner gemacht. Bei der Sitzung der Konzertierten Aktion an diesem Donnerstag könnte es konkret werden.
Konzertierte Aktion: Das sind Ziele, Erwartungen und Forderungen
Hauptziel: Scholz will die hohe Inflation und Einkommensverluste abmildern. Gemeinsam mit den Sozialpartnern will die Regierung einen drohenden wirtschaftlichen Abschwung mit erheblichen sozialen Folgen im Schulterschluss verhindern. Unionsfraktionschef Friedrich Merz hält die Treffen allerdings für wirkungslos: Sie seien ein Alibi dafür, keine Reformen durchzusetzen. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch spricht von einer „konzertierten Luftnummer“.
Erwartung am Donnerstag: Im dritten Entlastungspaket hat die Koalition aber bereits angeboten, Zusatzzahlungen von Arbeitgebern an ihre Beschäftigten wegen der hohen Preise in Deutschland bis zu einer Höhe von 3000 Euro steuer- und abgabefrei zu stellen. FDP-Chef Christian Lindner nennt das eine „Inflationsprämie“. Die Energiegewerkschaft IG BCE etwa hat früh Sympathie für ein tarifliches – steuerfreies – Entlastungsgeld für die Beschäftigten gezeigt. Wie viele Arbeitgeber mitmachen, war bisher unklar. Hier könnte das Treffen am Donnerstag mehr Klarheit schaffen.
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Tafeln können Armut nicht mehr auffangen: „Das kann einem doch nicht egal sein“
Energiekrise, Inflation und Corona lassen die Armut in Deutschland wachsen. An den Tafeln ist das bereits zu spüren. Die Wartelisten sind lang, in Hannover wurde gar ein Aufnahmestopp verhängt. Dort steht man vor vielfältigen Problemen: Weniger Lebensmittel und weniger Personal treffen auf mehr Kosten und mehr Bedürftige.
Die Verhandlungen über die konkrete Höhe des tariflichen Entlastungsgelds führen aber die Tarifparteien jeweils unter sich. Die Gewerkschaften mahnen bereits, ein tarifliches Entlastungsgeld sei kein Ersatz für nachhaltige Lohnsteigerungen. Es könne lediglich ein ergänzendes Element sein. SPD-Chefin Saskia Esken pocht auf deutliche Lohnsteigerungen, Lindner hatte sich für mehr Überstunden von Beschäftigten ausgesprochen.
Forderung: Der Wirtschaftsrat der CDU warnte die Bundesregierung vor „politischer Einmischung in die Tarifautonomie“. „Ich bin gegenüber politischer Einmischung in die Tarifautonomie kritisch, wie sie offensichtlich beabsichtigt ist“, sagte Verbandsgeneralsekretär Wolfgang Steiger dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Er forderte die Regierung auf, die Energiepreise durch eine Senkung der Stromsteuer zu reduzieren. „Die Energiepreise müssen und können gesenkt werden, wenn der Staat seinen hohen Anteil an den Energiekosten deutlich senkt, allen voran die Stromsteuer.“
Zudem müssten alle verfügbaren Quellen für Energie genutzt werden, um auch hier angebotsseitig die Preise deutlich zu senken. Der befristete Weiterbetrieb aller Kern- und Kohlekraftwerke scheitere aber an ideologischen Barrieren bei Grünen und SPD. Die Bundesregierung halte den Schlüssel in der Hand, Bürger und Betriebe nachhaltig zu entlasten, ohne den Bundeshalt zu stark zu belasten. Sie wolle aber lieber „ein Entlastungspaket nach dem anderen beschließen, die von ihrer wachsenden Mitverantwortung an der Energiekrise und drohenden Rezession ablenken“, sagte Steiger.
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Vorbild: Konzertierte Aktion 1967: In der ersten schweren Wirtschaftskrise der Bundesrepublik versammelte der damalige Wirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) 1967 Vertreter von Regierung, Wirtschaft und Gewerkschaften an einem „Tisch der gesellschaftlichen Vernunft“. Aufeinander abgestimmte Schritte aller Beteiligten sollten die Wende bringen. Angesichts der seit 1968 wieder boomenden Wirtschaft drängten die Gewerkschaftsmitglieder bei stagnierenden Reallöhnen und steigenden Unternehmensgewinnen aber auf eine offensivere Lohnpolitik. Die Arbeitgeber sahen in der gemeinsamen Runde zudem ein Abwehrinstrument gegen die aus ihrer Sicht überzogenen Gewerkschaftsforderungen.
Zum endgültigen Bruch der Konzertierten Aktion kam es 1977, als der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) der 40. Sitzung fernblieb, nachdem die Arbeitgeber wegen des neuen Mitbestimmungsgesetzes vor das Bundesverfassungsgericht gezogen waren.
Ausblick: Bundeskanzler Scholz hat versprochen, dass niemand allein gelassen wird in diesen Zeiten der Preiskrise, die durch Russlands Krieg gegen die Ukraine ausgelöst wurde. Im Herbst soll es mehr Ergebnisse der Konzertierte Aktion geben. Diese soll ein dauerhaftes Instrument der Verständigung werden.
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