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Kommentar zum Strafprozess um US-Geheimakten

Drei Gründe für den Anfang vom Ende von Trump

Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA.

Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA.

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Donald Trump schreibt amerikanische Geschichte. Allerdings werden die mit seinem Namen verbundenen Kapitel, die schon immer wenig lichtvoll waren, nun immer düsterer. Am Dienstag, vor einem Bundesgericht in Miami, muss sich der 76-Jährige als erster früherer US-Präsident die Verlesung einer gegen ihn gerichteten Anklageschrift anhören. Trump wird zur Last gelegt, er habe rechtswidrig geheime Regierungs­dokumente besessen, ihren Besitz dann auch noch geleugnet und damit die nationale Sicherheit gefährdet und die Justiz behindert.

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Viele winken jetzt spontan ab: Was soll ein solches Gerichtsverfahren ändern? Hat Trump nicht bereits unzählige Prozesse ohne politischen Schaden für sich selbst überstanden? Tatsächlich blieben Trumps Umfragewerte in letzter Zeit verblüffend stabil – obwohl er Mitte Mai in einem Zivilprozess wegen sexueller Belästigung einer Frau zu einer Entschädigungszahlung von 5 Millionen Dollar verurteilt wurde. Das Gericht in New York sah es als erwiesen an, dass Trump eine Frau in der Umkleidekabine eines Luxusgeschäfts in Manhattan zu befingern versucht hatte. Die Fans von Trump jedoch scheint so etwas nicht zu bekümmern. Unter Wählerinnen und Wählern der Republikaner jedenfalls ist Trump derzeit noch immer der mit Abstand populärste Kandidat.

Der Aktenprozess jedoch könnte vieles ändern. Zwar sprechen viele prominente Republikaner und Republikanerinnen in ihren ersten Reaktionen erneut von einer Hexenjagd auf Trump. Von Methoden wie in einer Bananenrepublik ist gar die Rede – als wolle der demokratische Präsident Joe Biden nun mit justizförmigen Mitteln den populärsten Mann bei den oppositionellen Republikanern ausschalten.

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Aber diese Aufwallung wird sich legen, die Zeit arbeitet gegen den Angeklagten. Denn die Staatsanwaltschaft hat auf 49 Seiten eine Fülle frappierender Details zusammengetragen, die in ihrer Summe geeignet sind, Trump nicht nur juristisch das Genick zu brechen, sondern ihn auch als Präsidentschafts­kandidaten unmöglich zu machen. Drei Gründe sprechen dafür, dass der Geheimaktenprozess der Anfang von Trumps politischem Ende ist.

1. Die juristische Wucht der Vorwürfe

Es geht hier nicht um einen Zivilprozess, sondern um ein Strafverfahren mit Tatbeständen, für die bis zu zehn Jahre Haft angeordnet werden können. Hintergrund ist die mögliche Gefährdung der nationalen Sicherheit. Ein bei Trump beschlagnahmtes Dokument aus dem Juni 2020 enthielt beispielsweise den Ermittlungen zufolge „Informationen zu den nuklearen Fähigkeiten eines anderen Staates“.

Angesichts der politisch aufgeladenen Situation hat Sonderermittler Jack Smith die Anklageschrift in einem eiskalten No-Nonsense-Modus abgefasst. Politische Bezüge aller Art werden vermieden. Jeder juristische Vorwurf indessen wird akribisch belegt, unter anderem mit beschlagnahmten Videoaufzeichnungen von Sicherheitskameras, mit sichergestellten Textbotschaften und mit Aussagen von Zeugen aus dem Kreis von Trumps Mitarbeitern.

Eiskalter No-Nonsense-Modus: Sonderermittler Jack Smith.

Eiskalter No-Nonsense-Modus: Sonderermittler Jack Smith.

Die Ermittler können beweisen, dass Trump …

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  • seine Kartons mit Geheimdokumenten an verschiedenen Orten in seinem Mar-a-Lago-Club in Florida aufbewahrte – „unter anderem in einem Ballsaal, in einem Badezimmer und einer Dusche, einem Büro, seinem Schlafzimmer und einem Lagerraum“,
  • versucht hat, dies durch Lügen zu verschleiern,
  • in mindestens zwei Fällen Geheimdokumente anderen Personen gezeigt hat.

2. Die politische Bedeutung der Vorwürfe

Trumps Regelverstöße konterkarieren auf groteske Art klassische zentrale Botschaften der amerikanischen Konservativen, vor allem den Einsatz für Recht und Ordnung.

Geheime Akten im Badezimmer: Zu den Beweismitteln der Staatsanwaltschaft gehören Fotos wie dieses aus Trumps Club Mar-a-Lago in Florida.

Geheime Akten im Badezimmer: Zu den Beweismitteln der Staatsanwaltschaft gehören Fotos wie dieses aus Trumps Club Mar-a-Lago in Florida.

Was Trump tat, war illegal und unordentlich. Mehr noch: Es gefährdete die nationale Sicherheit der USA und die von Verbündeten.

America first? Wer mit Geheimdienst­berichten so verächtlich umgeht wie Trump, zeigt damit letztlich auch seine Verachtung für die Dienste selbst. Deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten mit großem Engagement und gehen auch Risiken ein, um an Informationen zu kommen, etwa im Bereich nuklearer Kriegsführung. Ihre Tätigkeit hätte angesichts der gewachsenen Spannungen im Verhältnis zu Russland und China mehr Wertschätzung verdient.

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Trumps Verhalten war also nicht nur eine Verhöhnung von Recht und Ordnung. Es war zugleich ein unpatriotischer Akt. Die Republikanische Partei der USA muss klären, wie das zu ihr passt – und wie es sich im Präsidentschafts­wahlkampf 2024 auswirken könnte.

3. Zweifel an Trumps persönlicher Eignung

Eine alte Frage stellt sich neu: Ist Trump charakterlich geeignet, Präsident der USA zu sein? Der Umgang mit den Akten gibt auch Wohlmeinenden Rätsel auf. Wozu wollte Trump die geheimen Dokumente überhaupt horten? Um damit anzugeben gegenüber Partygästen? Ausschließen mag das leider niemand.

So oder so: Die Anklageschrift deutet auf ein Verhaltensmuster, wonach Trump eine Herrschaft des Rechts auch über ihn selbst nicht anerkennt.

Einige können es dennoch nicht lassen, neue Sympathie­bekenntnisse zu senden. So orakelt Milliardär Elon Musk, „das Interesse an der Verfolgung von Trump scheint im Vergleich zu anderen Leuten in der Politik weitaus größer zu sein“.

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Immerhin sind die republikanischen Präsidentschafts­bewerber Chris Christie und Asa Hutchinson bereits auf Distanz zu Trump gegangen. Wann folgen Ron DeSantis und Nikki Haley? Und wann endlich bricht auch das konservative Business-Amerika mit dem egomanischen Rechtsbrecher in Mar-a-Lago?

Den Sonderermittler Jack Smith kanzelte Trump ab als einen „durchgeknallten Idioten“. Seine eigenen Mitarbeiter wies er an, den Behörden die Unwahrheit zu sagen. Exakt so, muss man leider sagen, agieren auch Mafiabosse. Die Anerkennung dieser schrecklichen Wahrheit braucht offenbar noch etwas Zeit. Niemand gesteht sich gern ein, schon seit dem Wahljahr 2016 den falschen Mann unterstützt zu haben.

Die Zeit aber arbeitet gegen Trump. Eben noch spottete Trump über die Vielzahl seiner parteiinternen Gegenkandidaten, die allesamt abgeschlagen hinter ihm lagen. Doch schon hinter der nächsten Kurve könnte es zu einem Zusammenrücken aller anderen republikanischen Bewerberinnen und Bewerber kommen. Denn eines haben sie gemeinsam: Trump erschwert ihnen allen das Geschäft.

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